Es war Lancelot. Niemand hatte eine so butterweiche Stimmfarbe wie er, die sich übrigens hervorragend dazu eignete, mir zarte Nichtigkeiten ins Ohr zu flüstern. Himmel, wie ich ihn verabscheute!
Ich drehte mich zu ihm um. Manchmal war ich immer noch geschockt von der Ebenmäßigkeit seines Gesichts. Er sah aus wie ein Gemälde, bei dem der Künstler etwas zu großzügig gewesen war.
Lord Salverton trat einen Schritt zurück und verbeugte sich spöttisch. »Verstehe. Dann möchte ich Lucy nicht länger in Beschlag nehmen. Sie gehört ganz Euch.«
Dabei betonte er meinen Spitznamen, als wäre er der Beweis dafür, dass Lancelot und ich uns besser kannten, als die Etiquette es erlaubte. Womit er ja nicht völlig falsch lag.
»Nein«, rief ich hastig, als Salverton Anstalten machte sich zu entfernen. »Es gibt nichts zu bereden. Alles was ich dir zu sagen habe, weißt du bereits. Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben.«
Den letzten Satz sagte ich so nachdrücklich wie möglich, in der Hoffnung, Lancelot würde endlich verstehen, dass ich nur in Ruhe gelassen werden wollte. »Aber wieso nicht?« fragte er verständnislos. »Du wärst eine hinreißende Braut.«
Lord Salverton hob überrascht die Brauen und setzte eine amüsierte Miene auf. »Oh, eine Braut also.«
Lancelot funkelte ihn gereizt an und fragte bissig: »Wärt Ihr so freundlich uns für einen Moment alleine zu lassen?« Diesmal sah der Lord zuerst prüfend zu mir und ich stellte mich demonstrativ näheran seine Seite.
»Er bleibt hier!« erwiderte ich mit fester Stimme. Lancelot sah von mir zu Lord Salverton und wieder zurück.
»So ist das also« meinte er matt und ließ die Schultern hängen wie ein trauriger Schuljunge. »Was? Nein, ist es nicht.« Ich sah kurz zu Salverton auf und rückte dann ein wenig von ihm ab. »Aber ich will eben nicht mit dir alleine sein, ist das so schwer zu verstehen?«
Gerade als Lancelot den Mund aufmachte, um erneut auf mich einzureden, rettete mich ausgerechnet der alte Graf von Worcester. Er schob Lancelot einfach zur Seite und entschuldigte sich beiläufig bei ihm, ohne ihn überhaupt anzusehen. Dann kam er geradewegs auf mich zu und verbeugte sich vor mir. »Lady Lucinda, wie absolut wunderbar Sie hier zu sehen«, sagte er mit bebendem Doppelkinn.
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, seien Sie versichert.«
»Wärt ihr so nett uns mit einer Darbietung am Spinett zu beehren? Sie spielen ganz wunderbar.« Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Stattdessen lächelte ich überschwänglich und reichte ihm erleichtert meinen Arm. »Aber natürlich. Ich habe ein ganz besonders schönes Stück für sie vorbereitet, aus Wien.« Ich warf Lord Salverton einen entschuldigenden Blick zu und ließ Lancelot mit ihm alleine zurück.Das Spinett stand in der Mitte des Raumes, sodass es von überall gut einsehbar war. Als ich mich auf den gepolsterten Hocker setzte und mein Kleid glatt strich, verstummte das Geschnatter der Umstehenden und alle Augen richteten sich auf mich. Ich spielte ganz passabel. Meine Gouvernante hatte sehr viel Zeit darauf verwandt, dass ich meine Finger ordentlich hob und die Handflächen nicht zu flach hielt und das zahlte sich nun aus.
Im Publikum sah ich meine Mutter, die mir ein zufriedenes Lächeln zuwarf und Cecilia, die so tat, als würden ihre Ohren schmerzen. Ein wenig weiter links entdeckte ich Lancelot und den Lord, die konzentriert meiner Darbietung lauschten. Bei der nächsten Passage, die recht kompliziert war, musste ich meine Finger genau betrachten, um mich nicht zu verspielen und als ich wieder aufsah, stand plötzlich Clementia bei den Beiden und redete auf sie ein. Heute trug sie ein rosa farbenes Kleid, mit großen Schleifen, die am Mieder befestigt waren. Es stand ihr erstaunlich gut. Leider.
Beinahe verspielte ich mich, als ich sah, wie meine Freundin auch noch ihren Fächer auspackte und sich dabei lasziv Luft zu wedelte. Was hatte sie denn vor? Wollte sie Lancelot etwa Avancen machen? Kokett spielte sie mit einer der weißen Locken, die ihr auf beiden Seiten über die Schulter fielen und kicherte, als Salverton etwas zu ihr sagte. Um ihn ging es also, nicht um Lancelot. Wie peinlich, vorallem jetzt, da sie nicht nur verheiratet, sondern auch noch Mutter war.
Auf einmal beugte sie sich dicht zu Lord Salverton vor und raunte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der lauthals lachte. Mein Ringfinger drückte aggressiv die C-Taste obwohl an dieser Stelle ein D gespielt wurde und erinnerte mich unsanft daran, dass ich von einer Horde Adliger umringt war, die mich allesamt beobachteten.
Hastig konzentrierte ich mich wieder auf das Musikstück, das ich eigentlich auswendig konnte und versuchte nicht zu oft zu Clementia zu sehen. Es gelang mir nicht. Sie und die beiden Männer schienen sich prächtig zu amüsieren. Sogar Lancelot, der bis eben alles andere als gut gelaunt gewesen war, lächelte breit. Ich spielte die letzten Noten, sehr unsauber und ein wenig zu schnell und erhob mich rasch von meinem Hocker. Die Menge applaudierte, aber ich beachtete sie kaum und versuchte an den Leuten vorbei zu Clementia zu gelangen.
»Ganz wunderbar, meine Liebe, wirklich beeindruckend«, schwärmte der Graf von Worcester, der wie aus dem nichts vor mir aufgetaucht war. »Meine liebe Henrietta hat ebenfalls in jungen Jahren Unterricht erhalten, aber die Harfe hat es ihr wohl mehr angetan, fürchte ich. Und der Gesang natürlich.« Er warf sich stolz in die Brust und ich verkniff mir einen ehrlichen Kommentar.
»Natürlich! Ein wahres Naturtalent«, log ich stattdessen und suchte den Raum nach einem rosanen Kleid ab, aber die Gäste versperrten mir die Sicht. »Singt Ihr auch, Madam?«, fragte der Graf interessiert. Ich winkte schnell ab: »Oh nein. Jedenfalls nicht vor Publikum. Könntet Ihr mich für einen Moment entschuldigen, meine Mutter hat nach mir verlangt.«
»Oh, aber selbstverständlich, richten Sie ihr Grüße aus. Und Ihrer Schwester, sie sieht wie immer ganz bezaubernd aus, wirklich ganz und gar hinreißend!« Ich nickte höflich und machte mich dann aus dem Staub. Hoffentlich würde er mir nicht hinterher sehen und bemerken, dass ich nicht einmal in die Nähe meiner Mutter kam.
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Nicht wundern! Wer sich erinnert: Clementia war eigentlich erst schwanger. Das habe ich aber geändert und jetzt ist sie schon Mutter.Ansonsten hoffe ich, dass es ruch gefallen hat. Schreibt mir doch eure Meinung in die Kommentare! :)
Byeeee!
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Die sterbliche Baronin
FantasyEngland, 1774 Die Londoner Adelsgesellschaft lebt ausgelassen und ohne Sorgen. Mit rauschenden Bällen, prunkvollen Soirees und der neusten Mode aus Frankreich kann man sich leicht die Zeit vertreiben. Lucinda Phillipa Hastings ist Teil dieser Welt...