Born und das Pferd

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Eines Tages, in einem uns vollends unbekannten Land, lebte ein kleiner Mann. Er war so klein, dass manche ihn kaum von einem Zwerg unterscheiden konnten, so war sein Bart doch immer bestens gestutzt und seine Hände nicht dreckig vom Graben. Hin und wieder erinnerte er an einen Schafhüter, wenn er vor seinem Haus stand und versuchte, das bunte Glas über seiner Tür zu putzen. 


Er war sich selbst nicht sicher, was es wahr, jedoch mochte er das kleine, grüne Dorf: Die Einsamkeit, die er in seiner kleinen Hütte hatte, beruhigte ihn. Mit den anderen Menschen des Dorfes hatte er wenig zu tun, doch genau so wollte er es auch. In seinem alten Leben, an das er sich kaum noch erinnerte, hatte er seinen Durst nach Kontakt zu seinen Mitmenschen mehr als gestillt. Born war ein Halbelf und lebte in einem Elfendorf. Als er dorthin zog, wusste er, dass man ihn belächeln würde: Er entschied sich trotzdem dafür. Was ihm zuhause widerfahren war, würde er so oder so niemals vergessen können. Als der Krieg kam und ihn seine Mutter wegschickte, tat er wie ihm geheißen. Nur einen Fehler hatte er gemacht: Er kam noch einmal zurück, da er Angst hatte, alleine weiterzugehen. Der Anblick seiner zerstückelten Mutter und seinem Vater, wie er an einem dünnen Strick im Hof gehängt wurde, ließen ihn kalt werden. Er hatte mit dem Leben in einer Gemeinschaft abgeschlossen und war nur in das Dorf gezogen, damit ihn jemand fand wenn er sterben sollte. Das einzige Lebewesen, das ihm Freude bereitete, war sein Pferd. Es war genauso wie er etwas kleiner als alle anderen und wieherte trotzdem genauso laut. Man schaute ihn auf der Straße schief an, wenn man hörte, dass er seinen treuen Begleiter im Haus schlafen lies, doch Born brachte es einfach nicht zustande, sein Ross in der Kälte zurückzulassen. So war es doch seine einzige Erinnerung an sein altes Leben und hatte ihn durch Nacht und Nebel fort von dem Krieg getragen. Born mochte seine täglichen Verpflichtungen: Er war im Dorf als Reparateur der Waldlampen tätig. Immer wenn es nachts zu dunkel wurde hieß es, dass die Glühwürmchen in den Gläsern zu viel zu essen hatten und so zu müde waren, um zu schweben und Licht zu produzieren. Dann musste er also aufstehen, nach draußen gehen und jedes Licht einzeln anstupsen und die darin schlafenden Glühwürmchen zurechtweisen. Hin und wieder war das ein ganz schön belastender Job, denn nicht jedes kleine Glühwürmchen war freundlich zu ihm. Einzig und allein bei der Glühfamilie Strumpf konnte er sich immer sicher sein, für sein Auftauchen anstatt Beschimpfungen ein nettes Lächeln zu bekommen. Als ein weiterer Glühmorgen anbrach und er sich gerade nach getaner Arbeit ins Bett legen wollte, hörte er das Wiehern seines Pferdes aus dem Zimmer, dass er liebevoll „Pferdepalast" nannte. Er schaute selbstverständlich sofort nach seinem Freund und kam wohl nur eine Sekunde zu spät: Die großen Flügeltüren hinaus auf die Terrasse waren weit geöffnet und sein treuer Begleiter war hinaus galoppiert, zurück in den Wind. „Mach's gut", schniefte er und ging zurück in sein Bett.


(Schreibübung, klaue den Anfang, 28.02.19)


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