Finn gab ihr zwei fünfzig Euro Scheine und im Gegenzug nahm er ein Tütchen entgegen. Doch als ich erkannte, dass der Inhalt nicht grün sondern weiß war, fiel ich fast die Treppe nach hinten runter. Was habe ich nur getan? Wie konnte ich ihn nur alleine lassen?
Ich muss hingehen. Ich kann das nicht einfach zulassen. Also bewegte ich mich zügig in ihre Richtung. Was soll ich denn jetzt sagen? Finn hörte mich anscheinend kommen denn er drehte sich schnell um und riss die Augen auf. "Was machst du hier?", zischte er und wollte mich wieder zur Treppe zurückschieben. "Was hast du gerade getan?", fragte ich den Tränen nahe. So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. Er antwortete nicht mehr auf meine Nachrichten, kauft dafür komische Drogen und will mich von sich wegschieben. Das war in diesem Moment einfach viel zu viel für mich. "Nichts wichtiges okay? Jetzt lass mich bitte", sagte er, drehte sich um und verschwand einfach mit dem anderen Mädchen. Endlich konnte ich ihr Gesicht sehen. Sie sah sehr blass aus und mir kam es so vor, als wäre sämtliches Leben aus ihren Augen gewichen. Aber das war in diesem Moment so gut wie das Letzte was mich interessierte. Ich war am Tiefpunkt meiner Gefühle. Was soll ich denn jetzt bitte machen?
Ich sah von meinem Fernseher auf meinen Wohnzimmertisch, auf dem inzwischen 2 leere Weinflaschen standen. Ich war so betrunken, dass ich seit einer Stunde Selbstgespräche führte. Und ich redete mit den Bildern von meiner Familie, die an der Wand hingen. Ja, jetzt ging es mir gut. Als ich so redet, klingelte es plötzlich. Ich wollte erst nicht aufmachen in meinem Zustand, tat es dann aber doch. Ich wankte mit Tunnelblick auf die Türklinke auf meine Haustür zu und öffnete sie langsam. Ein Glück, es war Sally. Aber mein Glück verwandelte sich sofort in Schuldgefühle, als ich ihren besorgten Blick sah. "Oh Gott, Eliana, was ist denn mit dir passiert?", fragte sie geschockt, kam auf mich zu und schloss mich in eine feste Umarmung. Ich konnte nicht antworten, es kam einfach nichts aus meinem Mund heraus. Sie verstand und ging mit mir zurück auf die Couch. Ich wusste was jetzt kommt, aber ich hatte wirklich keine Lust auf eine Moralpredigt. Genau so sagte ich ihr das auch, was sie aber recht wenig beeinflusste. "Wieso betrinkst du dich denn bitte am helllichten Tag einfach so?", erkundigte sie sich bei mir. Wenn die nur wüsste, was ich vor den Ferien alles getrunken habe. Da hatte ich ja wirklich keinen Grund, aber heute, heute habe ich einen. "Finn! Er ignoriert mich", antwortete ich verzweifelt. Auch das begriff sie und schloss mich direkt in ihre Arme, nachdem ich richtig anfing zu weinen. Ich war froh, dass Sally in diesem Moment bei mir war.
Doch wie durch ein Wunder klingelte nur wenige Augenblicke später mein Handy, es war Finns Nummer. Ich tauschte mit meiner besten Freundin Blickkontakt aus und wir musste anfangen zu Lachen obwohl ich immer noch weinte. Was ein Zufall. "Finn! Was ist denn los?", schluchzte ich ins Mikrofon. "Es tut mir wirklich leid, dass ich heute so kalt zu dir war! Aber ich habe ein wichtiges Gespräch mit Anna führen müssen."
Das war alles was er zu sagen hatte? Was für ein Gespräch? Er hat doch irgendwas bei einem Mädchen gekauft! Und wieso erzählte er mir von dieser Anna, als würde ich sie kennen? "Wieso denn bitte Gespräch? Du hast ihr doch für irgendetwas Geld gezahlt!", schrie ich ihn entsetzt an. Warum kann er denn nicht einfach klipp und klar sagen was Sache ist? "Komm einfach zu mir, dann erklär ich dir alles, versprochen", sagte er noch liebevoll und legte dann einfach auf. Ich war schockiert. "Eliana, alles in Ordnung?", fragte mich Sally. Ich nickte. Was sollte ich denn tun? Ich konnte jetzt nicht einfach von ihr weggehen und wieder zu Finn und den anderen, wir sehen uns eh so selten. Aber ich wollte auch unbedingt herausfinden, ob mit meinem Freund alles okay war. "Geh zu ihm, Elli", sprach sie mir zu. Ich konnte nichts sagen, aber mir stieg ein breites Grinsen ins Gesicht. Ich war so froh, dass ich sie hatte.
Als ich nur eine halbe Stunde später an der U-Bahn Station in der Nähe von Finns Zuhause war, stieg plötzlich etwas Angst in mir auf. Ich hatte Angst vor der Wahrheit von heute in der Schule. Ich ging in die Richtung seines Hauses. Ich kam immer näher und ich konnte auch schon bald Musik aus der Garage hören. Vor dem Tor angekommen, überlegte ich ernsthaft, ob ich überhaupt reingehen sollte. Hat sich etwas verändert in den zwei Wochen in denen ich weg war? Ich entschloss mich jedoch, hier zu bleiben und klopfte so laut es ging an die Garage. Es dauerte eine Weile bis jemand öffnete, es war Elias. Er hatte kleine, zusammengekniffene Augen und strahlte über beide Ohren. Er umarmte mich und ich roch, dass er gekifft hatte. Kaum lösten wir uns wieder aus unserer Umarmung, hörte ich schon die anderen rufen. "Endlich bist du da!" Ich fühlte mich nach dieser Aussage schon wieder so willkommen hier, dass ich am liebsten nie wieder hätte gehen wollen. Wir umarmten uns alle, bis ich schließlich vor Finn stand. Ich glaube wir überlegten beide kurz, wie wir uns verhalten sollten, bis wir uns aber letztendlich doch einen Kuss gaben und ich ihn fest umarmte. Endlich wieder diese Nähe, dieser Duft. 'Ich liebe ihn einfach so sehr', dachte ich in diesem Moment. Nachdem mich alle umarmt hatten, setzte ich mich wieder auf das alte Sofa. Mir wurde direkt eine Weinflasche und ein Glas gereicht und ich genoss den ersten Schluck noch mehr als den bei meiner Tante. Ich glaube, weil ich hier einfach die Menschen bei mir hatte, die das gleiche Schicksal wie ich teilen. Mir wurde ganz warm, als ich das erste Glas ausgetrunken hatte, was mich dazu motivierte nachzuschenken.
Irgendwann, als ich schon das ein oder andere Glas Wein Intus hatte, platzte die Frage aus mir heraus, die ich schon den ganzen Tag mit mir herum trug: "Was hast du heute früh bei dieser Anna gekauft?", fragte ich Finn, aber so laut, dass es die anderen auch mitbekamen. Ich sah in die Runde und bemerkte, dass Lea und Alex die Lippen aufeinander pressten. Also war es wohl doch etwas wichtiges. Mein Blick ging zurück zu Finn, der die Augen verdrehte. "Kannst du ich mich nicht einfach mal machen lassen", fing er an zu lachen, wirkte aber dabei trotzdem noch sehr liebevoll. Daraufhin beugte er sich zur Seite und holte unter der Couch etwas hervor. Und tatsächlich. Es war ein kleines Tütchen, dessen Inhalt aus weißem Pulver bestand. Ganz klar, es war Kokain. Das beantwortete meine "Was hat sich verändert?" -Frage ziemlich präzise.
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Liebe Führt Zum Tod
JugendliteraturPsychoterror. Das beschreibt Elianas Situation ziemlich genau... aber denkt sie allen ernstes das dieser "neue geheimnisvolle Typ" das bessern könnte...? An ihrer Stelle hätte ich eher Angst, dass es schlimmer wird