Andreas Gruber weicht vor mir zurück, reißt die Hände nach oben, um sein Gesicht zu schützen.
„Bitte ... legen Sie das Messer weg", sagt er, seine Stimme zittert vor Angst.
Doch ich lache nur.
Wieso sollte ich? Wieso sollte ich tun, was er will? Hat er je das getan, um das ich ihn gebeten habe? Hat er je das getan, was ich wollte?
Nein.
Also werde ich es auch nicht tun, erst recht nicht in dieser Nacht. Es reicht mir und ich werde alles heute beenden. Das Leid und den Schmerz. Meinen Schmerz.
Hinter mir schließe ich die Wohnungstür, hebe das Messer höher und komme auf ihn zu. Reflexartig weicht er zurück, wodurch er gegen ein Schränkchen stößt und ins Stolpern gerät. Er rudert mit den Armen und nach einem kleinen Schritt nach hinten findet er sein Gleichgewicht wieder.
Schade. Es wäre so einfach geworden, wenn er direkt ins Messer gefallen wäre. Das wäre so einfach geworden. Trotzdem lasse ich ihn nicht davon kommen. Nie wieder!
Nicht nachdem, was er mir angetan hat.
Andreas Gruber sammelt sich wieder und in seinem Kopf scheint es zu arbeiten. Er wirft einen Blick zur Küchenzeile und wägt seine Chancen ab. Wie schnell er sich eins von den Messern nehmen kann, um sich zu verteidigen. Doch bevor er sich dazu entschließt, schnellt sein Blick zur Treppe und er überlegt sich einen Plan B.
Die Treppe hoch rennen und sich in einem Zimmer einschließen. Vermutlich im Arbeitszimmer, von wo er die Polizei anrufen kann. Nur um ihnen zu sagen, dass jemand in seiner Wohnung ist, der mit einem Messer rumhantiert und ihn töten will.
Soll er doch laufen und die Treppe hochsprinten. Soll er doch versuchen, vor mir im Arbeitszimmer zu sein. Wir beide wissen, dass er nicht schneller ist.
Andreas Gruber wirft einen weiteren Blick zu dem Messerblock. Seine Muskeln spannen sich an. Anscheinend hat er sich entschieden. Doch bevor er losrennen kann, gehe ich auf ihn zu. Reflexartig weicht er nach hinten aus.
Noch drei Schritte ... zwei ... einer!
Andreas bemerkt zu spät, dass er im Badezimmer steht. In einer Sackgasse. Ich folge ihm und ohne den Blick von ihm abzuwenden schließe ich die Tür ab. Erst jetzt scheint er seine missliche Lage zu bemerken. Mit Panik in den Augen sieht er sich im Raum um. Doch hier gibt es noch nicht mal ein Fenster. Keine Chance um nach Hilfe zu rufen. Game Over, mein Lieber!
„Bitte ...", beginnt er mit zitternder Stimme und will mich mit ausgestreckten Armen auf Distanz halten.
Weit genug weg, um ihn nicht zu verletzen. Weit genug weg, um ihm nichts zu tun. Weit genug weg, damit ich ihn nicht umbringen kann. Aber das wird er nicht schaffen, niemals. Seine letzte Stunde hat geschlagen.
Genau jetzt!
Er hat auch nie Rücksicht auf mich genommen, hat mich festgehalten und erdrückt. Mir die Luft zum Atmen genommen und mich daran gehindert, der Mensch zu werden, der ich eigentlich werden wollte. Und das halte ich nicht mehr aus.
Ich lasse das Messer sinken und ziehe mit meiner freien Hand die Maske aus meinem Gesicht. Sprachlos schlägt er die Hände vor dem Mund zusammen. Fassungslos starrt er mich an, schüttelt immer wieder den Kopf.
„Du?", fragt er schließlich, als er seine Sprache wieder gefunden hat.
Er wendet den Blick nicht von mir ab und hat wahrscheinlich mit jedem gerechnet. Nur nicht mit mir.
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Selfiekiller - Fangt mich doch!
Mystery / ThrillerAndreas Gruber wird mit aufgeschlitzter Kehle und einer Stichwunde in der Brust gefunden. Doch nicht etwa durch seine Angehörigen, sondern durch ein Foto, das im Internet die Runde macht. Darauf ist er mit seinem Mörder zu sehen. Allerdings ist die...