Vergangenheit und Zukunft

535 22 0
                                    

Der Rückflug zu Ostmark war für die Drachenreiter ohne Probleme verlaufen. Marlene hatte nicht damit gerechnet so früh von ihrer Reise zum Stammsitz der Drachenreiter zurückzukehren. Allerdings freute sie sich darauf ihre Eltern wieder zu sehen und sie hatte bereits bemerkt, dass die Anwesenheit von Ajescha, Keanai und ihren Drachen allem eine völlig neue Perspektiven verlieh.
Während Mutter und Sohn, sowie die kupferne Drachendame Lenjara der bevorstehenden Begegnung immer noch etwas nervös entgegenfieberten, war Irucan die Ruhe selbst. In helle Aufregung versetzte den jungen Drachen lediglich die Aussicht weitere Artgenossen kennen zu lernen. Übermütig war er neben den älteren Drachen durch den Himmel getollt und hatte sich wenn er müde wurde mal von dem einen Mal von dem anderen Artgenossen ziehen lassen indem er sich mit weit ausgebreiteten Flügeln am Schwanz der älteren Drachen festklammerte.
Als schließlich die riesigen Drachenstatuen in Sicht kamen die den Eingang zur Heimat der Drachenreiter als stummer Wächter flankierten wurde es für Marlena wirklich interessant. Es erfüllte sie etwas mit stolz zu sehen wie ihre Wegbegleiter ins Staunen gerieten. Immerhin hatte ihre Familie einen bedeutenden Anteil zur Schöpfung dieses Ortes geleistet.
Auf die Frage von Ajescha hin hatte die junge Halbling erklärt, dass Burod, der erste Zwerg zum Drachenreiter berufen worden war diese Kunstwerke geschaffen hatte.
Während Murtagh mit Selena auf Dorns Rücken bereits in das Tal vorausflog ließe sich Marlena nicht nehmen die neu ankommenden Drachenreiter durch den Tunnel zu führen indem neuen Schülern des Ordens die Bedeutung ihres Erbes klargemacht werden sollte. Für Lenjara gestaltete sich der Marsch durch den Tunnel etwas schwierig. Sie war weit älter als die jungen Sculblaka die normalerweise diesen Ort besuchten. Burod und Beoram hatten aber als sie dieses Monument der Geschichte der Drachenreiter schufen sehr vorausschauend gehandelt. Trotz ihres Alters konnte Lenjara den Tunnel durchqueren auch wenn sie ihnen was Breite und Höhe betraf praktisch vollständig ausfüllte. Sie hielt sich hinter ihrer Reiterin und den übrigen Mitgliedern der Gruppe.
Vor den Bildern die bedeutende Momente in der Geschichte der Drachenreiter zeigten stellte Marlena zum ersten Mal wirklich fest wie unwissend Ajescha und ihrer Drachendame noch waren. Zwar schien der Magier von dessen Aufzeichnungen sie profitiert hatten recht gut ausgebildet worden zu sein, denn er hatte umfassendes Wissen um die alte Sprache besessen aber was geschichtliches Wissen betraf waren die Defizite nicht zu übersehen. Natürlich machte die junge Reiterin den beiden Fremden aus dem Norden keinen Vorwurf. Wo hätten sie lernen sollen? Schließlich hatte sich die Gemeinschaft der Flüchtlinge auf das Überleben in einer sehr lebensfeindlichen Umgebung konzentrieren müssen.
Die junge Reiterin fand es nur traurig, dass gerade Lenjara geradezu gierig Informationen über ihr eigenes Volk aufsaugte. Zweifellos hatte das Schicksal dieser Drachendame und ihrer Reiterin eine tragische Note. Sie waren weit über 100 Sommer alt und dennoch in manchen Dingen so unerfahren wie Novizen des Ordens.
Gerade Lenjaras Position stellte sich Marlena schwierig vor. Ajescha hatte immerhin bis zum 12. Lebensjahr unter ihresgleichen gelebt und zumindest viel über die Geschichte der Menschen in ihrer Heimat erfahren. Doch die alte Drachendame hatte nur sehr wenig Gelegenheit gehabt Zeit mit Artgenossen zu verbringen und noch weniger um etwas über die Geschichte ihres Volkes zu lernen. Zunächst war sie schlicht und ergreifend zu jung gewesen und gerade als das richtige Alter erreicht hatte um die Ausbildung zu beginnen entdeckte Ajescha ihrer Magie und die beiden wurden in den Ost geschickt um dort bei Aron und seiner Drachendame Lauda zu lernen. Dazu hatten sie aber nur einige wenige Monate die Gelegenheit bevor der Krieg begann der alles verändert sollte. Sicherlich waren Drachen gegenüber den Zweibeinern etwas im Vorteil da sie wissen auch durch ihr Blut vererbten doch dies war eben bruchstückhaft und mehr ein starker Instinkt als tatsächliche Fakten und Erinnerungen.
Besonders die Bilder am Ende des Tunnels stellte Marlena ihren neuen Bekannten in allen Einzelheiten vor. Längst war Eragons Abreise aus Alagaesia nicht mehr das einzige Bild, das die jüngere Vergangenheit zeigte. Inzwischen hatte der neue Orden sich des Erbes dass er angetreten hatte als durchaus würdig erwiesen. Die Kämpfe gegen Shruikan und seine Gefolgschaft von Ra zac und Letherblaka hatten Aufnahme in diese Sammlung gefunden ebenso wie die Katastrophenhilfen der Reiter und der Sieg über den Schatten Netor.
Besonders Letzterer begeisterte Ajescha und die anderen Neuankömmlinge denn sie hatten nicht gewusst, dass Murtagh zu der kleinen Gruppe gehörte denen es gelungen war einen Schatten zu vernichten. Man konnte buchstäblich beobachten wie die Ehrfurcht der beiden anderen Reiter von Marlenas Onkel wuchs. Auch die Gründung der neuen Siedlung im fernen Osten unter der Führung von Narie und Marek war dargestellt und ein Bild, das jüngste der Sammlung, zeigte den Drachenreiter Kalain. Er saß gemeinsam mit seinem Drachen Drugatie und einer schneeweißen wilden Drachendame an einer Klippe und aus dem Meer erhob sich die gewaltige Gestalt eines sehr alten Nidtwals. Dieser stellte den ältesten, lebenden Meeresdrachen da. Er war so reich an Jahren, dass sein Name bereits Einzug in die Legenden verschiedener, seefahrender Völker gefunden hatte. Das Wort Taifun war vom Namen dieses majestätischen Wesens abgeleitet worden. Tafuran hatte Kalain und seine Begleiter über die Geschichte der Meeresdrachen unterwiesen und mit ihm Reiter und Sculblaka gewissermaßen einen Frieden ausgehandelt.
Schließlich erreichte die Gruppe die Tür, die Neuankömmlinge in die Ostmark entließ. Wie seit der Schöpfung dieses Tunnels flankierten die Statuen von Galbatorix und Vrael die beide die weiße Klinge des ehemaligen Anführers der Reiter in Händen hielten die breite Tür. Marlena bemerkte, dass er jetzt das Blick sich etwas verdüstert und an dem Abbild von Galbatorix hängen blieb.
Die junge Halbling trat neben die noch so jung wirkende Menschenfrau und blickte sie einfach nur an. Schließlich erwiderte die alte Reiterin den Blick ihrer jüngeren Ordensschwester.
"Ich hätte mehr tun müssen um diesen Wahnsinnigen zu stürzen. Wenn man bedenkt, euer Vater war auch nicht viel älter als ich Marlena. Ihm ist es gelungen das Schicksal Alagaesias zu wenden."
Die Jüngere der beiden Reiterinnen schüttelte energisch den Kopf.
"Zum einen habt ihr etwas wertvolles getan indem ihr schutzloses Leben gerettet habt und außerdem..... beim Volk meiner Mutter gibt es ein Sprichwort: der Fluss der Zeit nimmt immer mehr Fahrt auf je länger er wird. Auf diese Weise wollen die Elfen ausdrücken, dass Jugendjahre oftmals größere Bedeutung haben als die späteren Lebensjahre. Ihr war zwischen 12 und 13 Sommer alt. Mein Vater hatte euch etwa drei Sommer voraus als Saphira bei ihm geschlüpft ist. In diesem Alter sind drei Jahre fast ein ganzes Leben und er hatte Unterstützung durch Brom! Überlegt einmal: Wenn er damals aufgebrochen wäre ohne die Hilfe eures alten Freundes, seines Vaters, anzunehmen wie weit wäre er wohl gekommen? Ich Respekt ihrer meinen Vater aber ich glaube nicht, dass er den Erfolg den er gehabt hat erzielt hätte ohne die Unterstützung der ihm zuteil wurde."
"Das mag schon sein." räumte Ajescha ein. "Vielleicht hätte ich mir auch Hilfe suchen können. Ich habe damals darüber nachgedacht, ob ich vielleicht zu den Elfen aufbrechen sollte. Mit dem Studium der Dokumente die ich an mich genommen hatte kam ich nicht mehr weiter meiner Ausbildung und die größten Schwierigkeiten für meine Schützlinge waren überwunden. Zwar hat es ständig irgend etwas gegeben aber nicht jedes kleine Hindernis hätte unbedingt die Anwesenheit einer Drachenreiterin erfordert um es aus dem Weg zu räumen."
"Warum habt ihr euch schließlich dagegen entschieden?" erkundigte sich Marlena vorsichtig. Sie wollte auf keinen Fall die Selbstzweifel der anderen Reiterin noch näheren.
"Ich wusste nicht wo die Elfen zu finden sind." gestand Marlenas Gesprächspartnerin. "Ich war noch viel zu jung als dass man mir so bedeutende Plätze wie Ellesméra oder andere Siedlungen der Elfen gezeigt hätte. Natürlich wusste ich dass sie in den nördlichen Wäldern leben aber....."
"Ich denke er hat richtig gehandelt." unterbrach die junge Halbling. "Die Elfen verstanden es so gut ihr Reich zu schützen, dass selbst Galbatorix ist nicht gewagt hat mit einer ganzen Armee durch Du Weldenvarden zu ziehen. Außerdem waren die Städte und Siedlungen alle mit mächtigen Schutzzaubern versehen. Sicherlich vielleicht hätte man euch bemerkt und mit euch Kontakt aufgenommen aber genauso gut ist es möglich dass ein junger und erfahrener Wächter euch und euren Drachen gesichtet hätte und zum Angriff auf euch angesetzt hätte. Wer hätte dann eure jungen Schützlinge im Norden behütet?"
"Das sind die Argumente, die dazu geführt haben dass ich mich schließlich gegen diese Reise entschieden habe." schmunzelte Ajescha. "Es tut gut sie von jemand anderem zu hören. Es beweist dass sie wirklich nachvollziehbar sind."
Ajeschas Anflug eines Lächelns war für Marlena der Fune eines Feuers, der genähert werden musste. Es war jedoch Keanai, bis schließlich endgültig die düsteren Gedanken seiner Mutter Vertrieb.
"Es ist wie der Schattentöter Murtagh gesagt hat. Mutter, du kannst dein Leben damit verbringen dich zu fragen was gewesen wäre wenn. Letztlich wirst du nie eine Antwort auf diese Frage bekommen. Wir sollten uns lieber um die Zukunft sorgen. "
"Sehr richtig!" betonte Marlena und auch alle Anwesenden Drachen bekundeten ihre Zustimmung. "Ich denke, so interessant die Vergangenheit auch ist wir sollten sie jetzt hinter uns lassen und uns dem wittmen was vor uns liegt."
Mit diesen Worten löste Marlena den Zauber aus, der die breiten Flügel der Tür vor ihnen öffnete. Der gleißende Lichtschein eines sonnigen Tages flutete in den Tunnel.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt