Gefährliche Beute

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Zielsicher lenkte Burod seine Schritte in einem der abgelegenen Tunnel unter Tronjheim. Es war einer jener Stollen die kleinere Siedlungen mit dem Netzwerk von Tunneln verbannt, dass die Zwerge im Laufe der Jahrhunderte angelegt hatten. Dieser Tunnel jedoch war ziemlich heruntergekommen. Nur spärlich wurde er von einigen Fackeln ausgeleuchtet, deren Feuer fast von der allgegenwärtigen Feuchtigkeit des unter irdischen Gewölbes erstickt wurde. Wasser tropft von der Decke und bildete große Pfützen auf dem Boden.
Der Reiter der Zwerge war zu dem Ergebnis gekommen, dass es nichts brachte direkt zu fragen ob jemand Gefolgsleute des dunklen Kults um Marantera kannte. Daher hatte sich der Reiter zum einen den Rat seines Drachen Beoram zu Herzen genommen und auch auf seine geistige Wahrnehmungsfähigkeit zurückgegriffen und zusätzlich einen Plan entwickelt, der auf seiner Erfahrung als Jäger beruhte.
Burod wusste, dass es manchmal nichts brachte die Beute zu suchen. Viele Tiere, die die Natur als Nahrung für andere Lebewesen bestimmt hatte, verfügten über sehr feine Sinne und konnten sich in Luft auflösen wie Morgennebel sobald die Sonne über die Berggipfel ragte. Daher war es manchmal notwendig die Beute gewissermaßen zu provozieren. Sie auf zu scheuchen, in eine bestimmte Richtung zu lenken und dann aus der Deckung zuzuschlagen.
Mit diesen Plan als Grundlage hatte sich Burod in die Tunnel und Hallen unter Tronjheim begeben. Enge Stollen verbanden große Hallen miteinander. In den Wänden dieser Hallen waren die Wohnungen der Zwerge eingelassen, die hier unten lebten. Die Decken der riesigen unter irdischen Aushöhlungen wurden von gewaltigen Säulen gehalten, die selbst die ältesten Bäume des Elfenwaldes an Durchmesser übertrafen.
Die freie Fläche in den Hallen war der zentrale Sammelpunkt jeder Siedlung. Kaufleute boten an Ständen ihre Ware zum Kauf an und in gewaltigen hölzernen Schuppen und Vorräte und Arbeitsgerät aufbewahrt. Auch einige Gasthäuser luden neugierige Reisende zum verweilen ein.
Burod hatte sich zielstrebig vom Zentrum des bunten Treibens entfernt. Abgelegen von den Wohnungen und Marktständen, am Rande der Tunnelausgängen fand er die etwas zwielichtigen Bereiche der Siedlung die er aufgesucht hatte. Hier lebten in einfachen Hütten aus Leder und Holz die Mitglieder der Zwergengesellschaft den Erfolg im Leben bisher versagt geblieben war. Sie waren gezwungen ihr Dasein in derartig unwürdigen Behausungen zu Fristen, weil sie nicht das Geld aufbringen konnten Steinhauer zu bezahlen damit sie ein geistliches Heim in den massiven Fels schlugen. Tagelöhner, Bettler und Eigenbrötler die sich nicht in eine Gemeinschaft einfügen konnten waren nach Burods Meinungs der beste Nährboden für einen Kult um eine verstoßene Göttin.
Burod hatte also sein Jagdrevier betreten. Er hatte sich eine Schenke gesucht, deren Schild so verblasst war, dass man die Herberge kaum noch als eine solche identifizieren konnte. Er hatte das getan was er scheinbar schon einige Male vorher getan hatte. Fragen gestellt. Anders als bisher jedoch hatte er darauf geachtet dass sie jeder in der Schankstube wusste worum es ihm ging und dass er im offiziellen Auftrag des Ordens der Drachenreiter handelte. Natürlich hatte er nicht wirklich damit gerechnet eine Antwort zu bekommen die seine Untersuchungen vorantreiben würde. Er hatte kaum auf die Gespräche geachtet die er führte. Nein, Burod hatte seine geistigen Fühler wie unsichtbare Augen durch den Raum wandern lassen und zunächst nichts ungewöhnliches bemerkt. Die meisten fühlten sich durch seine Gegenwart nur belästigt. Einige empfanden aber auch Furcht. Hauptsächlich machten sie sich Sorgen, dass der Fremde Drachenreiter die Grenzen der Höflichkeit verletzen würde oder sie dazu zwingen würde etwas auszusprechen, was nicht vergeben werden konnte.
