Kapitel 5

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„Tristan, was tut Sie hier?"

Ich zuckte zusammen als ich die melodische Stimme hinter mir vernahm.
Leya trat in mein Blickfeld und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Schlagartig fühlte ich mich noch viel unwohler als zuvor schon und zusätzlich schien ich unter ihren missbilligenden Blicken zu schrumpfen.
Ich warf ihr einen Blick zu und wollte mich gerade verabschieden als auch ihr Bruder, Navid hinaus auf den Balkon trat und mich nur wenige Sekunden später entdeckte.

„Prinzessin. Ihr solltet lieber noch im Bett bleiben", sprach er leise ohne seine ernste Miene zu verziehen. Seine Stimme klang beiläufig, als würde es ihm in Wahrheit gar nicht interessieren wo ich nun war und dennoch hatte ich nicht das Gefühl als wäre er mir gegenüber feindselig eingestellt. Es schien mir vielmehr so, als wäre es sein normaler Umgang mit Menschen, so als könne er seine Gefühlsregungen nicht richtig zu Tage bringen.

Er blickte mich durch diese besonderen Augen an und erneut merkte ich wie die Faszination Besitz von mir ergriff. Als mir bewusst wurde, dass ich Navid gerade seit Sekunden anstarrte senkte ich betroffen meinen Blick dem Boden entgegen.

„Mir geht es schon viel besser", erklärte ich leise und wollte mich gerade für meine zu lang anhaltenden Blicke entschuldigen als ich vom lauten Lachen unterbrochen wurde.
„Wollen wir wetten?"
„Mach dich nicht lächerlich Raila du würdest es nicht-"
„Psst Lucian."
Raila, die gerade mit Lucian den Balkon betrat, unterbrach den dunkelhäutigen Mann, indem sie ihm eine Hand auf die Schulter legte, ihre Augen jedoch hatte sie auf mich gerichtet.

Ihr Begleiter schenkte ihr einen verwirrten Blick und hob fragend eine Augenbraue in die Höhe bevor er mich schließlich ebenfalls bemerkte. Sofort verfinsterte sich Lucians Blick und augenblicklich schien die Stimmung zu kippen. Tristan und Gideon stoppten in Ihrer Rauferei, Leya schien sich minimal zu verspannen und Navid trat einen Schritt nach vorn, womit er mich zur Hälfte vor Lucians Blicken abschirmte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit und abwehrend setzte ich meinen linken Fuß einen Schritt nach hinten, nahm instinktiv eine leichte Verteidigungshaltung an.

„Komm schon Lucian", flüsterte Raila und trat einen Schritt auf ihn zu. Sie hatte ein krampfhaftes Lächeln aufgesetzt und legte ihm abermals die Hand auf die Schulter, doch ihre Körperhaltung verriet wie nervös sie war. Der Angesprochene zitterte und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, wobei sich die Adern an seinem Unterarm deutlich abzeichneten. Mein Blick fiel auf seinen Arm und gleichzeitig auf die vernarbte Haut.

„Du bringst sie mit hierher?!", fauchte Lucian nun in Tristans Richtung.
„He, beruhige dich, sie ist wirklich nicht so wie wir immer dachten."

Abwehrend hob Tristan die Hände in die Luft, versuchte Lucian somit zu zeigen, das er nicht sein Feind war, doch dieser achtete nicht auf Tristans Worte und ging nun mit schnellen Schritten auf den braunhaarigen zu. Tristan stockte der Atem, einige beschwichtigende Worte verließen seine Lippen doch packte Lucian ihm Sekunden später am Kragen seines Hemdes und stieß ihn mit dem Rücken gegen den Steintisch.

Die körperliche Überlegenheit des dunkelhäutigen war nicht schwer zu übersehen, eben so wenig wie seine rasende Wut. Ehe die anderen Reagieren konnten hatte Lucian ausgeholt und schlug Tristan seine Faust ins Gesicht .
„Lucian!", schrie Gideon und versuchte ihm von Tristan weg zu zerren, was ihm erst mit Navids Hilfe gelang.

„Beruhige dich verdammt nochmal!"
Der rothaarige schubste Lucian von Tristan weg und baute sich zu seiner Vollen Größe auf, womit er zwar immer noch nicht so groß war wie Lucian, jedoch deutlich gefährlicher wirkte als vorher.
„Verdammt reiß dich zusammen!"
Lucians Augen loderten vor Zorn und plötzlich wandte er seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.
Erst in diesen Moment merkte ich, dass ich meine Verteidigungshaltung aufgegeben hatte und ich mich nun voller Angst an die Mauer hinter mir drückte.
Meine Augen hatte ich weit aufgerissen und erst, als die erste Träne über meine Wange lief, erkannte ich den Schock, der tief in meiner Brust saß. Ich versuchte nicht mal die darauffolgenden Tränen zu verbergen und so stand ich einfach nur da und weinte lautlos mit weit aufgerissenen Augen, während Tristan sich am Tisch festhielt und sich das Blut von der Lippe wischte.

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