Kapitel 17 - Violette Flammen

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Die Augen aller lagen auf dem jungen Mann, der Kathy ansah.

»Würdest du sie reinholen? Sie ist die Einzige, die uns jetzt helfen kann.«

Das Mädchen mit den lila Haaren, das angespannt und mit an die Brust gezogenen Beinen auf einem der Stühle gesessen und die Situation beobachtet hatte, nickte und sprang auf. Eilig verließ sie den Saal, sprang die Treppen hoch und klopfte an der Tür des Zimmers, das sie am Abend zuvor ihrem Gast gegeben hatte.

Sylfaen, die es nicht gewöhnt war, in einer Umgebung zu sein, die für sie viel zu groß war, öffnete umständlich die schwere Eichentüre und lugte verunsichert durch den Spalt.

»Kathy?«

»Hey. Würde es dir etwas ausmachen, nach unten in den Saal zu kommen? Riley meint, du hättest etwas, das helfen könnte, Ari zu finden.«

Das Elflingmädchen seufzte. Der Gedanke, vor den Göttern dieses Landes zur Schau gestellt und von ihnen insgeheim für seine Existenz verurteilt zu werden, behagte ihm nicht. Aber es hatte den beiden Vampiren versprochen, ihnen zu helfen, ihr Kind wiederzufinden. Das war das Einzige, was es tun konnte, um sich dafür zu bedanken, dass sie es nicht umgebracht, sondern ihm stattdessen ein Dach über dem Kopf gegeben hatten.

»Kann ... kann ich so runtergehen?«, fragte es das andere Mädchen verunsichert. Sylfaen strich sich über ihre dunklen Haare und zupfte an ihren Kleidern. Viel hatte sie nicht mehr zur Auswahl, da sie sich bei dem Aufbruch aus ihrem Heimatdorf nicht gerade mit Schätzen beladen hatte. Das bedauerte sie inzwischen, weil sie kein einziges Gewand mehr hatte. Stattdessen war sie wie ein Waldläufer ihres Volkes gekleidet, in Hosen, Stiefeln und einer hüftlangen olivgrünen Tunika, über der man traditionell eine braune Lederweste trug.

»Aber ja. Du siehst hübsch aus. Du brauchst in diesem Schloss vor gar nichts Angst zu haben und am wenigsten brauchst du dir über deine Kleidung Gedanken machen. Du solltest mal Phobos oder Rye sehen, die manchmal den ganzen Tag im Morgenmantel durch die Flure schlurfen.«

»Na gut ... warte. Ich weiß, was Riley den anderen zeigen will.« Sylfaen ging zu ihrem Bett hinüber und öffnete einen der Kästen des Nachtschrankes, um das bruchsichere Glas herauszunehmen. Das Flämmchen darin war nur klein, offenbar schien das Irrlicht zu schlafen.

»Oooh«, ertönte es von Kathy, die fasziniert darauf blickte. »Das ist ja wunderschön. Ist das ein magisches Feuer?«

Sylfaen lächelte. »So etwas gibt es hier im Norden nicht, oder? Das ist ein Wesen. Ein Waldgeist.«

»Hmmm ... wir haben hier auch jede Menge Wälder. Aber ich könnte mich an so etwas erinnern, wenn ich es schon einmal gesehen hätte. Schade eigentlich. Aber hier bei uns gibt es wohl eher Trolle.« Kathy lachte vor sich hin und gemeinsam gingen sie die Stufen hinunter.

Das Elflingmädchen atmete tief durch, als sie vor der Pforte des Rittersaales zum Stehen kamen. Es waren aufgeregte Stimmen zu hören und es glaubte, dass das kein gutes Zeichen war. Die Leute darin waren aufgebracht und gleich würden alle Augen auf ihm liegen. So viel Aufmerksamkeit war es weder gewöhnt noch wollte es sie haben. Sylfaen sehnte sich plötzlich sehr nach der Stille ihres Heimatdorfes, den vertrauten Gesichtern und den Leuten, die sie nicht um mindestens einen Meter überragten. Doch sie war allein unter Riesen und würde sich daran gewöhnen müssen.

»Bereit?«

Sylfaen nickte und setzte ein entschlossenes Gesicht auf. Sie mochte für diese Menschen hier nur ein Kind sein, aber das war sie nicht. In ihrem Volk war sie auf der Schwelle zum Erwachsensein angekommen und so würde sie sich auch verhalten. Für Trauer und Selbstmitleid blieb ihr genug Zeit, wenn sie abends im Bett lag.

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