Kapitel 4

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Ich muss ständig an Grindelwald denken. Aber ich fühle Sehnsucht und keinen Hass oder Verachtung. Was ist nur mit mir los?! Meiner Psyche geht es von Tag zu Tag schlechter, das merke ich. Es fühlt sich so an, wie als damals meine Eltern gestorben sind. Ich war erst in meinem fünften Schuljahr… Damals habe ich mich deswegen selbst verletzt. Und der Druck es wieder zu tun steigt mit jedem Tag, an dem ich an ihn denke. Meinen Freunden kann ich davon nichts sagen. Ich will nicht immer das Problemkind sein. An einem Morgen ist der Druck nach einem Traum unaushaltbar. Ich habe mich selbst gesehen, wie ich im Gefängnis eingebrochen bin, um Grindelwald zu befreien. Oh Gott! Wo ist meine Klinge?! Panisch suche ich nach dem kleinen Metallding. Sobald ich es gefunden habe, setze ich mich wieder auf mein Bett und setze es an meinem Arm an. Zitternd ziehe ich es durch. Nach ein paar Minuten klaffen große Wunden auf meinem Arm. Die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer, als ich kapiere, dass ich jetzt wieder einen Verband tragen muss. Genervt trockne ich das Blut ab und verbinde meinen Arm. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Das hätte ich nicht tun sollen! Meine Freunde werden so enttäuscht sein… Sie dürfen es nie erfahren. Mittlerweile ist alles schon ein halbes Jahr her, trotzdem denke ich jeden Tag an alles was passiert ist. Ein paar Wochen später kommt das nächste Problem… Heute bin ich im Ministerium bei Theseus, er Newts Bruder. Es wurde eine Krisensitzung einberufen, allerdings habe ich bisher keinen Grund erfahren. „Theseus? Was ist denn los?“ „Komm mit. Ich erkläre es gleich.“ Er führt mich in einen Raum, in dem schon sehr viele andere Auroren und hochrangige Beamte warten. „Das Obskurial hat über lebt! Aber das ist nicht das Schlimmste: Grindelwald konnte fliehen!“ ruft er zur Begrüßung quer durch den Raum. Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Er konnte fliehen?! Grindelwald ist wieder frei?! „Wir wollen ihn so schnell wie möglich finden und wieder gefangen nehmen! Wir werden Auroren in die ganze Welt aussenden, um ihn zu finden.“ Theseus Worte dringen nur gedämpft zu mir durch. Ich setze mich schnell hin, als ich merke, dass mir schwindelig wird. Er ist frei… Er ist irgendwo da draußen! Will er mich töten? Er sagte zwar, dass er alles was er zu mir gesagt hat, ernst gemeint hat, aber woher weiß ich, dass das die Wahrheit ist?!  Bin ich für ihn nur ein dummes Spielzeug? Ich glaub, ich muss mich gleich übergeben! Mir ist so schlecht! „Lou? Ist alles okay bei dir?“ Unsicher blicke ich nach rechts zu der Person, der die Stimme gehört. Es ist Leta. „E-es ist alles gut.“ „Du siehst grauenvoll aus. Sag mir doch was dich bedrückt.“ „N-nein. Ich sagte doch, mir geht´s blendend.“ Ich zwinge mich mühsam zu einem Lächeln. Bevor sie noch weiter fragen kann, stehe ich auf und verlasse unauffällig die Versammlung. Ich muss einfach hier raus! So schnell ich kann, renne ich aus dem Ministerium hinaus und zu mir nach Hause. Was soll ich nur machen?! Ich will Grindelwald nie wieder begegnen! Ich bin so dumm! Sobald ich meine Augen schließe, schießen mir alle Erinnerungen wieder in den Kopf. Das letzte Mal richtig geschlafen habe ich vor sechs Monaten… Und heute wollte auch noch Tina kurz vorbeischauen. Es geht alles schief! Ich muss mich ablenken. Wo ist meine Klinge? In letzter Zeit habe ich sie häufiger gebraucht, so auch heute. Als ich sie gefunden habe, beginne ich damit mir verzweifelt die Arme aufzuschneiden. Doch es reicht nicht. Weil ich mich nicht beruhigen kann, schneide ich zusätzlich auch noch meine Beine auf. Ich verliere immer mehr Blut. Viel zu viel Blut. Langsam merke ich wie mein Bewusstsein schwindet… Bevor ich mich um die Wunden kümmern kann, kippe ich einfach um. „Lou! Lou, wach auf!“ Mühsam schlage ich die Augen auf. Vor mir hockt Tina und sieht mich ängstlich an. „T-tina? Was machst du denn schon hier“? „Du warst ohnmächtig! Da habe ich Panik bekommen und Queenie hergeholt.“ Achja, Newt und Tina reden nicht mehr. Warum, weiß ich auch nicht. „Was hast du nur gemacht?!“ „Nichts…“ „Deine Arme und Beine sind voller Schnittwunden! H-hast du die dir etwa selbst zugefügt?!“ Stumm nicke ich. Lügen würde eh nichts bringen, da Queenie hier ist. „Lou! Spinnst du?! Das kannst du doch nicht machen!“ „Ich weiß… Ich werde aufhören, versprochen.“ „Lou… Bitte, wenn du nicht von dir selbst aus aufhören kannst und willst musst du es uns sagen. Wir können dir helfen.“, mischt sich jetzt auch Queenie ein. „Ich will aber aufhören! Wirklich! Und ich schaffe das schon alleine!“ „Deine Gedanken sagen was ganz anderes!“ „Lasst es bitte einfach…“, bitte ich sie genervt. „Du musst ins Krankenhaus!“ „Nein!“ „Wir können dich aber nicht einfach hier lassen. Das muss behandelt werden.“ Schließlich können sie mich überreden zumindest Theseus herzuholen. Ich will erstens nicht in ein Krankenhaus, zweitens will ich nicht, dass Newt was merkt, drittens will Tina ihn auch nicht sehen und viertens wird Theseus hoffentlich niemandem was sagen. Tina hat ihn schnell hergeholt. Als er mich sieht, muss er sich erstmal kurz abstützen. „Weißt du wie viel Blut das ist?!“ Erschrocken starrt er die riesige Pfütze auf meinem Boden an. „Warum hast du das gemacht?“ „Ist egal.“, versuche ich mich rauszureden. „Lou… Du weißt wie sehr ich dich mag. Aber ich muss es jetzt wohl sagen.“ Queenie sieht mich entschuldigend an. „Nein! Bitte nicht!“ „Was? Was soll sie nicht sagen?!“ Theseus sieht mich streng an. „Ich mochte mal jemanden, den ich nicht mögen sollte.“ „Wen?“, fragt Tina verwirrt. „Percival Graves.“, antwortet Queenie. „Oder besser gesagt: Gellert Grindelwald.“ „Was?! Lou, das ist der böseste Zauberer der Welt!“ Verständnislos sieht Theseus mich an. „Das wusste ich damals nicht.“ „Und was hat das damit zu tun?“ Tina zeigt auf meine Wunden. „Ich bin heute einfach durchgedreht, als ich erfahren habe, dass er geflohen ist!“ „Und das ist alles?“ Ich nicke. Queenie weiß zwar, dass es auch an den Erinnerungen liegt, die mich jeden Tag quälen. Aber sie sagt es zum Glück nicht. „Ich fange mal an mit heilen…“ Mit diesen Worten beginnt Theseus meine Wunden zu versorgen. Nach ein paar Minuten sehen meine Arme und Beine wieder etwas besser aus. „Die Narben bleiben, das ist dir klar, oder?“ „Ja, das weiß ich.“ Ich hatte ja davor schon genug. „Womit hast du das gemacht?“ „Mit einer Klinge.“, antworte ich Tina. „Wo ist sie?“ Ich zeige auf meinen Schreibtisch. „Ich nehme sie mit und vernichte sie.“ „Nein!“ Erschrocken über meinen plötzlichen Gefühlsausbruch starren mich die drei an. „Ähm… Ich wollte sagen, dass ich sie selbst wegwerfen kann.“ „Keine Sorge. Das mach ich schon.“ Tina steckt die Klinge weg. Ich könnte durchdrehen! Ich brauche das Ding! Die drei reden noch mindestens drei Stunden mit mir, bis sie mir abkaufen, dass es mir besser geht. Sogar Queenie kauft es mir ab. In den nächsten drei Monaten kann ich wieder nicht schlafen. Weil ich keine Klinge mehr habe, trinke ich den ganzen Tag. Ich bin ganz schön abgestürzt. Alles wiederholt sich. In meinem fünften Schuljahr hatte ich auch so eine Phase. Aber es lag damals an dem Tod meiner Eltern. Dumbledore hat mich aus meinem Loch rausgeholt. Ich würde ihm gerne alles erzählen, aber ich getraue mich nicht, jetzt zu ihm zu gehen. Es ist so, als ob mein Körper mich zwingt, sich selbst zu zerstören. Und ich kann niemandem etwas sagen. Weder Newt, noch Tina, Queenie, Jacob, Theseus, Leta oder sogar Dumbledore. Offiziell habe ich jetzt alles geschafft. Ich gelte wieder als psychisch stabil, dabei bin ich das ganze Gegenteil! Theseus wollte heute mit mir reden. Deshalb warte ich ungeduldig in seinem Büro auf ihn. Endlich ist er da. „Theseus! Was gibt es denn so wichtiges?“ „Du hast einen Auftrag. Du sollst nach Paris reisen und dich dort ein bisschen umsehen.“ „Hä? Warum?“ „Wir haben Informationen, dass sich dort Grindelwald versteckt.“ Es kostet mich sehr viel Selbstbeherrschung nicht auszurasten und ruhig zu bleiben. „Wann soll ich los?“ „Sofort. Leta geht mit dir nach Hause, um deine Sachen zu holen und dann bringt sie dich mit einem Portschlüssel nach Paris. Wir kommen dann in zwei Tagen nach.“ „Okay, bis dann.“ Schnell verlasse ich das Büro, um mich an die Wand anlehnen zu können.

Sein Name ist Grindelwald...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt