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Carla.

„Das hat er wirklich gesagt?", fragt Micah mich, welchen ich am nächsten Tag, verheult angerufen habe.

Es ist der erste richtige Streit zwischen uns, denn sonst haben wir immer diskutiert, ein paar Stunden nicht geschrieben, bis er mir am Abend, bevor er schlafen ging -eine Nachricht mit ich liebe dich, gute nacht - geschrieben hat. Am nächsten Morgen haben wir dann immer kurz telefoniert, um die Sache zu klären. Doch dieses mal, sieht es ganz anders aus.

Weder aus seiner noch aus meiner Seite kam etwas. Dafür sind wir beide zu stur. Kein ich liebe dich, kein gute nacht oder guten morgen. Nichts. Einfach nichts. Und das macht mich innerlich fertig.

„Ja hat er", seufze ich und starre an meine Decke. „Micah, ich hab Angst. Ich hab Angst, das er glaubt, ich würde ihn nicht unterstützen und deshalb mit mir Schluss macht. Ich liebe ihn wirklich viel zu sehr. Das glaubst du mir nicht."

Micah atmet hörbar auf der anderen Seite auf. „Doch, ich glaube dir das. Ich hab dich noch nie so verliebt gesehen. Aber du musst auch ihn verstehen. Er denkt wahrscheinlich nur so, weil du es nicht anders kennst, dass man jemanden Bescheid gibt, aber auf der anderen Seite - bist du im Oktober selbst geflüchtet - ohne uns darüber zu informieren. Eine Woche lang."

Ich weiß, dass mein bester Freund Recht hat. Ich weiß auch, dass Dardan Recht hat. Aber ich mache mir einfach nur Sorgen. Was wäre, wenn während des Fluges etwas passiert wäre? Wenn ihm dort etwas passiert und ich bis gestern Abend nicht gewusst hätte, dass er in Santorini ist? Ich würde platzen vor Neugier und Sorge.

„Was mache ich jetzt?", frage ich meinen langjährigen Freund und schließe meine Augen. „Ich will nicht mit ihm streiten, aber ich bin auch viel zu stur um irgendetwas zu tun."

„Ja, aber er ist auch stur. Du kennst ihn doch von allen am besten, tesoro", erwidert er. „Außerdem macht er immer den ersten Schritt zur Versöhnung, also kannst du es dieses Mal machen. Glaub mir, er wird sich über deine Nachricht freuen. Egal ob es ein einfaches ich liebe dich oder ein Emoji ist. Du denkst an ihn und das wird ihn glücklich machen. Auch wenn ihr gerade eine Krisenphase habt."

Micah hat recht. Wieso hat er immer Recht? Kann er nicht einmal im unrecht sein und was dummes sagen?

Wir wechseln noch ein paar Worte, bis wir gemeinsam auflegen und ich mich dann wieder an meine Hausarbeit widme. Ich hoffe bloß, dass ich sie noch vor meiner Klausur bzw. Prüfungsphase fertig habe. Denn ich möchte diesen Stress nicht haben.

Doch leider kann ich mich gar nicht darauf konzentrieren. Denn immer wieder schwirrt mein Freund durch meinen Kopf. Und seine Worte, die er mir gesagt hat. Das ich ihn nicht unterstütze und ich selbst einfach geflüchtet bin. Aber was hätte ich sonst in diesem Moment machen sollen? Hier bleiben und Däumchen drehen? Nein, ganz sicher nicht. Ich habe damals diese Ruhe gebraucht und diese Auszeit hat mir wirklich gut getan. Denn sonst wären wir niemals zusammen gekommen.

Ob er trotzdem um mich gekämpft hätte, wenn ich mich anders entschieden hätte? Wenn ich nicht nach Italien geflüchtet wäre um den Kopf frei zu kriegen, und lieber hier versauert wäre? Hätte er weiter um mich gekämpft oder es sein lassen?

Aber ich denke, spätestens nach dem Mixtape für mich hätte ich mich anders entschieden. Glaube ich jeden falls. Denn meine Entscheidung stand schon fest, ich wollte Dardan und seine CD als Entschuldigung hat es nur bestärkt.

Seufzend greife ich nach meinem Handy und entsperre es, danach klicke ich auf Whats App und tippe auf seinen Chat. Ich kann noch immer nicht sehen, wann er online ist, da es bei mir ausgeschaltet ist. Doch sein Profilbild reicht mir vollkommen aus. Denn ich muss zugeben, auch wenn er ziemlich sauer auf mich ist, hat er es nicht geändert.

Es ist ein Bild von uns. Um genau zu sein, das aus Berlin, wo wir uns angucken und anlächeln. Das Bild, von welchem wir keine Ahnung hatten, dass es geschossen wurde. Und er hat es nicht rausgenommen.

Ja, nachdem seine Eltern über uns Bescheid wussten, hat er es direkt zu dem Profilbild geändert und er sagte mir noch am selben Abend, wie viele seiner Jungs ihn darauf angesprochen haben.

Ich hatte aber Angst, dass irgendwer auf unsere Beziehung ein Auge wirft. Das sie es ihm und mir nicht gönnen. Doch bisher stand und steht jeder auf unserer Seite. Außer unsere Sturheit.

Länger kann ich mir das Bild nicht mehr ansehen, denn ich vermisse ihn. Ich vermisse meinen Freund und möchte ihm am liebsten schreiben. Doch ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.

Diese Worte - welche er mir an den Kopf geworfen hat - sitzen einfach viel zu tief in meiner Haut und kommen nicht so einfach da raus.

Schluckend lege ich mein Handy wieder weg und streiche mir frustriert durch meine Haare.

Verdammt sei mein Leben. Wieso muss so etwas genau mir passieren? Warum bin ich so stur? Wieso kann ich es nicht einfach beiseite legen? Wieso erwarte ich immer, dass er ankommt und es gerade biegt, obwohl ich genau weiß, dass er ebenfalls die Sorte Mann ist, der seine Sturheit nicht ablegen würde. Doch er macht es jedes mal und das nur für mich.

„Ich bin so schlimm", nuschle ich und stütze meine Hände an meinem Kopf ab. „Verdammt."

Keine Sekunde später tippe ich auch schon eine Nachricht an ihn, nachdem ich abermals nach meinem Handy greife.

können wir bitte reden?

Ich warte ungeduldig auf eine Antwort von ihm, doch sie kommt erst zehn Minuten später an. In diesem zehn Minuten, fühlt sich alles so lang an. Ich sehe wie sein online Status erscheint und er dann zu tippen beginnt, bis seine Nachricht auch ankommt.

sorry, keine zeit.

𝖸𝖫𝖫𝖨 𝖨𝖬. | 𝘿𝘼𝙍𝘿𝘼𝙉.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt