Der Junge schaute schüchtern zu mir auf und presste seine Lippen aufeinander. Sein Gesichtsausdruck glich dem eines Kindes, das nicht wusste, ob es sich über den Besuch seiner Großmutter freuen sollte oder aber sich die Hände schützend über die Wangen halten sollte, um danach die Flucht zu ergreifen. Ich blickte ihm zwar ins Gesicht, doch ich umging seine Augen und so viel mir auf, dass er sich auf die Lippen biss. Dann sagte er: "Na gut und wann? ... Jetzt?"
Er klang erschrocken und keuchte stumm auf. Meine Mundwinkel zuckten schon wieder und ich musste mich beherrschen, um nicht über die leise Panik zu lachen, die sich in seine Stimme geschlichen hatte. "Nun...", antwortete ich ihm. "Ich denke, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt. Schließlich sind wir umgeben von, nennen wir sie Zeugen, falls unser Gespräch aus dem Ruder laufen würde..." Langsam entspannte sich der Junge neben mir.
Ich hatte ihn den ganzen Abend beobachtet und wusste, dass er mir auswich. Ich hatte mich mental auf unser Gespräch vorbereitet. Zwar wusste ich noch nicht, wie genau ich den Jungen mit meinen Fragen quälen konnte, aber ich hatte mich und meinen verräterischen Körper nun genug gut unter Kontrolle, um mit Harry reden zu können. Er schaute zu mir und ich spürte seinen Blick brennend auf meiner Haut. Wir schwiegen beide und als sein Blick sich in die Menge richtete, folgte ich ihm. Er war auf eine kleine Gruppe, bestehend aus seinen, wie ich vermutete, besten Freunde gerichtet.
"Wie war der Urlaub mit Miss Granger?", fragte ich ihn. Meine Stimme klang verbissener, als ich es beabsichtigt hatte. Einzelne Sätze aus diesen plumpen und frivol geschriebenen Zeitungsberichten drangen an die Oberfläche meines Bewusstseins. 'Knutschen mit Potter, Granger hängt an seinen Lippen.' 'Aus dem Land, aber auch aus dem Sinn? Wo ist Ronald Weasley?' 'Drei sind Einer zu viel, Potter und Granger in Melbourne.' Ich kniff meine Augen zusammen und versuche nicht mehr daran zu denken. Harry neben mir legte den Kopf schräg und starrte auf den Tisch vor uns. Dann fragte er: "Urlaub?" Bei Salazar, dieser Taugenichts! Stellt er sich absichtlich schon bei meiner ersten Frage dumm? Aber was hast du denn anderes erwartet? Schließlich war das Potter! Doch noch bevor ich gänzlich in Rage geriet und den Burschen böse anfunkeln konnte, setzte er wieder zum Sprechen an und fragte: "Sie meinen Australien?" Er schnaubte. "Wir waren nicht im Urlaub... Das wäre schön gewesen..." Wir? Schön gewesen?, "Wieso..." Er ließ das Wort im Raum zwischen uns stehen und überlegte. Ich war immer noch aufgebracht und meine Hände zitterten kaum merklich: "Ach? Wegen den Artikeln? Nein, wir waren nicht da, um Ferien zu machen. Wir haben Hermines Eltern gesucht und irgendwann dann auch gefunden!" Ich hielt die Luft an. "Ganz alleine, ohne die... Hilfe von Mr. Weasley?" Harrys Gesichtsausdruck wechselte von einem freudlosen Lächeln in die undurchdringliche Maske des Unmuts und des leisen Grolls, die ich schon öfters bei ihm gesehen hatte. Langsam folgte ich seinem Blick und entdeckte eben jenen Weasley und Miss Granger, die sich bei ihm untergehakt hatte. "Sie hätte Ron gerne dabei gehabt.", bemerkte Harry und ich ertappte mich doch tatsächlich dabei, verunsichert zu sein. Hatte ich mir wirklich wegen all dieser Reportagen Sorgen gemacht? Hatte ich mich vom Tagespropheten, mit seinen reißerisch erlogenen Artikeln, aus der Ruhe bringen lassen?
"Es tut mir leid, Professor!" Ich horchte auf. "Was tut Ihnen leid, Potter?", fragte ich drohend und straffte meine Schultern. Er fixierte seine Hände, die auf dem Tisch ruhten und zupfte dann an den trockenen Rändern einer kleinen Schnittwunde an seinem Daumen. "Dass ich Sie, dich, geküsst habe." Er atmete aus und die Resignation in seiner Stimme war unüberhörbar. Ich schnaubt freudlos, "Nun, es war... überraschend. Aber ich glaube nicht, dass es dir leid tut." Ertappt sah er zu mir auf, doch ich mied seine Blicke noch immer und fragte ihn, um ihm eine Antwort zu ersparen. "Wie lange, denkst du, muss ich noch hier bleiben, bevor die Höflichkeit es mir gebietet und ich diese schmucke Party endlich verlassen kann?" "Du willst gehen?" "Ja, Harry, das will ich. Du etwa nicht?" Er seufzte leise und meinte dann: "Doch, aber ich fürchte, meine Höflichkeit ist etwas strenger als deine." Ich musste schmunzeln und drehte mich von ihm weg. "Na gut, dann sehe ich dich wohl erst bei meinem zweiten Glas Whiskey wieder." Als ich den Saal verließ, spürte ich Harrys bohrenden Blick in meinem Nacken. Hoffentlich hat der Bengel verstanden, was er jetzt zu tun hatte.
Ich wusste zwar, dass der Kleine sicher zu einem fähigen Auror werden würde. Dennoch glaubte ich nicht daran, dass er mich jetzt schon inmitten von London in einer x-beliebigen Baar aufspüren konnte. Also wartete ich in der Nähe des Haupteinganges, wo ich auch einen guten Blick auf die Gasse und den nicht 'so' inoffiziellen Eingang der Aurorenzentrale hatte.
Es lag eine gleichmütige Sanftheit in der Luft, wie es sie nur gab, wenn ein Gewitter nahte. Es spannte sich eine Stille und eine Ruhe über die Stadt, die zwar weder den Lärm der Autos, noch den der Menschen dämpfen konnte und doch schlich sie sich in ihre Herzen, bis schließlich der Regen niederging und sie erlöste. Ich schnupperte und genoss den Duft dieser Stille, sog ihn in mir auf und wartete.
Ich verbarg mich in Schatten und Dunkelheit gehüllt in einer Nische nahe einer noch geöffneten Imbissbude. Die angebrochene Nacht schlich dahin wie welkes Laub, das langsam auf den Boden trudelte. Der Lärm und die Lichter zuckten in unregelmäßigen Abständen an mir und meinem Versteck vorbei und ich verlor mich in den Klängen des Londoner Nachtlebens.
Ich sehnte mich nach der Ruhe und dem Frieden, der auf den Ländereien von Hogwarts herrschte. Ich vermisste das kalte Gemäuer und ich vermisste das Gefühl, den Gedanken daran, nein, die Sicherheit über das Wissen, dass ich Harry jeden Tag in meinem Unterricht oder aber in der großen Halle sehen würde. Mir behagte der Gedanke nicht, ihn nur noch selten zu Gesicht zu bekommen. Auf Hogwarts konnte ich ihm nahe sein, wenn auch nur aus der Ferne. Hier aber, in dieser Stadt und in diesem Leben, verband uns nicht mehr viel. Nein, das stimmte nicht. Uns verband immer noch beinahe fast gleich viel. Zumindest, verband mich irgendetwas mit ihm. Ich dachte an die wohlige Wärme und das seidige Gefühl. Ich ließ mich von meinen Erinnerungen daran einlullen und bemerkte erst viel zu spät, dass sich dieses Gefühl in mir nicht von Erinnerungen speiste, sondern von Potter kam, der frech grinsend neben mir stand.
Es war ein Fehler, ihm in die Augen zu sehen. Doch mit dem Aufbringen meiner ganzen Willenskraft sammelte ich die letzten Reste meines Verstandes zusammen und verkniff meine Augen zu Schlitzen, als ich ihn anzischte: "Potter, haben Sie keine Manieren?" "Manieren?", fragte er und legte seinen Kopf schräg, als er mich irritiert anblickte. "Anstand? Sitten? Höflichkeiten?", fragte ich höhnisch zurück und er runzelte seine Stirn, als er mich etwas verärgert musterte. "Ich weiß, was Manieren sind! Ich frage mich nur, warum ich keine haben sollte?" "Weil man sich nicht einfach an Leute heran schleicht, ohne sich zuvor bemerkbar zu machen.", fauchte ich milde. "Wenn ich mich zuvor bemerkbar machen würde, wäre es ja kein Anschleichen mehr..." brummelte er und versenkte seine Hände etwas beleidigt in den Hosentaschen seiner Uniform. "Also bist du doch geschlichen?" "Nein, eigentlich nicht. Du hast mich nur nicht bemerkt..." Und als er das sagte, meinte ich im Unterton seiner Stimme Enttäuschung herauszuhören. "Ich war abgelenkt." "Ach ja? Von was denn?", wollte er wissen und drehte sich zu mir um.
Er stand nun vor mir, nahe, viel zu nahe. Nein, eigentlich nicht nah genug. Ich lehnte mich an die Wand hinter mir und ließ meinen Blick über die Straße und den Trubel außerhalb unserer Nische schweifen. "Gedanken.", sagte ich schlicht und schaute wieder zu ihm. Der Wind frischte auf und Harry trat einen Schritt auf mich zu. Sein Geruch schlug mir entgegen und verdrängte den trägen, erwartungschweren Duft des baldigen Regens. "Gedanken?", fragte er mit einem verruchten Grinsen im Gesicht und blickte nun, nur noch wenige Zoll vor mir stehend, zu mir auf. Er leckte sich über die Unterlippe. Spielte Potter gerade mit mir? Dieser freche Bengel! Na gut. Wenn er spielen wollte, musste er sich aber meinen Regeln beugen. "Gedanken... an dich.", murmelte ich und versuchte so viel Düsternis, wie nur irgend möglich, in meine Stimme zu legen. Seine Augen weiteten sich und ich erhaschte den einzigartigen grünen Glanz der Freude, der sich bei meinen Worten in ihnen ausbreitete.
Ich zog ihn zu mir, griff ihn an seinem Jackett und drehte ihn, um ihn dann zwischen mir und der Wand, die ich gerade noch in meinem Rücken hatte, einkesseln zu können. Er keuchte und krallte seine Hände in den Stoff meiner Kleidung. "Wer mit dem Feuer spielt, spielt mit der Gefahr sich zu verbrennen, Kleiner." Ich fuhr mit meinen Fingern sanft über seine Wange und seinen Kiefer, strich mit dem Daumen über sein Kinn und zeichnete die Form seiner Lippen nach. Harry schluckte und seine Lippen teilten sich. Ich trat noch näher, sodass sich unsere Körper leicht berührten. Langsam suchten meine Finger den Weg in seinen Nacken. Ich vergrub meine Finger in seinem zerzausten Haar, verknallte mich darin und zwang ihn so, seinen Blick zu heben. Ich versank in seinen smaragdgrünen Augen, die mich mit Versprechungen und Verderben lockten. "Verbrenne mich... bitte.", flehte er leise und mit einem triumphierenden Lächeln senkte ich meine Lippen auf seine.
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your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutsch
ParanormalHarry Potter und Severus Snape ihrerseits Zauberer und beide überlebende der Schlacht um Hogwarts, decken nach und nach das Geheimnis, welches sie beide verbindet auf...? Meine Geschichte knüpft nahtlos an die Geschehnisse im Bootshaus bei der Schl...