Burod achtete zwar darauf die Grenzen nicht zu überschreiten aber er reizte sie aus. Er ging so weit wie er nur gehen konnte und nährte damit das Unwohlsein der Knurlan noch.
Schließlich entdeckten Burods geistigen Fühler was er sich erhofft hatte. Ein Geist, der auf das sorgfältigste verschlossen war. Sofort handelte der Drachenreiter. Ein solcher Geist musste einem Magier gehören. Jetzt kam es darauf an genau die richtigen Signale zu senden. Er ließ seine geistigen Fühler noch etwas weiter schweifen, ganz so als hätte er nichts entdeckt. Seine Geduld wurde belohnt. Als der fremde Magier spürte, dass er nicht im Fokus der Aufmerksamkeit des Drachenreiters stand wagte er einen "Blick" über seine geistigen Schilde. Burod griff nicht an. Er versuchte nichts mit Gewalt zu entreißen sondern hielt nur seine Sensibilität aufrecht für das was er empfangen konnte. Die Gefühle dieses Zwerges, die aus seinen leicht geöffneten geistigen Schilden sickerten, unterschieden sich völlig von dem was die anderen Umstehenden Knurlan emfangen. Tiefe Abneigung! Das sichere Gefühl dass dieser Drachenreiter ein Feind war!
Burod war sich sicher, dass er seine Beute erspäht hatte. Nun musste man das aufgescheucht Wild nur an die richtige Stelle locken. Er beendete seine Befragungen und verließ das Wirtshaus. Außerhalb der schenke blieb er noch einen Augenblick stehen und tat so als würde er an einem Marktstand den ausgestellten Schmuck bewundern. Besonders schien es ihm ein blankes silbernes Amulett angetan zu haben. In Wahrheit jedoch hatte Burod die spiegelnde Oberfläche des Schmuckstücks genutzt um die Tür des Wirtshauses im Blick zu behalten durch die er gerade ins Freie getreten war. Wie von dem Reiter der Zwerge erwartet öffnete sie sich kurz nachdem er gegangen war erneut und eine in einen dunklen Umhang gekleidete Gestalt steht in den Schatten neben der klapprigen Bretterbude die sich großzügig eine Herberge nannte.
Der Reiter der Knurlan war zufrieden. Seine Beute reagierte auf den ausgeworfenen Köder. Nun musste er sie nur an die richtige Stelle locken und das tat er in dem er seine Schritte in den abgelegenen Stollen lenkte.
Wie sehr dieser Zwerg in auch hassen mochte, er würde es nicht riskieren eine bekannte Persönlichkeit vor Zeugen umzubringen und damit unerfreuliche Aufmerksamkeit auf sich und seine Glaubensbrüder zu lenken. Auf dem Marktplatz der unterirdischen Siedlung, selbst in dieser schlechten Gegend, herrschte zu viel Betrieb. Doch das änderte sich schon wenige Meter hinter dem letzten Marktstand.
Nun schritt Burod durch einen nur spärlich erleuchteten Tunnel der völlig ausgestorben wirkte. Er kam nicht umhin in sich hinein zu lächeln als er Schritte hörte, die zweifellos zu jemandem gehörten der den Versuch machte seine Anwesenheit zu verbergen.
Natürlich konnte der Verfolger nicht wissen, dass die langen Jahre an der Seite seines Drachen Burods Sinne eine Schärfe verliehen hatten die über einen normalen Zwerg hinausging. Falls es sich bei dem Verfolger wirklich um ein Mitglied der dunklen Sekte um Marantera handelte, dann dankte der betreffende Zwerg wohl gerade seiner Göttin für die goldene Gelegenheit die sich ihm bot. Scheinbar würde es ihm gleich gelingen den ersten Drachenreiter der Zwerge zu töten da dieser sich unvorsichtigerweise allein in einen abgelegenen Tunnel wagte.
Noch einmal überprüfte Burod seine geistigen Schilde. Jeden Augenblick musste er jetzt mit einem geistigen Angriff rechnen. Sicher würde der Magier der ihn verfolgte Versuch überraschend in seinem Geist einzudringen und dann einen Schlag mit Magie führen zu können. Der geübte Drachenreiter war sich sicher, dass er den Geist eines Magiers entdeckt haben musste der gut ausgebildet war. Das bewies die Qualität der Schilde die der Verfolger um seinen Verstand gelegt hatte. Zweifellos jedoch würde diese Nachgeburt einer läufigen Urgal-Hündin jedoch nicht damit rechnen ihren Gegner wohl vorbereitet zu finden.
Der Reiter der Zwerge ging in Gedanken noch einmal durch was er über ein Duell der Magier wusste. Sein Lehrmeister Eragon hatte mannigfaltige Erfahrungen mit ihm geteilt. Immer wieder hatte der Anführer der Reiter drauf hingewiesen, dass kein Angriff mit Magie geführt werden durfte bevor man nicht den Geist seines Gegenübers erobert hatte. Sonst riskierte man einen Gegenangriff es vielleicht bereits zum Tode verurteilten Magiers und das Duell würde nur zwei Verlierer jedoch keinen Gewinner haben. Auch eine Lehre, die der Schattentöter von seinem Vater Brom aus dem Grab heraus erhalten hatte war in den Unterricht eingeflossen. Eragon hatte seinem damaligen Schüler erzählt, dass sein Vater Brom, der ehemalige Drachenreiter, ihm folgendes in einer Nachricht die er im Geist von Eragons Seelenschwester Saphira zurückgelassen hatte. Der Rat des Gründers des Widerstands gegen Galbatorix hatte darin bestanden nicht wie ein Dummkopf auf die geistigen Schilde eines Gegenübers einzuhämmern, sondern zu versuchen einen Schwachpunkt bei seinem Gegner zu finden und damit eine Möglichkeit um die geistigen Schilde herum zu schlüpfen.
Burod maß dieser Lektion seines Seras besondere Bedeutung bei. Immerhin hatte Arget Un Eragon eine der wenigen kostbaren Erinnerungen an seinen Vater mit seinem Schüler geteilt.
Doch während Burod im Geiste durchging welche Lektionen seiner Ausbildung ihm nun von Nutzen sein konnten überschlugen sich jedoch die Ereignisse!
Die schärferen Ohren des Drachenreiters fingen ein geflüstertes Wort auf! Hitze und Licht schien von hinten auf ihn zu zu rasen.
Buchstäblich im letzten Moment warf sich Burod zur Seite! Krachend verpuffte ein Feuerball an der Felswand hinter den Drachenreiter der Zwerge. Dieser riss sofort die Klingen seines Hûrhvirs aus ihren Scheiden, fügte die Waffe zusammen während er sich abrollte und kam wieder auf die Beine, bereit zur Verteidigung.
"Tod allen Feinden der großen Göttin!" tönte eine sich vor Zorn überschlagende Stimme aus dem halbdunkel des Tunnels.
Diesen Fluch folgte ein weiteres Wort in der Sprache der Magie und ein weiterer Feuerball schoss auf Burod zu.
Dieser hatte jedoch das Wort erkannt welches gegen ihn eingesetzt wurde. Es handelte sich um ein einfaches Brisingr. Man griff ihn also nicht mit Luft die mit Magie erhitzt und entzündet worden war sondern sein Gegner erschuf Feuer durch Magie.
Auch ohne den Geist seines Gegners zu kontrollieren wusste Burod ein Dutzend Möglichkeiten sich dagegen zu verteidigen. Er beschwor seinerseits die Magie und auf ein gemurmeltes "Adurna (Wasser)" hin bündelte sich die allgegenwärtige Feuchtigkeit des Tunnels und ließ das anschließende Feuer in einer harmlosen Dampfwolke verpuffen. Der feindliche Magier, in Burod nun erspäht hatte schien fassungslos und man konnte buchstäblich an seinen Augen ablesen wie er nach weiteren Möglichkeiten suchte seinen Feind zu vernichten. Noch war das Duell nicht entschieden.
Burod gab seinem Feind jedoch keine Gelegenheit einen weiteren, vielleicht komplizierteren Angriff zu starten. Mit der entfesselten Kraft seiner Gedanken stürmte er auf die Verteidigung des Magiers ein. Dieser geriet unter der machtvollen Attacke ins Schwanken und den Drachenreiter gelang es durch die äußeren Schichten seiner Verteidigung zu dringen. Ein vollständiger Sieg blieb dem Reiter der Knurlan jedoch vo erst verwehrt. Mit großer Entschlossenheit nahm sein gegenüber den Kampf auf.
Angespannte Sekunden versprechen als die beiden Kontrahenten miteinander rangen. Burod musste dem Zwerg Respekt zollen. Er war geschickt! Plötzlich und unerwartet jedoch schrie der Zwerg auf und seine geistige Verteidigung stürzte zusammen. Zu Burod Entsetzen jedoch schien das Lebenslicht seines Feindes ins flackern zu geraten! Wie konnte das sein?! Er hatte schließlich keinen Zauber gewirkt!
In aller Eile riss der Shurtugal der Zwerge die letzten Verteidigung seines Gegners ein und belegte ihn mit einem Bann, der ihn einschlafen ließ. Der Verstand des Zwerges war erfüllt von einem stechenden Schmerz! Burod rannte auf den zusammen gesunkenen Körper zu und erkannte, dass ein Pfeil im Rücken des Magiers steckte.
Eilig verschloss er die Wunde und übertrug ein gewisses Maß an Lebensenergie auf den immer noch bewusstlosen Attentäter. Tod nützte ihm dieser Zwerg nichts. Erst als sich die Wunde geschlossen hatte und sicher war, dass ein besiegter Gegner überleben würde entspannte sich Burod etwas und erkannte, dass eine in einen Umgang mit Kapuze gehörte Gestalt neben ihm getreten war. In der Hand hielt die unbekannte Person bei der es sich eindeutig auch um einen Zwerg handeln musste einen ungewöhnlich geformten Bogen.
Ohne dass er sie auffordern musste schon Gestalt die Kapuze zurück und zu seiner größten Überraschung erkannte Burod Orik Tochter Moira.
"Seid Ihr verletzt Drachenreiter? Wie konnte dir so leichtsinnig sein und allein in diesem Tunnel gehen?"
"Barzûl!" platzte es aus Burod heraus. "Was macht ihr denn hier! Um ein Haar hätte die alles verdorben!"
"Bedankt sich ein Drachenreiter so bei jemandem, der ihm gerade das Leben gerettet hat?!" fauchte die Zwergenprinzessin nach einem Augenblick der Überraschung zurück.
"Bei Urûr! Ich wollte das dieser Haufen von Fangur-exkrementen mich angreift. Jetzt habe ich Grund ihn zu verhaften und zu befragen uns so an Informationen über......"
Gerade noch rechtzeitig bremst sich Burod.
"Ihr hofft so etwas über den schwarzen Kult der verbotenen Göttin zu erfahren." murmelte Moira etwas verlegen.
Burod blinzelte ungläubig. Woher wusste die Prinzessin von seiner Mission?
Trotz der Tatsache, dass noch immer etwas Scham ins Gesicht der Zwergenfrau geschrieben stand musste sie Lächeln. Offenbar stand Burod seine Frage ins Gesicht geschrieben.
"Mein Vater schafft es vielleicht etwas von seinen Söhnen geheim zuhalten aber weder bei mir noch bei meiner Mutter hat er je einen Sieg in dieser Richtung errungen."
Die beiden Knurlan besann sich einen Augenblick an und begann gleichzeitig schallend zu lachen.
Als sie sich nach einigen Sekunden wieder beruhigt hatten japste Moira: "Entschuldigt, dass ich euren Plan fast verdorben hätte. Ich habe mich gestern etwas mit eurem Drachen unterhalten. Ich weiß das ich das eigentlich nicht gehört aber er macht sich Sorgen um euch. Weil er nicht auf euch aufpassen kann während ihr euch unten in den Tunneln herum treibt. Deshalb hat ich mir den Urgalhorn-Bogen meines Vaters ausgeliehen und dachte, dass ich besser ein Auge auf euch halte."
"Schon gut." beschwichtigte Burod immer noch etwas atemlos. "Ich wollte euch nicht so anfahren. Ich muss auch gestehen, dass mich dieser Auswurf eines Höhlenbären überrascht hat. Normalerweise weiß jeder Magier, dass man keine Person mit Magie attackiert solange man nicht einen erfolgreichen Angriff auf den Geist des Gegners durchgeführt hat. Man provoziert sonst einen tödlichen Verzweiflungsangriff. Was auch immer unser Magiebegabte Freund hier zu erzählen weiß, eines ist bereits sicher über diesen dunklen Kult der verbotenen Göttin. Es sind Fanatiker die absolut bereit sind für ihre Sache zu sterben."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt