9. Kapital

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SHE IS CHAOS
AND BEAUTY
INTERTWINE.
A TORNADO OF
ROSES FROM
DIVINE.

In den folgenden Tagen hält Gwendolin Abstand zum Geschehen. Vielmehr bleibt sie am Rand der Bühne und beobachtet. Besonders Gerard behält sie im Auge. Noch ist sie nicht bereit in die Hölle, die in ihrem Kopf herrscht, hinab zu steigen. Noch nicht! Und die Kanima-Sache interessiert sie immer weniger. Was die geheime Beziehung zwischen Scott und Allison angeht, da wird sie sich bestimmt nicht einmischen. Was sie vielmehr interessiert, ist Gerards Rolle in dem ganzen Grauen. Sie kennt seine Aura und seinen Geruch und sie will wissen, wie er mit all dem im Zusammenhang steht.
Vorsichtig pflückt Gwendolin ein übermütiges Kätzchen von ihrem Kopf und setzt es zurück in ihren Käfig. Dr Deaton taucht im Rahmen der Katzentür auf und lächelt leicht.
"Du hast wieder gelauscht!" beschuldigt er sie lächelnd. Gwendolin zuckt leicht die Schultern und krault das Köpfchen eines anderen Katers. Scott und seine Freunde wollen den Kamina aka Jackson heute Nacht in einem Club festsetzen.
"Es interessiert mich nicht wirklich!" gesteht sie murmelnd. Dr Deaton geht leicht vor ihr in die Hocke und sieht sie mit schief gelegtem Kopf an.
"Dich beunruhigt etwas."
Eiskalte Augen begegnen seinem Blick und Gwendolin verzieht leicht den Mund.
"Wenn es nur so einfach wäre..." Sie lächelt schief und lässt sich in der hintersten Ecke des Katzenzimmers nieder. Die Ecke, die sie als ihre eigene bezeichnet. Dr Deaton richtet sich wieder auf.
"Ich glaube sie brauchen dich."
Gwendolin macht es sich lächelnd gemütlich und lässt diesmal zu, dass eines der Kätzchen auf ihren Kopf klettert.
"Das glaube ich nicht." Gwendolin entspannt sich zunehmen und ist kurz davor die Augen zu schließen.
"Ich glaube du irrst!"
Ihre Lider klappen auf. Sie starrt den Tierarzt einige Sekunden wieder mit diesem Blick an, dem keiner lange stand halten kann. Nicht einmal ein Alpha.
"Nein! Vielleicht brauchen sie jemanden und vielleicht glauben sie, dass ich dieser jemand bin. Doch keiner von ihnen kennt mich und glauben Sie mir, Doc, wenn ich sage, dass ich die letzte Person bin, die sie brauchen."
Dr Deaton zuckt leicht die Schultern.
"Wenn du das sagst!"
Gwendolin lächelt leicht und schließt die Augen, umgeben von Katzen. Sie hört die Tür hinter dem Doc ins Schloss fallen.

Kopfschüttelnd reibt Gwendolin sich mit einer Hand das Gesicht und versucht ihre Gedanken zu ordnen.
Das gibt es doch nicht!
Jetzt hält sie sich einmal komplett raus, weil sie besseres zu tun hat und alles geht doch tatsächlich den Bach runter. Der Kanima hat erneut gemordet, Stiles und sein Vater haben ihre eigentliche Spur für den Lenker des Kanimas verloren, Scott ist beinahe gestorben und Allisons Mutter wurde von Derek, bei der Rettung Scotts, gebissen. Hinzu kommt noch, dass der Vollmond vor der Tür steht. Und irgendwas stimmt mit Lydia nicht. Sie verhält sich seit Tagen seltsam.
Heute ist ihr Geburtstag und sie wird die Party des Jahres schmeißen. Aber ohne Gwendolin. Sie wird so weit in die Wälder flüchten, bis sie Ewigkeiten brauchen wird, um zurück in die Stadt zu kommen. Lydia hat sich zum Glück bereit erklärt, ihr ihr Auto zu leihen und deshalb rast Gwendolin im Moment mit hundert Sachen über den Highway von der Stadt weg in die Wildnis.
Es ist soweit.
Während Derek Hale, der beängstigende Werwolf alle Hände mit den Teenagerwerwölfen zu tun haben wird, die ihren ersten Vollmond durchleben werden, wird Scott mit Stiles und Allison auf Lydias Party gehen.
Die Dämmerung setzt ein und Gwendolin lenkt den Wagen von der Straße. Die Ausfahrt führt direkt in die Wildnis, die Straßenschilder sind verwittert und verschwinden schließlich ganz. Auf einem Parkplatz für Wanderer hält sie an. Es muss lange her sein, dass jemand hier gewesen ist. Der Platz ist von Gras überwuchert und nirgend zeichnen sich Spuren der Zivilisation ab.
Perfekt!
Gwendolin steigt aus und sieht in die anbrechende Dunkelheit des Waldes. Ab hier wird sie zu Fuß gehen. Rasch zieht sie ihre Schuhe aus und lässt sie mit Portmonnaie und Schlüssel im Wagen zurück. Dann rennt sie los. Blitzschnell und mit wehenden Haaren sprintet sie in den Wald. Ihre nackten Füße verursachen auf dem laubbedeckten Boden kaum ein Geräusch. Das Gefühl von kaltem Wind auf ihrem Gesicht und dem Geruch der Natur in der Nase geben ihr eine Freude, die sie für verloren geglaubt hat. Zum ersten Mal seit zwei Jahren wird sie nicht von Erinnerungen heim gesucht, die von Dunkelheit und Grauen erfüllt sind. Wie oft ist sie als Kind durch die Wälder gerannt, zusammen mit ihren Geschwistern und hat Fangen gespielt. Oder Verstecken. Sie alle konnten rennen wie wilde Tiere. Selbst Werwölfe konnten sie nicht einholen, selbst wenn sie ihre Kräfte einsetzten. Gwendolin ist lange nicht gelaufen, dass sie beinahe vergessen hat, wie es sich anfühlt.
Jetzt ist das Gefühl nur noch unbeschreiblicher!
Sie rennt immer schneller, die zwei Schwänze winden sich aus ihrem Hosenbund und peitschen hinter ihr her. Pure Wildheit strömt durch ihre Adern und etwas anderes öffnet sich beinahe in ihrem Innern. Ein Schloss öffnet sich, doch die Tür bleibt noch zu.
Sie weiß genau, wann der Vollmond aufgeht.
Ihr Nacken beginnt zu brennen, als würde er in Flammen stehen und sie bleibt ruckartig stehen. Langsam hebt sie den Kopf und erkennt durch die Bäume die silberne, volle Scheibe am Himmel. Animalische Raserei frisst sich durch ihren Körper. Dieses überwältigende Gefühl zwingt sie in die Knie. Mit einem Fauchen, das sie durch zusammen gebissene Zähne ausstößt, rammt sie die Hände auf den Waldboden. Sie spürt Zweige und Steinchen, die sich in ihre Haut graben. Der metallische Geruch von Blut durchdringt die Luft. Ihr Kiefer knackt, als sich ihre Zähne verlängern und spitz werden. Blut rinnt ihr über das Kinn und tropft auf die Blätter unter ihr. Sie hat sich die Lippe aufgebissen. Mit dem brennen ihrer Augen verändert sich ihre Sicht. Ihre Ohren kribbeln, als würden sich tausende von Ameisen unter der Haut bewegen, die zwei Schwänze peitschen unruhig durch die Luft.
Blutgier! Mordlust! Hunger!
Gwendolin schreit verzweifelt auf.
Nein! Das wird sie nicht zulassen! Sie wird nicht wie er werden! Getrieben von einer perversen Gier nach Macht und Tod und Schmerz.
Sie wird nicht töten!
Als hätte jemand ihren verzweifelten Ruf erhört, flackert kurzzeitig ein Bild durch ihren Kopf. An diesem Bild, eine wage Erinnerung, klammert sie sich fest und lässt sie nicht mehr los, egal wie sehr sie zwischen ihren Händen zappelt und ihr die Finger abzuschneiden scheint. Ihr Herz blutet vor Schmerz und Kummer, Tränen strömen ihr über das Gesicht, vermischen sich mit dem Blut ihrer aufgebissenen Lippe und werden zu Tränen des Blutes, bevor sie auf den Waldboden tropfen. Sie klammert sich an diese Emotionen und spürt wie die Raserei in ihr nachlässt. Eine seltsame Ruhe spült über sie hinweg und hüllt sie ein.
Die animalischen Instinkte einer Bestie treten in den Hintergrund und werden von etwas anderem ersetzt.
Katzenhafte Trägheit.
Gwendolin öffnet die Augen. Sie fühlt sich wie eine fette, zufriedene Katze, die gerade den Kanarienvogel gefressen hat. Langsam leckt sie sich über die blutige Lippen und atmet tief durch.
Sie ist bei klarem Verstand, doch dafür benötigt sie keinen Anker. Sie hat eine andere Möglichkeit gefunden, um mit der tierischen Seite ihres Seins zurecht zu kommen.
Mit offenen Armen hat sie das Tier in Empfang genommen und es in ihrem Innern akzeptiert, genau wie den Schmerz und den Kummer.
Eine spontane Entscheidung und es ist die Richtige!
Mit trägen Bewegungen kommt sie wieder auf die Beine und zieht die Luft in die Lungen. Ein paar Kilometer entfernt erschnuppert sie einen Bach. Nach dem Plätschern zu urteilen, das sie mit ihren scharfen Ohren vernimmt, leben Fisch in diesem Teich. Genüsslich langsam leckt sie sich über die Lippen und schmatzt, als könnte sie ihre nasse Beute schon auf der Zunge schmecken.
Seltsam eigentlich kann sie Fisch nicht ausstehen, aber so wie es aussieht, verändert sich in letzter Zeit so einiges.
Ein arschleckender Köter ist sie jedoch nicht.
Nach einem kurzen Blick über die Schulter, belächelt sie die zwei Schwänze.
Sieht so aus, als wäre sie eine zweischwänzige Katze.
Etwas zuckt auf ihrem Kopf und dreht sich in ihrem roten Haar hin und her. Mit der Hand tastet sie danach. Kurz zuckt ein Ausdruck der Überraschung über ihr Gesicht. Dann zuckt sie lässig die Schultern und schlendert in die Richtung, in der sie den Bach ausgemacht hat.
Jetzt hat sie auch ein Paar hübscher Katzenohren, die ihr aus dem Haar wachsen.

Wie Katz und HundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt