Andreas' Sicht
Gedankenverloren bog ich mit meinem Auto in unsere Einfahrt und schaute dabei kurz zu Jules Haus, das nun schon über ein halbes Jahr leer stand, da Jule für ein Jahr in Schweden war. Traurig wandte ich den Blick ab und parkte mein Auto auf dem Hof und stieg aus. Ich schloss die Haustüre auf und hörte die Kinder im Garten, was mich leicht lächeln ließ. Und als ich um die Ecke schaute sah ich Steffi, die mit einem Buch auf der Terrasse saß. "Hey" grüßte ich sie und sie schaute von ihrem Buch hoch und lächelte mich an, ehe auch sie mich mit einem "Hey" grüßte. Und dann sah ich Lotta, die mir zuwinkte, am Poolrand stehen und grinsend hob ich die Hand, um ihr zurück zu winken. Gleich darauf sprang sie laut lachend ins Wasser und ich lachte leise, ehe ich mich neben Steffi setzte und die Kinder beobachtete. "Sie ist schon so groß" meinte ich dann und seufzte, was Steffi zum lachen brachte. "Alles okay mit dir?" fragte sie und als ich sie ansah seufzte ich erneut. "Alles super" meinte ich und Steffi legte den Kopf schief und lachte erneut. "Du konntest noch nie wirklich gut lügen" meinte sie dann und ich nickte nur, da ich nicht wusste was ich sagen sollte. Mir ging es die letzten Tage wirklich nicht gut, was vielleicht daran lag, dass Jules Geburtstag kurz bevor stand und ich in letzter Zeit wieder öfter (und damit meine ich jeden Tag) an sie denken musste. Ich war wirklich froh darüber, dass Steffi und ich uns wieder gut verstanden und wir so normal miteinander umgehen konnten. Denn seit Greta schwanger war, war es schwierig alle Kinder und Erwachsenen unter einen Hut zu bekommen. Doch mit Steffis Hilfe und der Bereitschaft die Tage auch mal bei mir zu verbringen, damit ich die Kinder unter der Woche sehen konnte, war alles kein großes Problem mehr. Dafür war ich ihr sehr dankbar.
"Ich weiß ich bin nur deine nervige Exfrau, aber ich sehe, dass es dir nicht gut geht und ich könnte mir vorstellen warum" sagte sie dann sanft und strich mir kurz aufmunternd über den Arm. "Du bist nicht nervig, ich bin wirklich froh, dass wir uns wieder verstehen" sagte ich dann und sah sie aufrichtig an und Steffi lächelte leicht. "Ich bin auch froh, dass wir uns wieder gut verstehen" meinte sie dann. "Also?" fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben, was mich leise lachen ließ. So war sie früher schon - sie hatte noch nie locker gelassen, wenn mich etwas bewegt hatte. "Also" seufzte ich und warf meinen Kopf in den Nacken, während ich tiefer in den Stuhl rutschte, was Steffi zum lachen brachte. "Sie hat bald Geburtstag, hm?" fragte sie dann leise und sah mich unsicher an und ich nickte nur, ehe ich mir mit beiden Händen durchs Gesicht fuhr. "Ja" sagte ich dann und es klang fast gehaucht. Und dann spürte ich wieder wie mein Herz schwer wurde, das gefühlt die doppelte Kraft benötigte, um weiter zu schlagen. "Ich vermisse sie einfach" gab ich dann zu und Steffi nickte, ehe sie mir wieder über den Arm strich und mich mitleidig ansah. "Das ist nicht zu übersehen" sagte sie dann und gequält sah ich zu ihr. "Ich versuche wirklich ganz normal weiter zu machen, aber ohne Jule ist es echt nicht leicht. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es mir so schwer fällt" erklärte ich und Steffi hörte mir einfach nur zu. "Aber ich kann nichts machen, sie ist in Schweden.. und ich glaube wohl kaum, das sie noch an mich denkt" sagte ich dann geknickt und Steffi sah mich erneut mitleidig an. "Das weißt du ja nicht" versuchte sie es und ich schnaubte nur. "Ich glaube hätte sie gewollt, dass wir zusammen kommen wäre sie wohl kaum nach Schweden gegangen" sagte ich und Steffi schnalzte mit ihrer Zunge. "Ich glaube das war keine Entscheidung gegen dich, sondern eine Entscheidung für Schweden. Du weißt doch ganz genau, dass sie schon immer ein Praktikum in einer Seehundauffangstation machen wollte und ich glaube sie hat die Chance einfach genutzt. Vielleicht war es einfach das, was sie nach all dem gebraucht hat" nahm Steffi sie in Schutz und ich nickte nur langsam. "Ja, vielleicht.. ich kann es ihr nicht verübeln. Aber direkt ein ganzes Jahr?" fragte ich und Steffi verzog nur den Mund zur Seite, so als wüsste sie auch nicht was sie dazu sagen sollte. "Ich weiß nicht, ob ich ihr mal schreiben sollte" sagte ich und Steffi atmete hörbar ein. "Das weiß ich auch nicht" sagte sie dann ehrlich und sah mich an. "Aber warum nicht? Du hast ja Nichts zu verlieren" sagte sie dann und ich nickte zustimmend.
Und ein paar Tage später, an Jules Geburtstag, nahm ich all meinen Mut zusammen und schrieb ihr per Whatsapp.
Andreas (18:34): Liebe Jule, ich wünsche Dir alles Gute zu Deinem Geburtstag. Ich hoffe dir geht es gut, du fehlst mir hier sehr. Alles Liebe, dein Andi
Jule (18:35): Andi, wie schön, dass du an mich denkst. Danke! Mir geht es hier wirklich sehr gut. Du fehlst mir auch.. Aber die Robben kümmern sich wirklich hervorragend um mich.
Und dann schickte sie mir ein Selfie mit einer Robbe, die anscheinend Ludo hieß und ich musste laut lachen. Sie war also immer noch die Alte und ohne, dass ich darüber nachdachte ging ich in meine Anruferliste und wählte ihre Nummer. "Hey, warte kurz ich geh' eben raus" meldete sie sich und meine Lippen formten ein breites Grinsen, während mein Herzschlag sich beim Klang ihrer Stimme verdoppelte. "So" sagte sie und ich räusperte mich kurz, ehe ich ein "Hey" sprach. "Hey" sagte sie und ich konnte ihr Grinsen förmlich hören. "Du hast dir aber Zeit gelassen dich zu melden" schimpfte sie und ich legte den Kopf fragend schief. "Ich habe mir Zeit gelassen? Du hast dich doch auch nicht gemeldet" sagte ich total verwundert und verstand die Welt nicht mehr. "Aber erst mal alles Liebe zum Geburtstag, Julchen" meinte ich schnell und sie gluckste, ehe sie ein "Danke" erwiderte. "Und ja, du hättest dich ruhig eher melden können. Ich habe doch gesagt, dass du dir Zeit nehmen sollst dich zu sortieren und wenn du das gemacht hast, dann kannst du dich melden. Aber entweder bist du immer noch verwirrt oder du hast mich einfach vergessen" sprach sie dann und versuchte dabei witzig zu sein, doch kannte ich sie nur zu gut, um nicht zu verstehen, dass es ihr durchaus ernst war. "Julia, ich habe dich nicht vergessen" sprach ich dann ernst und räusperte mich erneut. "Wenn du es genau wissen willst, dann denke ich noch ziemlich oft an dich. Und ich bin sortiert" sagte ich dann und Jule lachte leise. "Steffi und ich verstehen uns sogar wieder so gut, dass wir ohne Mord und Totschlag miteinander auskommen und sie jetzt sogar öfters wieder hier ist, damit ich die Kinder sehen kann. Die Scheidung ist in ein paar Wochen auch durch" sagte ich und nun war es Jule, die sich räusperte. "Das.. klingt gut" sagte sie eher fragend und nun war ich es, der lachte. "Ja, Jule -das klingt gut. Es ist wirklich alles geklärt was das angeht. Ich glaube dafür hättest du kein Jahr nach Schweden gehen müssen" meinte ich und Jule seufzte. "Andi, ich bin doch nicht nur deswegen gegangen. Ich wollte schon immer nach Schweden.. ich habe hier wirklich die Beste Zeit und ich bin froh, dass ich hier bin" sagte sie und es klang wirklich aufrichtig. Ich konnte ihre Begeisterung raushören und es machte mich glücklich, dass sie glücklich war. Und dann erkannte ich eine männliche Stimme im Hintergrund, die Jules Namen rief. "Ich muss jetzt leider auflegen, Andi. Wir gehen noch etwas essen" sagte sie und ich wurde hellhörig. "Wir?" fragte ich und hielt dabei die Luft an. "Ja.." sagte sie leise und ich sagte nichts, sondern wartete ab, dass sie sich noch weiter erklärte - auch wenn sie mir keinerlei Rechenschaft schuldig war. "Ich habe hier gute Freunde gefunden" wich sie mir aus und ich atmete laut aus. "Männliche?" fragte ich dann mit rauer Stimme und Jule schnalzte hörbar mit ihrer Zunge. "Andreas.." sagte sie und beantwortete damit meine Frage, die ich nicht laut gestellt hatte. Für die ich auch überhaupt kein Recht besaß sie zu stellen. "Dann wünsche ich dir viel Spaß" sagte ich trocken und mein Herz zog sich zusammen, als ich Jules leise Stimme daraufhin hörte. "Ich dir auch, Andi. Schön, dass du dich gemeldet hast" meinte sie und ich erwiderte nichts und legte auf.