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Carla.

Einige Tage nach dem Essen mit Dardan, sitze ich an meiner vorletzten Hausarbeit. Ich bin froh darüber, weshalb ich mir auch sehr viel Zeit nehme und mich darauf konzentriere, alles richtig zu machen. Denn ich will mein Ziel erreichen und meinen Master beenden.

Deshalb nehme ich auch viel zu spät wahr, dass Dardan mich mehrere Male angerufen hat. Über Whats App, was mich irgendwie verwundert. Wieso ruft er mich über Whats App an und nicht normal?

Fragend hebe ich ab und mache auf Lautsprecher. „Ja bitte?", sage ich gleich und fixiere meinen Blick wieder auf mein Notebook.

„Wo bist du?", fragt er mich sofort und klingt gereizt. „Wieso gehst du nicht dran, wenn ich dich anrufe?"

Ich quittiere seine Fragen mit einem Augenrollen, was er jedoch nicht sehen kann. Manchmal ist er einfach nervig. Er weiß ganz genau, dass ich wieder angefangen habe, etwas für mein Studium zu tun und mich deshalb nicht ablenken möchte.

„Ich bin gerade an meiner Hausarbeit dran", antworte ich ihm auf seine Fragen und tippe dann auf den Tastaturen herum. „Wieso rufst du mich über Whats App an?"

Es ist eine Weile still zwischen uns. Aus dem Hintergrund vernehme ich einige Stimmen, doch ich erkenne nur eine - die von Ballermann.

„Ich bin in Santorini", erwidert er dann nach unserem Schweigen und lässt mich stutzen. Was macht er in Griechenland?

„Aha", gebe ich zischend zurück und lehne mich nach hinten. „Wann hattest du vor, mir davon zu erzählen?"

„Dein Ernst?"

„Ja mein Ernst, Dardan", fauche ich und streiche mir wütend durch die Haare. „Ich würde gerne davon wissen, wenn mein Freund nicht im Land ist. Also ja, es ist mein Ernst!"

„Hä", zieht er das Wort in die Länge. „Chill mal, aller. Ich bin nicht für immer hier und wollte es dir gerade sagen. Was schiebst du dir jetzt für einen Film deswegen?"

Ich greife nach meinem Handy und schalte den Lautsprecher aus. Keine Ahnung, was er sich dachte, aber ich finde es nicht in Ordnung. Überhaupt nicht in Ordnung. Wie kommt er bitte auf die Idee, es mir erst zu sagen, nachdem er schon dort ist?

„Ach erst jetzt? Nachdem du schon dort bist?", ich stehe von meinem Stuhl auf und stelle mich in die Mitte meines Zimmers. Ich fasse es nicht einfach nicht. „Natürlich schiebe ich mir Filme? Was denkst du dir eigentlich dabei?"

„Was ich mir denke?", wird er nun lauter. „Mshele gojen." In dem Moment will ich ihm selbst irgendwelche Worte auf seiner Muttersprache an den Kopf schmettern, als ich Mirlind's Stimme aus dem Hintergrund vernehme und wie er sagt, dass er mit einem sogenannten Bobby verschwindet. „Ich bin verdammt noch mal wegen einem Video hier. Außerdem war es eine spontane Idee des Kameramanns. Sonst wäre es hier in Stuttgart entstanden."

Wütend schnaufe ich auf und schüttle mit dem Kopf. Mir ist egal, was für ein Grund ihn auf diese Insel gelockt hat, denn er hat mir nicht Bescheid gegeben. Ihm hätte sonst etwas passieren können.

„Weißt du was? Es ist mir egal, was dein Grund ist. Ciao", lege ich einfach auf und werfe mein Handy auf mein Bett.

Verärgert über Dardan setze ich mich wieder an meine Hausarbeit und versuche mich zu sammeln, damit ich wie vor fünf Minuten, an meiner Arbeit feilen kann.

Doch es sei mir nicht gegönnt. Denn mein Handy - welches immer noch hinter mir auf meinem Bett liegt - vibriert ununterbrochen. Natürlich weiß ich, dass es mein Freund ist, welcher nach einem Gespräch mit mir sucht und diese Sache klären will. Aber ich habe wirklich keinen Redebedarf.

Trotzdem gibt er auch nach geschlagenen zehn Minuten nicht auf, weshalb ich stampfend auf mein Smartphone zu gehe und den Anruf fuchsig abhebe. „Was?", zische ich.

„Bei Gott, Carla. Legst du noch einmal auf, ohne etwas geklärt zu haben, drehe ich durch", erwidert er viel zu laut. Nun klingt er wütend und macht mir etwas Angst. Ich schlucke, doch sage nichts auf seine Worte. „Ich habe dir gesagt, dass es wegen einem Video ist, sei mal bisschen unterstützender als Freundin."

„Warte, willst du mir gerade unterstellen, ich unterstütze dich nicht?", frage ich schockiert nach und lasse meinen Mund dabei geöffnet. Wie kann er sowas behaupten? Ich bin die letzte, die nicht an seine Karriere denken würde. Die aller Letzte. „Dio mio. Vai a cagare, stronzo! (Verpiss dich, du Arsch)", beginne ich zu fluchen und möchte am liebsten nicht mehr aufhören. Doch er hindert mich daran.

„Rede Deutsch mit mir", brummt er genervt auf, was mich trotzdem weiterhin fluchen lässt. Jedoch in meinen Gedanken. „Du brauchst dich nicht unnötig darüber aufzuregen, Vale man. Ich bin alt genug und tue hier etwas für meine Zukunft, für meinen Job und die Fans. Ich kann das nicht einfach so hinschmeißen, nur weil ich jetzt in vergebenen Händen bin."

Okay, merkt er eigentlich, was er sagt? Denkt er eigentlich überhaupt nach, bevor er redet? „Merkst du eigentlich was? Merkst du nicht, dass es mich verletzt und deine Worte, die du gerade noch gesagt hast, mich verfickt nochmal verletzten? Ich hab nicht gesagt, dass du deine Karriere, deinen Job, wegen mir aufgeben sollst!", schreie ich laut auf und merke, wie ich den Tränen nahe bin.

Wann ist es soweit gekommen, das wir uns streiten? Unser letzter großer Streit war im Oktober. Und da waren wir noch nicht zusammen.

Ich sehe, wie sich meine Tür öffnet, doch handle sofort und laufe auf diese zu, um sie zu zuknallen und daraufhin abzuschließen. Für meine Familie in dieser Situation habe ich keinen Nerv. Wirklich nicht.

„Vale-"

„Nein, Dardan", falle ich ihm ins Wort und wische mir eine Träne von meiner Wange weg. „Sag nichts, du hast schon zu viel gesagt."

„Ich glaube nicht", erwidert dieser nur und seufzt auf. Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie er versucht ruhig zu bleiben, aber in seinem Inneren herrscht wahrscheinlich ein Sturm. Genau so wie bei mir auch. „Wenn du schon so drauf bist, was willst du machen, wenn ich auf Tour gehe? Ich mache nicht nur hier Konzerte, sondern auch in Österreich, in der Schweiz und in Kosovo. Willst du mich dann auch dumm anmachen?"

„Nein", zische ich sofort zurück. „Nein, würde ich nicht, weil mein supporting ass dich begleiten würde."

Um ehrlich zu sein, diese Worte habe ich viel zu schnell ausgesprochen, bevor ich überhaupt daran gedacht habe. Aber wahrscheinlich würde ich es wirklich machen. Ich würde wahrscheinlich wirklich mit ihm gehen - egal wohin.

„Du weißt nicht mal, ob du dein Studium verlängerst, ob du es bestehst und denkst schon daran, mit zu kommen?", fragt er mich in einem beißenden Ton. Eigentlich ist es uns beiden klar, dass ich zu fast 90% meinen Abschluss schaffen werde, denn ich stecke viel Zeit rein. Mehr als ich vielleicht sollte. Denn es kommt nicht alles vom Himmel geflogen.

„Selbst wenn, ich würde. Aber anscheinend willst du mich nicht dabei haben", gebe ich giftig zurück und lasse mich auf mein Bett fallen.

Wir schweigen eine Weile und versuchen uns zu beruhigen. Doch wir beide haben ein viel zu starkes Temperament und so schnell würde es nicht klappen.

„Weißt du was? Ich verstehe gar nicht, wieso du so einen großen Wirbel darum machst", sagt er dann schließlich in einer ruhigen Stimme, doch sie bebt nur vor Wut. Ich höre es heraus. „Du warst damals nicht besser, als du einfach deine Sachen gepackt hast und du einfach in deine Heimat geflogen bist. Weder deinen Freunden noch mir Bescheid gegeben hast."

„Das ist was ganz anderes gewesen", versuche ich ihn aufzuklären, doch er wimmelt mich nur ab.

„Ist es nicht, Carla. Es ist genau das selbe, nur das ich dich angerufen habe, um dir das mitzuteilen", spricht er weiter. „Du hattest nicht die Eier dazu."

Mit diesen Worten legt er einfach auf und lässt mich sprachlos zurück.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt