Am nächsten Tag nahm ich mir den Nachmittag Zeit und fuhr zurück in die Stadt. Ich trug normale Kleidung, ein dunkles Top, darüber eine Jacke, Jeans und Boots, das Auto parkte ich zwei Querstraßen von meinem Ziel entfernt. Meine Uhr und mein Diensthandy ließ ich im Wagen, dann schlenderte ich die Straßen entlang und ließ mich mit der Masse treiben, meine Hände tief in den Taschen meiner Jacke vergraben. Nachdem ich die zwei Straßen gelaufen war, bog ich in ein kleines Café es. Es war nicht wirklich gut besucht, eher war das Gegenteil der Fall aber das sollte mich nicht stören. Je weniger Ohren, desto besser. Ich blickte mich um und erkannte in an einem Tisch sitzen, ein Glas Wasser vor sich und den Blick auf eine Zeitung gerichtet. Ich ließ mich auf dem Stuhl ihm gegenüber nieder. Sofort sah er auf und musterte mich mit seinen braunen Augen, eh er leicht lächelte.
"Wie geht es dir, Kleines?", fragte er mit gedämpfter Stimme.
"Es ist kein einfacher Job", antwortete ich und griff nach seiner Hand. Sanft drückte er sie für einen Moment. "Besonders mit der momentanen Situation."
"Dann habe ich etwas, dass dich aufmuntern wird", er blickte sich prüfend um, eh er etwas aus seiner Tasche zog und mir über den Tisch hinweg zu schob. Es war ein dünnes Buch im einem roten Ledereinband. Auf dem Cover war ein schwarzer Stern eingestanzt. Meine Finger fuhren staunend darüber. Das kühle Leder schmeichelte meinen Fingerkuppen und ich bildete mir ein, dass es eine frostige Kälte ausstrahlte.
"Ist das...?", fragte ich atemlos.
"Genau das ist es", er lächelte etwas breiter und musterte mich genau.
"Wow", murmelte ich und schlug es auf. Die Worte darin waren mir der Hand geschrieben und doch waren sie noch immer gut zu erkennen. Das meiste war in russisch verfasst. "Zhelaniye, semnadtsat, rzhaviy...was bedeutet das alles?"
"Das ist unwichtig aber es wird ihn aktivieren", er beugte sich zu mir vor. "Er wird zu dem werden, was wir benötigen, der Keil, der sie auseinander treibt, der Grund warum sie sich umbringen wollten."
"Schön und gut aber das ist doch vermutlich nicht genug, dass sie sich gegenseitig umbringen", ich blätterte weiter in dem Buch.
"Nein, das wird die Aufzeichnung vom 16. Dezember 1991 erledigen", seine Augen leuchteten. "Der Tag, an dem Sargent James Buchanan Barnes, bekannt als der „Winter Soldier" Howard und Maria Stark getötet hat." Am Tisch herrschte Stille. Diese Stille nutzte eine Kellnerin um an unseren Tisch zu kommen. Schnell schob ich das rote Büchlein unter die Zeitung.
"Kann ich ihnen etwas bringen, Miss?", fragte sie lächelnd und blickte zwischen ihm und mir hin und her.
"Einen Cappuccino, bitte", ich lächelte, als würde ich gerade nicht einen, mehr oder weniger, kriminellen Plan ausarbeiten. Sie nickte und ging wieder. Ich blickte zu dem Mann mir gegenüber. "Also, was weißt du über diese Nacht?"
"Einfach alles aber am wichtigsten ist das, was Howard und Maria transportiert hatten", er blickte mich ernst an. "Hydra hat fünf weitere Winter Soldier erschaffen und sie in Sibirien versteckt. Damit werden wir sie Ködern."
"Wir werden die aber hoffentlich nicht auch noch aktivieren", meinte ich und runzelte die Stirn.
"Nein", er schüttelte amüsiert den Kopf. "Wir werden sie töten." Ich nickte.
"Okay, soweit verstehe ich den Plan", ich musterte ihn. Er ging in diesem Plan völlig auf, seine, unsere, Rache war zum Greifen nah. Er hatte auf diesen Moment hin gearbeitet, ich hatte dafür trainiert, hatte mein normales Leben hinter mir gelassen. "Wie locken wir ihn aus seinem Versteck?"
"Das werden wir nicht, wir werden so tun, als wäre er selbst aus seinem Versteck gekrochen, dann werden wir warten, bis die Behörden ihn schnappen", er schwieg, als mir der Kaffee serviert wurde.
"Aber wie willst du das anstellen?", fragte ich.
"Weswegen hast du mich hierher gerufen?", entgegnete er.
"Du wolltest wissen, wenn etwas passiert", ich zuckte mit den Achseln. "Nach der Krise in Lagos hat die UN ein Abkommen aufgesetzt, welches die Handlungsfreiheit der Gruppe einschränkt. Es wird in zwei Tagen in Wien unterschrieben."
"Das ist perfekt", grinste er. "Oh, Sadie, das ist mehr als perfekt."
"Na dann lohnt sich zumindest der ganze Aufwand", murmelte ich. "Aber was genau versetzt dich in solche Begeisterung?"
"James Buchanan Barnes wird einen Anschlag auf das UN-Gebäude in Wien verüben und mit James Buchanan Barnes da meine ich mich unter einer Maske", ich blieb sprachlos.
"Nein", entgegnete ich entschieden. "Nein, das kannst du nicht tun."
"Es muss sein, Kleines", er sah mich ernst an.
"Nein! Es muss nicht sein", zischte ich wütend. "Was unterscheidet uns denn dann von denen? Wie können wir sagen, dass es in Ordnung ist, was wir tun, wenn wir selbst unschuldige Menschen töten?" Ich fuhr mir durch die Haare. "Können wir nicht ein wichtiges aber leeres Gebäude hoch jagen?"
"Nein, Sadie, das UN-Gebäude ist perfekt", er lehnte sich nach vorne und griff wieder meine Hand. "Es wird die Menschen in ihrer Angst bestätigen und Captain Rogers zwingen seinen Freund beschützen zu wollen. Wien ist perfekt."
"Das kann ich nicht und ich will es auch nicht", ich entzog ihm meine Hand und lehnte mich nach hinten.
"Sadie, Kleines", er seufzte und blickte mich ernst und verletzlich an. "Ich brauche dich Sadie, nicht, weil ich den Plan ohne dich nicht schaffe, sondern, weil es sich ohne dich nicht richtig anfühlen würde. Du bist die letzte Person, die mir geblieben ist." Ich erkannte wie viel Last auf seinen Schultern ruhte, ich erkannte dass seine Zeit in der Army und die Katastrophe ihn hatten altern lassen. Trotzdem verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Gut, lass uns einen Kompromiss schließen. Ich werde die Bombe so platzieren, dass niemand getötet wird, im besten Fall und im schlimmsten Fall ein Minimum an Schaden verursacht wird. Bitte." Ich musterte ihn und dachte nach. Im Endeffekt hatte ich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich warf dieses Jahr und alle Vorbereitungen über den Haufen, behielt den Job und ließ meinen Boss und alle seine Freunde in ihren Untergang laufen oder aber ich hielt mit meinem letzten Familienmitglied zusammen und folgte dem Trieb in mir der laut nach Rache schrie, der Albträume von den Vorkommnissen im Sokovia bekam, der sich stundenlang ein Video ansah, dass man mir zu meinem letzten Geburtstag geschickt hatte, als ich nicht nach Hause reisen konnte, weil ich mitten im Studium war. Meine Stiefmutter hatte mir trotzdem einen Kuchen gebacken und ihn auf den Tisch gestellt. Es war ein einfacher Käsekuchen gewesen, wie ich ihn am liebsten aß, mit Kerzen und allen drum und dran. Im Hintergrund hatte sie Luftballons aufgehängt. Sie hatte mir ein Geburtstagslied gesungen, zusammen mit meinem Halbbruder Carl, meinem Großvater und meinem Vater. Er hatte sich einen Tag von seinem Militärdienst frei genommen und war nach Hause gefahren. Damals sah er jünger und glücklicher aus. Ich seufzte und rang mit mir selbst. Wenn ich ehrlich zu mir war, dann brauchte ich diese Rache. Ich musste sie fühlen lassen, was ich gefühlt hatte. Sie sollten genauso leiden, wie ich es tat, sich machtlos fühlen trotz all ihrer Kraft, sie sollen wissen, dass sie in dieser Geschichte nicht die Guten sein können.
"Also gut", gab ich dann nach und sah ihn an. "Also gut, ich bleibe dabei." Ich fuhr mir durch die dunklen Haare und blickte ihn an. So wirklich überzeugt war ich trotzdem noch nicht. Ich fühlte mich völlig zerrissen. "Für Carl und Großvater und für Andrea."
"Danke, Sadie", er lächelte und nickte mir zu. "Ich kann dir nicht sagen, wie viel mir das bedeutet." Wir sprachen noch einen Moment über beiläufige Dinge und kleine Details. Irgendwann fiel mein Blick erst auf die Uhr an der Wand und dann aus dem Fenster.
"Es ist schon dunkel, ich sollte zurück", seufzte ich. "Ich fahre fast eine Stunde bis zur Basis."
"Ja, ja natürlich", ihm fiel es nicht leicht, wenn ich von meinem Job bei Stark sprach. Als wir den Plan, mich einzuschleusen entwickelt hatten, da hatte er Bedenken geäußert, dass ich den Zielen zu nah kommen könnte. Mein Großvater hätte das mit einem Hasen verglichen. Sobald ein Kind die Chance hat den Hasen zu streicheln und ihm einen Namen zu geben, wird es bitterlich weinen und sich weigern den Hasen als Weihnachtsbraten zu akzeptieren. Es würde für mich kein Problem werden. Ich hatte den Hasen nicht gestreichelt und auch keinen Namen gegeben. Niemandem war ich näher gekommen, als ich unbedingt musste. Vielleicht hatte ich etwas Mitleid mit Wanda, weil sie ein Kind war und weil sie in Sokovia ebenfalls jemanden verloren hatte. Ich legte das Geld auf den Tisch und ging mit ihm zur Tür. "Wenn wir uns das nächste Mal sehen, Sadie, dann reisen wir zusammen nach Sibirien." Er griff meine Hände. "Pass bitte auf dich auf."
"Natürlich", er zog mich in seine Arme. Ich seufzte leise, als ich die Umarmung erwiderte und vergrub mein Gesicht in seinem Pullover. "Pass auch auf dich auf, Papa." Für einen Moment war ich nicht in einem winzigen Café in New York sondern in unserem Haus in Sokovia, umgeben von meiner Familie. "Wenn das vorbei ist, dann kaufe ich von meinem Restgehalt eine Farm, irgendwo, weit weg von hier und wir werden das alles hier vergessen."
"Ja, das wird sicher schön", flüsterte er.Als ich zurück in die Basis kam, war es bereits spät und ich fühlte mich ziemlich zermürbt. Mein Gewissen ließ mich schlechtweg nicht los. Mein Vater war vielleicht ein trainierter Soldat, viel mehr noch, er war ein trainierter Mörder. Ihm bedeuteten Kollateralschäden nichts. Ich dagegen war einfach nur eine Studentin, die in ein paar Jahren versucht hatte sich der Rolle einer Soldatin anzupassen aber ich war nicht gewissenlos. Ich wollte Rache, jeden Tag motivierte ich mich mit dem Gedanken an sie zum Aufstehen aber ich wollte Rache an Schuldigen und nicht wild um mich schlagen und alles zerstören was mir in den Weg kam.
Ich schloss seufzend die Tür der Basis und erwartete eigentlich, den Raum ruhig und verlassen vor zu finden, stattdessen erkannte ich im Wohnzimmer Licht brennen. Verwundert runzelte ich die Stirn und folgte dem Gang ins Wohnzimmer. Der Raum war leer. Das Licht war sicher nicht aus Versehen angelassen wurden, Friday würde es abschalten sobald alle den Raum verlassen hatten.
„Hallo?", fragte ich in den Raum hinein.
„Sadie", Sam tauchte hinter dem Sofa auf und wirkte fast so überrascht wie ich.
„Ich weiß ja, dass ich in diesem Haus nichts hinterfragen sollte aber was tust du hinter dem Sofa?", fragte ich und zog eine Augenbraue nach oben.
„Ich suche meinen Reisepass, er muss irgendwo hier liegen und ich brauche ihn dringend", meinte er und kratzte sich verlegen am Nacken.
„Was macht dein Reisepass unter dem Sofa?", fragend verschränkte ich die Arme vor der Brust.
„Ich weiß nicht ob er unter dem Sofa liegt aber er lag im Wohnzimmer", frustriert seufzte er. „Steve bringt mich um, wenn wir nicht bald los kommen."
„Und wo genau wollt ihr hin?", ich lehnte mich in den Türrahmen.
„Nach London. Eine alte Freundin von ihm aus seiner Zeit ist heute verstorben", er blickte sich noch immer suchend um. Mich wunderte es nicht, dass er hier nichts fand. Die meiste Zeit sah das Wohnzimmer aus wie ein verdammter Saustall. Da fiel mir ein...
„Ich hab deinen Pass gesehen", meinte ich dann. „Also, ich wusste nicht, dass es dein Pass ist aber ich habe ihn sicherheitshalber mal an einen Ort geräumt wo man ihn findet." Ich lief zu einem Sideboard und zog eine Schublade auf. Daraus holte ich einen Pass und klappte ihn auf. „Schönes Foto." Ich grinste, als ich ihm den Pass reichte.
„Ich hatte nur noch das, als ich ihn erneuern musste", verteidigte er sich. „Danke." Sein Blick glitt für einen Moment musternd über mich. „Wo kommst du um diese Uhrzeit eigentlich her? Du siehst ziemlich fertig aus." Leise seufzte ich und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
„Ich habe einen alten Bekannten getroffen und der hat mir ziemlich zu denken gegeben", erklärte ich ausweichend. „Ich sollte mich besser hin legen."
„Das klingt sehr vernünftig", nickte er und lächelte mich aufmunternd an. Ich nickte. „Ich muss dann weiter meine Sachen zusammen suchen, also...schlaf gut und mach dir nicht zu viele Gedanken. Sicher findest du die richtige Entscheidung."
„Ich hoffe es", nickte ich. „Danke Sam. Richte Steve mein Beileid aus." Er nickte. Wir tauschten noch einen kurzen Blick, lächelten uns aufmunternd zu, bevor ich mich in mein Zimmer zurück zog und mich seufzend auf mein Bett fallen ließ.------
Teilt mir gerne mit, was ihr von den Kapiteln denkt, ich freue mich über jegliches Feedback :)
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Spy // "Avengers"-Fanfiction
Fanfic"Warum hast du dann nicht versucht ihn von diesem Plan abzubringen?", entgegnete er. "Er hat seine erste Frau verloren, seine Zweite auch und seinen Sohn und er konnte nichts dagegen tun", ich blickte ihn starr an. "Hast du eine Ahnung, wie sich da...