44. Odynadail Teil 3

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- "Ich habe das übrigens ganz ernst gemeint kleine Halbling." - Meldete sich Alonvy wieder zu Wort als ihrer Reiterin weiter ins Innere der Festung vordrang auf der Suche nach der Bibliothek von der ihre Cousine erzählt hatte. - "Bisher scheinst du an einem Nistpartner nicht viel Interesse zu haben." -
Marlena blieb kurz stehen und lehnte sich mit der Schulter an die weiße Marmorwand neben sich. Sie dachte darüber nach was ihrer Drachendame gerade gesagt hatte.
- "Es hat sich bisher einfach nie etwas ergeben." - gestand sie schließlich. - "Sicher gab es ein paar Männer Dinge vielleicht gefallen hätten. In meinem fünften Sommer wollte ich meinen Vater heiraten aber....."-
-" Wie bitte!?" - ereiferte sich Alonvy.
Marlena musste ob des Entsetzens ihrer Seelenschwester schmunzeln.
- "Das ist bei vielen weiblichen Zweibeinerkindern so. Natürlich habe ich das nicht ganz ernst gemeint. Damals war ich noch viel zu jung um überhaupt zu begreifen was in einer Gefährtenschaft so passiert. Ich meine nur, dass ich das Gefühl habe, das ich bisher nie wirklich verliebt gewesen bin. Sehr zur Freude meines Vaters." -
- "Wieso? Arget Un Eragon will ich doch nicht etwa auch heiraten oder?" -
- "Nein! Natürlich nicht! Alonvy ich hab doch grade nur Spaß gemacht. Mein Vater würde nur vermutlich zum nervlichen Wrack werden, wenn ich plötzlich Interesse für Männer entwickeln würde. Für ihn bin ich doch immer noch sein kleines Mädchen das mit Puppen spielt. Er hätte wohl viel zu große Angst, dass ich verletzt werden könnte." -
In ihrem Geist vernahm Marlena einer Art unwirsches Knurren.
- "Ihr Zweibeiner seit wirklich merkwürdig wenn es um eure Paarung geht." -
Wieder musste Marlena Lachen und setzte ihren Weg durch die Festung fort.
- "Ich lass das einfach auf mich zukommen meine Große. Wenn es passiert passiert es eben. Die Liebe findet einen schon man muss ihr nicht nachlaufen." -
Mit dieser Aussage ihrer Reiterin gab sich Alonvy zufrieden und zog sich aus dem Gedanken von Marlena zurück.
Inzwischen hatte die junge Drachenreiterin vor einer breiten Doppeltür Halt gemacht, öffnete diese einen Spalt und erkannte, dass sie fündig geworden war.
Sie schlüpfte durch die Tür und sah sich in der hell ausgeleuchteten Bibliothek um. Natürlich war die Sammlungsanschriften dir verwarnt wurde nicht so beeindruckend wie die Jeod-Bibliothek in der Ostmark oder die Schriftensammlung der Elfen in Ellesméra. Trotzdem hatte man hier eine beeindruckende Sammlung zusammengetragen. Leise ging Marlena an den Regalreihen vorbei und überflog die Titel auf den Buchrücken. Bei Schriftrollen kennzeichnete ein Schild am Regal und eine Aufschrift auf den, aus Holz gefertigten, runden Schutzhüllen in denen man die beschriebenen Pergamente aufgerollt verstaute um sie vor der Witterung zu schützen, den Inhalt.
Das erste Buch welches das Interesse der jungen Halbling erregte war von einem der ersten Schüler ihres Vaters verfasst worden. Der Urgal Tar hatte es seit seiner Ausbildung bedauerte, dass es so wenig geschriebenes Wissen über sein Volk gab. Die wenigen Texte die existierten wurden den Gehörnten nach Meinung ihres ersten Reiters nicht gerecht. Dies lag daran, dass sie entweder von den Elfen oder Menschen verfasst worden waren und daher in die individuelle Sichtweise des jeweiligen Volk bis auf die Urgals widerspiegelte. Einige Texte waren schlichtweg eine Beleidigung für das Volk des Drachenreiters. Die Gehörnten wurden darin zu dummen Bestien herabgewürdigt. Animalische Kreaturen ohne eigene Kultur und unfähig auch nur die einfachsten Gefühle zu empfinden. Zum größten Teil sollten diese Texte Feldzüge gegen die Gehörnten rechtfertigen. Es war eine traurige Tatsache, dass jede Dokumentation über Kampfhandlungen immer einen Hauch von Propaganda in sich trug.
Doch selbst Schriftstücke, die verfasst worden waren neutral über das Wesen der Urgals zu berichten waren oft nicht vollständig frei von Vorurteilen oder es fehlte schlicht der kulturelle Hintergrund um die einzelnen Gebräuche der Gehörnten zu verstehen.
Tar hatte schließlich beschlossen diesem Notstand abzuhelfen. Er hatte mehrere Werke verfasst die heute zu einem unverzichtbaren Teil in der Ausbildung der Drachenreiter geworden waren. Sein erstes Buch befasste sich vor allem mit seinem eigenen Clan ihren individuellen Gebräuchen und der Geschichte die mit dem Banner von Tars ehemaliger Lebensgemeinschaft verknüpft war. Der damals noch junge Drachenreiter hatte die Geschichte seines Clans auf eine einzigartige Weise zu Papier gebracht. Er hatte alle Geschehnisse aus seiner Sicht beschrieben. Praktisch hatte er seine Lebensgeschichte bis zu dem Zeitpunkt erzählt an dem er zum Reiter berufen wurde. Er hatte dargestellt wie er von den Sitten und Gebräuchen seines Volkes erfahren hatte, durch Geschichten und Erzählungen die Bedeutung der einzelnen Rituale begriffen hatte und welche Konsequenzen dies für sein Leben gehabt hatte. Natürlich hatte Tar keine einfache Kindheit gehabt dennoch zeichnete er ein ausgewogenes, von tiefem Verständnis geprägtes Bild der Urgals.
Eine wertvolle Unterstützung für seine Bemühungen war der damals noch lebende Gelehrte Jeod gewesen. Dieser war es auch, der Tars erstes Buch vervielfältigt und im ganzen Königreich bekannt gemacht hatte. Die ersten Exemplare hatte er den jeweiligen Herrschern der Völker zum Geschenk gemacht und bald fand sich eine Kopie von Tars Werk in fast jeder Bibliothek Alagaesias.
Der Drachenreiter der Gehörnten hatte, angespornt von diesem Erfolg, beschlossen weitere Texte zu verfassen. Gemeinsam mit seinem Drachen war er zu den einzelnen Städten der Gehörnten gereist und hatte die individuelle Geschichte jedes Clans niedergeschrieben. Er hatte Unterschieden und Gemeinsamkeiten heraus gestellt und die Gesamtheit seiner Werke stellte derzeit die wertvollste Informationsquelle über das Volk der Urgals da.
Als nächstes entdeckte man lehne eine Schriftrolle die Sie sofort fesselte. Es handelte sich um eine Abhandlung der Gründung von Cosaria. Diese Stadt stellte die am östlichsten gelegene Siedlung in der bekannten Welt da. Vor etwa 20 Sommern hatten die beiden Ratsmitglieder Narie und Marek beschlossen die noch Unerforschtgebiete jenseits der Ostmark zu erkunden. Wie auch die Expedition zum nördlichen Inselreich wurden sie von weiteren Reitern begleitet. Eine junge Reiterin der Zwerge namens Asorka auf ihrem goldenen Seelenbruder Jura und der Schüler von Meister Marek und Meisterin Laorie hatten sich der Gruppe angeschlossen. Bei den Schützlingen des Bergnomaden und seiner Drachendame handelte es sich um einen Gehörnten mit Namen Raskulan und seinen grünen Begleiter Venarus.
So waren also alle Völker vertreten als die Reiter sich weiter in den Osten vor wagten. Marlena erinnerte sich noch, dass sie ins Arbeitszimmer ihres Vaters geschlichen war um die Berichte zu studieren die Marek und Narie in regelmäßigen Abständen zu Ostmark schickten.
Die junge Halbling hatte diese Texte förmlich verschlungen und jede Zeichnung, von neu entdeckten Pflanzen oder Tieren aufs genaueste studiert. Besonders interessiert hatte sie ein Käfer, den die Drachenreiterin Narie den Namen Drachenläufer gegeben hatte. Dieses unscheinbare kleine Insekt verteidigte sich indem es seine Feinde mit einer fast 100° heißen Flüssigkeit besprühte. Offenbar hatte sich die Reiterin der Drachendame Kira an das Feuer der Sculblaka erinnert gefühlt und deshalb diesen Namen gewählt.
Besonders interessant waren aber auch zwei Entdeckungen gewesen die Gründung von Cosaria bedeutend vorangetrieben hatten.
Natürlich entdeckte Marlena Abbildungen der beiden Früchte, die letztlich zur Gründung der Siedlung geführt hatten, in der Schriftrolle die sie gerade studierte.
Zum einen handelte es sich um eine seltsam gekrümmte gelbe Frucht die einen unverwechselbar süßen Geschmack hatte wenn man die äußere, ungenießbare Schale entfernt hatte. Sie wuchs an einer Art Staude, reifte sehr schnell und hatte einen hohen Nährwert. Gerade aufgrund dieser Tatsachen, erkannten die Herrscher den Wert dieser Frucht für das einfache Volk und äußerten Interesse daran größere Mengen einzuführen. Unglücklicherweise ließ das Klima nicht zu, dass man die Pflanze im bekannten Alagaesia ansiedelte. Selbst im warmen Süden Surdas scheiterten diesbezügliche Versuche.
Dieser Umstand und die Tatsache, dass die zweite Frucht die im Osten entdeckt worden war sich auch beim Adel großer Beliebtheit erfreute hatte schließlich zu dem Plan geführt eine Siedlung im Osten zu errichten.
Bei der zweiten Frucht handelte es sich um eine Art Nuss, die etwa so groß war wie eine menschliche Faust. Sie wuchs an merkwürdigen Bäumen, war gefüllt mit einer Art süßen Milch und das Innere der harten Schale war von einem köstlichen Fruchtfleisch ausgekleidet.
Schließlich hatte sich eine Gruppe, die größtenteils aus Menschen bestand auf dem Weg in den Osten gemacht. Natürlich begleiteten auch elfische Gelehrte, Krieger der Gehörnten und Bergarbeiter der Zwerge die Siedler.
Die Gehörnten reizte besonders die Herausforderung des Unbekannten welches die elfischen Gelehrten studieren wollten. Die Zwerge reisten vor allem mit um nach Bodenschätzen zu suchen.
Auf Bitten der einzelnen Völker hatte Marlenas Vater Eragon die neue Siedlung unter dem Schutz der Drachenreiter gestellt. Narie und Marek waren gemeinsam mit den Siedlern in den Osten gereist und hatten ihn beim errichten einer Stadt geholfen. Noch heute lebten die beiden dort und fungierten als Statthalter.
Zunächst waren die Siedler, wie einst auch Eragon per Schiff in den Osten gesegelt. So hatten sie die Ostmark erreicht und von dort aus hatten sie ihre Reise per Pferd und Wagen fortgesetzt. Die Hilfe der beiden Drachenreiter hatte sich als unschätzbar erwiesen. Da Narie und Marek das Gebiet bereits erkundet hatten konnten sie die Siedler zu Frischwasserquellen führen und Auskunft darüber geben welche Pflanzen und Tiere essbar waren. Auch hatten sie mit ihren Drachen ein großes Gebiet erkunden können und nach zwei Jahren war schließlich die Stadt Cosaria entstanden.
Doch auch nach der Gründung dieser Siedlung spielte der Orden der Drachenreiter nach wie vor eine bedeutende Rolle. Unter der Leitung der beiden Mitglieder des Rates der Reiter war eine Straße zwischen Cosaria und der Ostmark entstanden über die die Handelsgüter zum Hafen der Heimstatt des Ordens gebracht werden konnten und von dort per Schiff nach Alagaesia verbracht werden konnten. Der Orden der Reiter sorgte dabei mit Magie dafür, dass man die Früchte des fernen Ostens in großer Menge einführen konnte ohne dass sie auf der Monate langen Reise verdarben.
Fast andächtig schob die junge Drachenreiterin die Schriftrolle in ihre Schutzhülle zurück und setzte ihre Wanderung durch die Bibliothek fort.
Als sie um eine Ecke bog er starrte die junge Halbling. In einer Sitznische entdeckte sie ihren Onkel Murtagh. Aus Aufregung über ihre literarischen Entdeckungen hatte sie fast vergessen, dass Cale und Ismira sie darauf hingewiesen hatten, dass die Bibliothek zu einem bevorzugten Aufenthaltsort von Dorns Reiter geworden war.
Der Bruder ihres Vaters hatte sich verändert. Die hervorstechende Veränderung war, dass er sich den gepflegten Vollbart abrasiert hatte. Es überraschte Marlena um wie vieles jünger ihr Oheim durch diese Tatsache wirkte.
Unschlüssig biss sich die junge Halbling auf die Lippe und spielte mit dem Gedanken einfach wieder in einen Seitengang der Bücherei zu verschwinden.
- "Feigling!" -
Marlena fühlte sich von ihrer Drachendame ertappt. Schon seit einigen Sommern waren sie nun verbunden und trotzdem schaffte es Alonvy immer noch sich fast unbemerkt in die Gedanken ihrer Reiterin zu schleichen.
- "Was heißt hier bitte Feigling?! Vielleicht will Onkel Murtagh er gar nicht mit mir reden. Vielleicht möchte er in Ruhe gelassen werden." -
Obwohl die junge Drachenreiterin das Körnchen Wahrheit im Vorwurf ihrer Drachendame überdeutlich spürte versuchte sie ihren Standpunkt zu verteidigen.
- "Natürlich!" - gab Alonvy mit sarkastischem Unterton in der Stimme zurück. - "Und ich werde demnächst ein kostbares Ballkleid tragen kleine Halbling. Mit Rüschen und Spitze." -
Die Vorstellung von der ausgewachsenen weißen Drachendame in einem derartig albernen Kleidungsstück war so absurd, dass Marlena nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte. Das leise Geräusch welches trotzdem entstand leichter aus um Murtagh aufblicken zu lassen.
Zur grenzenlosen Erleichterung der junge Drachenreiterin bildete sich ein Lächeln auf dem Gesicht ihres Oheims.
"Marlena! Schön dich wieder zu sehen. Komm schon, setzt dich ruhig zu mir. Ich beiße nicht."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt