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Miltons Lachen ist wunderbar. Es ist so schön wie sein Lächeln. Sanft und auflockernd zugleich, total unverkrampft. Am schönsten ist es wenn wir zusammen lachen. Dann habe ich dieses Gefühl von Glück.

"Hier, schau mal", sagt er und legt mir ein weiteres Foto vor. Wir sitzen noch immer auf seinem Bett und schauen uns alte Bilder an. Es wirkt auf mich so surreal, dass ich ihn erst heute Morgen kennengelernt habe. Zum zweiten Mal in meinem Leben.

Ich betrachte neugierig das Foto. Es zeigt eine wunderschöne Aussicht. Ich erkenne ein idyllisches Tal, blauen Himmel und ehrfürchtige Berggipfel. "Das wurde in der Schweiz aufgenommen....am Tag deines...Sturzes." Seine Stimme wird leise. Er hatte mir alles erklärt. Wie unsere Familien den Sommerurlaub geplant hatten, die Wanderung auf den höchsten Berg im Tal, der marode Klettersteig...Ich weiß alles-und doch kam mir nicht die kleinste Erinnerung. Alles weg. Was sonst. Bisher hatte ich, nachdem Milton mir Fotos zeigte immer irgendetwas gespürt. Als würde sich nach und nach ein Puzzle in meinem Kopf zusammenfügen. Aber jetzt...es war einfach nur ein hübsches Bild, ohne Verbindung zu mir. Ich seufze. Ich hatte Hoffnung gehabt, so daran geglaubt, dass wenn ich Dinge aus meiner Vergangenheit sehen würde, ich vielleicht wieder normal sein kann-Lächerlich! Ich schnaube verächtlich. Es war lächerlich gewesen sich einzubilden, es würde klick machen und alles wäre wieder normal. Ich komme mir vor wie ein kleines, naives Kind. Sanft legt Milton seinen Arm um meine Schultern. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich wieder begonnen habe zu weinen. Verdammt! Ich hatte mir doch geschworen nicht mehr zu heulen, wie seelisch instabil bin ich eigentlich?

Plötzlich piept Miltons Handy und reißt mich aus meinem Kummer. "Oh es ist eine...SMS..." Eine ziemlich offensichtliche Feststellung. Er starrt eine Zeit lang wie paralysiert auf das Telefon. "Was ist?", frage ich neugierig und versuche einen Blick auf das Display zu erhaschen, doch Milton zieht es hastig weg. "Wir...lass uns gehen" "Aber wohin?" Ich bin verwirrt. "Und warum? Ich verstehe dich nicht!" Milton sieht mir tief in die Augen. Ich merke wie er wieder versucht sich mit seinem unwiderstehlichen Lächeln in meine Seele einzuschleichen. "Jola", sagt er und es schwingt ein mitleidiger Ton in seiner Stimme mit. "Du verstehst im Moment überhaupt nichts, wie auch?" Ich verkrampfe mich unmerklich und balle meine Hände zu Fäusten. Er behandelt mich schon wieder wie ein kleines, unwissendes Baby. Aber ich sage vorsichtshalber nichts, hinterher breche ich wieder in Tränen aus. Ich schaue ihm nur wütend nach, als er seufzend vom Bett aufsteht und sich seine Jacke anzieht. "Komm", sagt er missmutig. Was ist nur plötzlich mit ihm los? Irgendwie scheint ihn etwas komplett aus der Bahn geworfen zu haben. Etwas dass er mir verheimlicht. Etwas dass er als Bedrohung ansieht. Etwas aus meiner Vergangenheit.

Herbstnebel-Meine ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt