Kapitel 17 - Ein Vampir stirbt

31 3 4
                                    


Ich schrie vor Schmerz auf, weil sich seine Finger in meine Schulter bohrten. »Greift mich an und sie stirbt!«, rief er bedrohlich. Ich konnte seinen kalten Atem an meinem nackten Hals spüren und wusste, dass seine Reißzähne nur Millimeter von meiner Hauptschlagader entfernt waren. Mr. Meadows und Lord Salverton richteten instinktiv ihre Waffen auf ihn, aber er drückte mich an sich wie ein menschliches Schild. 

»Lasst sie gehen!«, verlangte der Lord, aber er drückte nur noch fester zu, was mir ein schmerzerfülltes Keuchen entlockte. »Das werde ich, wenn Ihr mich gehen lasst.« Die Angst schnürte mir die Kehle zu und ich merkte, wie meine Augen feucht wurden. Nein, nein, ich durfte jetzt nicht weinen! »In Ordnung«, sagte Mr. Meadows und senkte langsam den Degen. Lord Salverton folgte seinem Beispiel, wenn auch widerwillig.

 Der Vampir lockerte den Griff ein wenig. Dann hielt er inne. »O, sieh mal einer an.«

 Dort wo seine Fingernägel meine Haut eingerissen hatten, waren kleine, rote Striche entstanden. Wie in Trance fuhr er darüber und leckte sich dann genüsslich mein Blut von den Fingern. Wenn ich eben noch gedacht hatte, es könne nicht schlimmer kommen, so wurde ich nun eines besseren belehrt. Vorsichtig tastete ich nach meinem Gürtel.

 »Vielleicht warten wir noch einen Moment«, raunte er leise. »Ich bin hungrig.« 

Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte rammte ich ihm meinen Dolch in den Oberschenkel. Er stieß ein animalisches Brüllen aus und schleuderte mich quer durch den Raum. Ich prallte mit voller Wucht gegen die Wand und alle Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Benommen blieb ich liegen und konnte beobachten, wie sich beide auf den Vampir stürzten und Mr. Meadows den Silberpflock tief in seine Brust trieb. 

Er gab keinen Laut von sich. Einen Moment lang geschah überhaupt nichts, dann bildeten sich kleine Risse in seiner Haut. Mit Schrecken musste ich zusehen, wie zuerst sein Kopf zerbröselte und dann auch der Rest seines Körpers zu Staub zerfiel. Dort wo eben noch ein Mann gelegen hatte, war nichts als Asche übrig geblieben. 

Während Mr. Meadows angewidert die verbrannten Überreste vom Pflock wischte, kam Lord Salverton zu mir gelaufen und kniete sich neben mich. »Geht es Euch gut?« Der ehrlich besorgte Ausdruck in seinen Augen war wie Balsam und ich ertappte mich dabei, wie ich mir mehr davon wünschte. »Es geht schon«, sagte ich gepresst, vielleicht ein wenig leidender als nötig gewesen wäre. Erst als ich versuchte mich zu bewegen, merkte ich, dass ich tatsächlich einiges abbekommen hatte. 

Meine Schulter fühlte sich an, als hätte jemand mit einem harten Gegenstand kräftig dagegen geschlagen und mein Knie tat höllisch weh. »Jeremiah ist Arzt«, erklärte er. »Wenn wir Zuhause sind wird er sich dich ansehen.« 

»Nicht nötig. Meine Mutter macht sich Sorgen, wenn ich noch länger weg bleibe.« Es musste sicher schon nach elf sein. Hoffentlich waren meine Eltern längst zu Bett gegangen und würden nicht bemerken, wenn ich lädiert und zerzaust in mein Zimmer schleichen würde. »Unsinn«, sagte der Lord kopfschüttelnd. »So könnt Ihr unmöglich nach Hause gehen. Ich werde Mrs. Clarke bitten, ein Zimmer für sie herzurichten.« Diese Vorstellung war so verlockend, dass ich nicht protestierte. »Na schön, aber morgen früh muss ich umgehend einen Boten losschicken, mit irgendeiner Ausrede, die erklärt, warum ich nicht nach Hause gekommen bin.« Ich überlegte kurz. »Vielleicht ein kranker Kutscher oder ein Reitunfall.« Inzwischen hatte sich auch Mr. Meadows zu uns gesellt und schob vorsichtig den Stoff des Hemds zur Seite, um sich meine Schulter genauer anzusehen. »Ich habe meine Utensilien nicht dabei, aber eine Naht wird ohnehin nicht nötig sein. Das wichtigste ist, dass Ihr euch schont. Könnt Ihr aufstehen?« 

Lord Salverton nahm meinen Arm und half mir mich aufzurichten, aber sobald ich mein Gewicht auf mein rechtes Bein verlagerte, fuhr ein stechender Schmerz durch mein Knie und trieb mir beinahe Tränen in die Augen. Mr. Meadows runzelte besorgt die Stirn und nickte verstehend. »Ich werde voraus laufen und ein Pferd besorgen. Wir treffen uns an dem Brunnen neben der Gerberei, von dort aus reiten wir zur Kutsche. Caleb, kannst du sie tragen?« 

Mir schoss das Blut in den Kopf. Es war kein langer Weg zur Gerberei, nur ein paar Minuten, aber der Gedanke dabei von ihm getragen zu werden machte mich mehr als verlegen. »Natürlich. Wir werden dort sein«, sagte er und Mr. Meadows machte sich auf den Weg. »Darf ich?«, fragte Lord Salverton und als ich nickte (mehr brachte ich nicht zu Stande), legte er einen Arm unter meinen Rücken und den anderen in meine Kniekehlen. Mit einem Ruck hob er mich hoch und drückte mich an seine Brust. Dabei schmerzte meine Schulter und ich sog scharf die Luft ein. »Verzeihung«, meinte er leise. »Schon gut«, erwiderte ich peinlich berührt und überlegte, was ich mit meinen Händen tun sollte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, räusperte er sich. »Ihr könnt Euch an meinem Hals festhalten, wenn Ihr wollt.« Kurz zögerte ich, dann legte ich zaghaft die Arme um ihn. Fühlte sich gut an!


-------

Well, well, well...Lucy ist einfach ein kleiner Glückspilz! Wie hat euch das Kapitel gefallen? Schreibt mir gerne eure Meinung in die Kommentare! 


byeeee


Die sterbliche BaroninWo Geschichten leben. Entdecke jetzt