Kapitel 12

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Kapitel 12

Miray hatte durchaus aus ihrem letzten Kampf mit Christopher ihre Lehren gezogen. Seine Angriffe waren immer zielgenau und daraus las sie seine Schwachstelle ab. Sie brauchte keine ganze Schutzmauer errichten, sondern sich nur auf die Orte konzentrieren, die Christopher anzugreifen versuchte. Mal gelang es ihr, mal nicht.

Es dauerte eine Weile, bis sie den Dreh raus hatte. Seine Körperhaltung verriet ihr, wie er sie attackieren wollte. Die Jahre voller Kampf hatten ihr Bewusstsein für solche Situationen geschärft. Es fiel ihr immer leichter Christopher gegen ihre Schutzmauer rennen zu lassen. Er verlor durch seine fokussierten Angriffe immer mehr Kraft. Auch Miray fühlte Erschöpfung, sah sich aber dennoch im Vorteil.

‚Ich muss versuchen ihn auch anzugreifen...irgendwie...', dachte sie bei sich. Dann tat sich eine Lücke in seinen Bewegungen auf.

Christopher war wesentlich langsamer geworden. Mit einem Grinsen nutzte sie die Chance und tat das, was sie am besten konnte. Sie überraschte ihn und sprang nach vorne, blieb in der Hocke um ihm dann wieder das Bein weg zu treten.

Dieses Mal war Christopher allerdings darauf vorbereitet. Er rollte sich elegant zur Seite weg und grinste sie an. Auch er hatte gelernt.

Schwer keuchend standen beide wieder auf und starrten sich an, bis sich auf beiden Gesichtern ein Lächeln abzeichnete.

„Du bist...gut geworden...", gab er von sich. Es ärgerte ihn zwar, aber die Anerkennung musste er ihr zugestehen. Sie hatte schnell gelernt.

„Und du bist ziemlich aufnahmefähig. Allerdings hast du etwas übersehen...", antwortete Miray und startete wieder einen Angriff. Dieses Mal einen geistigen. Sie wusste inzwischen, dass sie sich nicht auf Wut konzentrieren durfte, sie musste sich auf sich selbst konzentrieren.

Ihre Augen nahmen einen hellen Schimmer an, bis sie für einen Moment tatsächlich in Gold getaucht waren. Sie schoss ihren Angriff ab. Sie hatte keine Ahnung, was für eine Wirkung er haben würde. Sie wollte ihn einfach nur treffen.

Christopher ging auf die Knie und hielt sich die linke Schulter. Ihr Angriff war dieses Mal wirklich überraschend und stark gekommen, dass er sich nicht rechtzeitig wehren konnte. Ihre Energie hatte seine Schulter mit einer Leichtigkeit durchstoßen, die er nicht für möglich gehalten hatte. Als er seine Hand kurz wegnahm konnte er einen kleinen Fleck Blut darauf erkennen.

So stark war sie bereits, ohne es zu wissen. Den Körper bei einem geistigen Kampf zu verletzen war eine Fähigkeit, die sie alle erst noch erlernen würden. Dieses Weib beherrschte es schon. Sein Stolz war sichtlich angekratzt, neben seiner Schulter.

Gerade wollte er wieder auf sie losgehen, da schritt Malik dazwischen.

„Ich glaube das reicht bis hierhin. Ihr seid beide erschöpft und verletzt. Geh lieber zu Nadia und lass dir von ihr helfen", sprach Malik an Christopher gewandt und drehte sich dann zu Miray um.

„Dich bringe ich wohl besser nach Hause."

Er legte eine Hand auf ihre Schulter und lächelte, warm.

„Du bist wirklich verdammt stark. Hätte ich nicht gedacht. Daran musst du unbedingt weiterarbeiten." Malik zog sie näher an sich heran, ihre Körper berührten sich.

„Bis später Christopher", flötete er, ohne sich noch einmal zu seinem Freund umzudrehen. Dann legte er seinen Arm ganz um ihre Schulter und verließ mit ihr den Salon, das Anwesen, das Grundstück.

Christopher starrte den beiden hinterher.

„Gottverdammt...!", knurrte er zu sich selbst.

Vorsichtig richtete er sich wieder auf und zog sein T-Shirt aus. Hervor kam ein durchtrainierter Oberkörper mit einem Schnitt auf der linken Schulter. Er begutachtete ihn und beschloss dann, dass Nadias Hilfe nicht von Nöten sei.

Wanderer - Dreamcatcher ✔ WattyWinner 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt