Reaktionen auf meine Diagnose

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„Warum kommst du nicht mit auf diese Party?“, „Wieso sagst du schon wieder ab?“, „Warum trinkst du keinen Alkohol?“, „Du bist 18 und hast keinen Führerschein?“- Solche und noch viel mehr Fragen, welche mir immer häufiger gestellt werden. Ich komme nicht mit auf die Party, weil mir die Musik dort zu laut ist mit meinen Kopfschmerzen. Ich sage schon wieder ab, weil es mir unerwartet plötzlich schlechter geht. Ich trinke keinen Alkohol, weil ich es nicht darf. Ich habe keinen Führerschein, weil ich es aus gesundheitlichen Gründen nicht geht/darf. Und dann folgen wieder neue Fragen. „Warum hast du denn solche Kopfschmerzen?“, „Wieso geht es dir schlecht?“, „Warum darfst du keinen Alkohol trinken?“ und „Wieso darfst du keinen Führerschein machen? Was hast du denn?“

Die meisten Leute, die mir solche Fragen stellen, wissen nicht mal ansatzweise was ich habe. Meistens werde ich solche Fragen gefragt, in Situationen in denen alle gute Laune haben. Wenn ich dann sage „Weil ich einen Hirntumor habe“ und danach lächel reagieren alle immer gleich. Ich weiß schon bevor ich es ausgesprochen habe, wie alle gleich reagieren werden. Alle gucken geschockt, die Stimmung ist komplett weg und dann kommen nur noch geschockte Fragen wie „Als wenn? Ist er denn gutartig??“, „Ehrlich jetzt?“ oder (Das ist mein absoluter Favorit) „Du sagst das einfach mal eben so, als wäre das nichts großes“

Ja, ich habe einen Hirntumor. Ja, er ist gutartig. Ja, ich darf trotzdem noch rumlaufen und glücklich sein. Ja, man gewöhnt sich an die Einschränkungen. Ja, ich lebe und bin am lachen obwohl da etwas wächst, was dort nichts zu suchen hat. Ja, ich rede so als wäre es nichts großes. Denn, es ist nicht großes. Es sind schließlich nur ein paar Millimeter.

Nein, es macht mir nichts aus, offen und ehrlich darüber zu reden. Nein, ich möchte kein Mitleid. Nein, ich muss nicht nur Medikamente nehmen. Nein, ich muss nicht nur Zu Hause bleiben und im Bett liegen. Und, nein, ich bin nicht immer gut gelaunt.

Ich habe auch ein Recht darauf mein Leben zu leben. Und genau das tu´ ich. Für mich ist das ganze kein Thema, worüber man nicht offen drüber reden kann. Ich beantworte jede Frage, welche mir gestellt wird. Dieses Thema ist nichts, worüber man nicht reden könnte. Ich bin schwerkrank, aber nicht tot. Ich lebe mein Leben genau wie ihr, nur mit ein paar unterschieden. Während ihr euch betrinkt, trinke ich mein Glas Wasser. Während andere von euch ihre Zukunft planen, kann ich nur die Gegenwart planen. Während ihr zur Schule, Ausbildung oder zur Arbeit geht, bleibe ich im Bett liegen und wünschte, ich könnte zur Schule. Während ihr euch unter Freunden verabredet, habe ich Verabredungen mit meinen Ärzten. Während die meisten von euch mit 18 ihren Führerschein haben und Auto fahren können, fahre ich mit meinem Bobbycar durch die Gegend. Ich könnte jetzt rumheulen, und sagen wie scheiße ich das alles finde. Denn, das ist es. Es ist scheiße, dass ich so vieles nicht kann und darf. Aber, noch viel beschissener wäre es, wenn ich mir darum die ganze Zeit Gedanken machen würde. Ja, ich darf und kann so vieles nicht. Aber, das ist nicht schlimm. Man gewöhnt sich dran und abgesehen davon, habe ich nur dieses eine einzige Leben und ich möchte nicht später sagen „Scheiße, ich habe zu viel Zeit damit verbracht rum zu heulen, über die Dinge die ich nicht darf“ Ich kann keine laute Musik hören, aber ich bin froh, dass ich überhaupt welche hören kann. Ich darf keinen Alkohol, aber Wasser. Und es gibt Menschen, die alles für ein Glas Wasser tun würden. Ich habe Tage an denen es mir richtig scheiße geht. Aber, ich habe auch Tage, an denen es mir richtig gut geht. Glück ist reine Ansichtssache. Und ich bin glücklich.
O

ffensichtlich bin ich aber die einzige in meinem Umfeld, welche dieses Thema SO locker nimmt. Freunde, Familie, Mitschüler, Lehrer, Ärzte und auch zum Teil fremde Personen erwähnen immer, wie bewundernswert  sie mich finden. Für meine Art, damit umzugehen. Meine Oma sagte letztens zu mir „Es gibt eine Sache, für die ich dich schon seit Jahren bewundere. Egal wie scheiße es dir geht, du kannst immer noch lachen und selbst doofe Witze bringen. Das kann ich nicht. Und das könnte ich in deiner Situation glaube ich auch nicht“ – Das war krass, das von meiner Oma zu hören… Ich wusste nie, dass sie so denkt. Aber, wenn ich mal so darüber nachdenke, dann hat sie recht. Ich bin total locker, offen, lache immer und bin ganz neutral und positiv was dieses Thema angeht. Und, wenn ich meine Reaktionen und mich selbst mit den Reaktionen von den anderen vergleiche, dann bin ich diejenige, die es am besten aufnimmt und die, die damit am besten umgeht. Eigentlich doch total bescheuert. Ich muss für mich stark sein, gleichzeitig aber auch für alle anderen, da es kein anderer sein kann. Zu sehr sind alle anderen damit beschäftigt sich sorgen um mich zu machen. Hört auf, euch Sorgen zu machen. Hört auf, mir euer Mitleid zu schenken. Hört auf, euch den Kopf darüber zu zerbrechen, was noch alles passieren könnte. Hört auf, euch zu fragen, ob ich die richtigen Entscheidungen treffe. Ich weiß schon, was ich tue. Ich lebe mein Leben so wie ich es für richtig halte. Ich bin glücklich und möchte leben. Mir egal, ob mit Tumor oder ohne. Ich lebe. Und nichts daran, wird sich je ändern. (Außer der Tot) 

Mein Leben mit einem Dachschaden Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt