3. Kapitel

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THEY LOOK AT HER AND THINK:
IS SHE GOING TO SEND
ME TO THE DEVIL?
BUT THEY SHOULD KNOW
SHE IS THE DEVIL!

Gwendolin hat keine Ahnung, wie lange sie dort bei den Katzen ist, zusammen gerollt in der hintersten Ecke des Raums und schlafend wie eine Tode. Der Kater mit der verbundenen Schwanzspitze als auch die anderen Katzen lassen sich von ihrer Anwesenheit beruhigen. Auch noch, als es im Behandlungsraum unruhig wird.
Doch es sind nicht die lauten Stimmen, die Gwendolin aus ihrem erholsamen Schlaf reißen. Es ist das Gefühl der Sicherheit, das in tausend Stücke zerspringt und ihre Augen aufspringen lässt. Ihre Augen sind hellwach, nichts trübt den messerscharfen Blick. Ihre Kopfhörer sind ihr aus den Ohren gerutscht und haben sich mit ihren Ketten verheddert. Vorsichtig und so leise wie möglich entwirrt sie das Chaos an ihrem Hals und stopft die InEars in ihre Hosentasche. Langsam richtet sie sich auf und kommt wieder auf die Beine. Der Kater springt schnell von ihrem Schoß und sieht neugierig zu ihr hoch, ohne sich zu beschweren. Auch die anderen Katzen beobachten sie wieder, allerdings scheinen sie nicht dieselbe Unruhe und ansteigende Angst zu verspüren, wie Gwendolin. Allein ihre Anwesenheit verleiht ihnen das Gefühl von Sicherheit. Vorsichtig geht sie auf die Tür zu, die nun geschlossen ist. 
Ob Dr Deaton sie vergessen hat? 
Sie könnte es ihm nicht übel nehmen. Gwendolin hat sehr schnell lernen müssen, das unbedachte Geräusche oder Laute zu ihrem Verhängnis führen können. Also hat sie gelernt leise zu sein, bis die Erinnerung an ihre Anwesenheit beinahe aus den Köpfen ihrer Mitmenschen verschwunden sind. Sie hat eine Begabung dazu, einfach vergessen zu werden. Fehlt nur noch, dass man durch sie hindurch sieht. Dann wäre sie wirklich unsichtbar.  
Draußen im Behandlungsraum wird es hektisch. Sie hört, wie sich die Tür zum Lagerraum öffnet und wieder schließt. Vorsichtig, das raten ihre Instinkte ihr, tritt sie an die Tür heran und lugt aus dem kleinen Fenster. Dabei muss sie sich recken und strecken und auf die Zehenspitzen stellen. Und selbst dann kann sie nur über den Rand spiken. Was sie an Größe nicht hat, macht ihr gutes Gehör jedoch wieder gut. Sie kann jedes Wort der Konversation im Behandlungszimmer hören. 
"Ich glaube, ich sollte mir langsam ein größeres Geschlossen-Schild zu legen." 
Geschlossen-Schild? Ist es etwa schon so spät? 
Gwendolin unterdrückt einen Fluch und lässt sich wieder auf die Fersen zurück sinken, um einer Entdeckung zu entgehen. Sie hört das Eintreten von drei Paar schweren Stiefeln. Kraftvolle Schritte. Dann die Stimme eines älteren Mannes. Es hätte die Stimme eines lieben Großvaters sein können, wenn da nicht dieser eisige Unterton wäre. 
"Hallo Alan!" 
Dr Deaton heißt mit Vornamen Alan? Was man doch so alles mitbekommt, beim Lauschen.
"Es ist schon eine Weile her. Zuletzt hörte ich, du wärst in Rente gegangen."
So alt ist der Doc jetzt auch noch nicht. 
"Ich hörte, du würdest einem Verhaltenskodex folgen." 
Eine dritte Stimme mischt sich ein. 
"Falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte, diese Leiche war einer von uns." 
Leiche?
Obwohl Unwohlsein und Angst in ihr kämpfen, ist da immer noch die Neugierde. Die gefährliche Neugierde. Gwendolin stellt sich erneut auf die Zehenspitzen, um einen Blick nach draußen zu wagen. Sie erkennt den Behandlungstisch, auf dem tatsächlich eine Leiche liegt. Ein Mann. Und ihm wurde der Brustkorb aufgeschlitzt. 
"Ich weiß, mir sind auch die Überreste des Schwarzpulvers an seinen Fingern aufgefallen. Denken Sie nicht, ich lasse mich von ihrer Philosophie beeinflussen nur weil ich Ihre Fragen beantworte." 
Gwendolin zieht sich wieder zurück. Offenbar ist Dr Deaton kein gewöhnlicher Tierarzt. 
"Er war erst 24." meint die dritte Stimme. 
"In jedem Alter gibt es Mörder, Argent." 
Das klingt stark nach einer Anschuldigung und ist Argent ein Vor- oder Nachname? 
"In jedem Alter, in jeder Größe, in jeder Spezies. Auch nur letzteres beunruhigt uns." Das ist wieder die Großvaterstimme. Gwendolin versucht nicht mehr, die Unterhaltung zu verstehen, sondern hört nur noch aufmerksam zu. Sie hat zwar keinerlei Verlangen in das, was sich auf der anderen Seite der Tür abspielt, hineingezogen zu werden, doch darüber Bescheid zu wissen, scheint ihr jetzt noch nicht wirklich schädlich zu sein.
"Was haben Sie heraus gefunden, Deaton?"
"Sehen Sie diesen Schnitt? Präzise, beinahe chirurgisch. Doch das ist nicht die Wunde, die ihn tötete. Diese hatte eher einen beabsichtigten Zweck."
"Mit dem Rückgrad verbunden?" 
"Ja, richtig! Was immer diesen Schnitt verursacht hat, war mit einem paralytischen Toxin überzogen, welches stark genug war, alle motorischen Funktionen außer Kraft zu setzen. Diese hier sind die Todesursache." 
Gwendolin kann sich bildlich vorstellen, wie der Doc auf die Wunden am Brustkorb deutet. 
"Sehen Sie die Muster an jeder Seite?"
"Fünf, für jeden Finger."
"Für jede Klaue." verbessert der Opa. 
Bei dem letzten Wort spannen sich in Gwendolin sämtliche Muskeln an und sie ballt die Fäuste. Schwärze füllt ihren Kopf, getränkt von Erinnerungen und grausamen Schrecken. Mühsam versucht sie alles abzuschütteln und auf die Stimmen zu konzentrieren. Es gelingt ihr nur halbwegs. 
"Sie können sehen, dass es sich hinein bohrte, ihn aufschlitzte, die Lungen ausweidete und mit Leichtigkeit durch den Knochen des Brustkorbs glitt." 
Klingt nach einem schmerzhaften Tod...
"Haben Sie etwas derartiges schon jemals gesehen?"
"Nein!"
"Eine Idee, was ihn getötet haben könnte?"
"Nein! Nur so viel. Es ist schnell, unglaublich stark und hat die Eigenschaft seine Opfer innerhalb von Sekunden hilflos zurück zu lassen."
"Das heißt, wir sollten vorsichtig sein. Das meinen Sie doch?" 
"Das heißt, dass sie Angst haben sollten. Verdammt viel Angst! Denn in der natürlich Welt nutzen die meisten Jäger mit paralytischen Toxinen, diese um ihre Beute zu fangen und dann zu fressen. Diese Beute wurde nicht gefressen. Also, was auch immer ihn getötet hat, wollte ihn auch nur töten. Vermutlich ist das Töten sein einziges Verlangen." 
Gwendolin muss schlucken. Vorsichtig lehnt sie sich an die Wand neben der Tür und atmet tief durch, um die Panik zurück zu drängen. Das Gehörte setzt ihr zu. Ihre Hände zittern und der Rest von ihr ist vollkommen erstarrt. Mühsam schluckt sie und fokussiert ihren Blick auf den Kater zu ihren Füßen, der sie neugierig anstarrt. Schnurrend reibt er seinen Kopf gegen ihr Bein, als würde er versuchen, sie zu beruhigen und ihr ihre Angst zu nehmen. Gwendolin löst ihren verkrampfen Kiefer, atmet noch einmal tief durch und bückt sich nach dem Tier, um es auf den Arm zu nehmen. Kaum liegt der warme, kleine Körper sicher an ihrer Brust fühlt sie sich sofort wohler. Allerdings lassen sich die Dämonen ihrer Vergangenheit nicht so einfach aufhalten. Sie graben ihre bösartigen Krallen tief in ihren Kopf und wollen nicht los lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Deshalb weiß sie auch, wie sie es bekämpfen kann. Gwendolin vergräbt die Nase im Nacken des Katers auf ihrem Arm und atmet tief ein. Der Körper riecht nach Desinfektionsmittel, Holzspänen und irgendwie auch nach Sonne. Nach Leben! Und während sie den Geruch des Lebens tief in sich aufsaugt, denkt sie an Blut und Gewalt und Tod.     

Erst als Gwendolin sich sicher ist, dass niemand außer Dr Deaton  noch da ist, gleitet sie aus dem Katzenraum. Der Kater sitzt wieder sicher in seinem Käfig und der Tierarzt schreckt zu ihr herum. Sie schenkt ihm ein kurzes Lächeln, das nicht mehr als ein kurzes Mundwinkelheben ist und will sich aus dem Staub machen. Doch die Stimme von Dr Deaton hält sie zurück. 
"Gwendolin, ich gehe davon aus, dass sie hiervon kein Wort verlieren werden, nicht wahr?" 
Langsam dreht Gwendolin sich zu dem Arzt um. Sie lächelt leicht, doch ihre Augen sind zwei messerscharfe Eiszapfen. 
"Wie gesagt Doc, ich will nur meine Ruhe." Dann wendet sie sich zum Gehen, bleibt aber noch einmal stehen. "Und nennen Sie mich Ginger. Ich hasse meinen Vornamen." 
Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss und nach wenigen Schritten verhüllt Dunkelheit ihre Anwesenheit auf dem Parkplatz der Tierklinik. Sie wirft einen Blick zum Himmel. Zwischen dunklen Wolken spikt der Mond hervor. Bald ist Vollmond...
Gwendolin wird schwarz vor Augen.  

Wie Katz und HundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt