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Der Wind streift durch die Bäume, ich schließe die Augen und genieße das kühlende Gefühl. In der Tempelanlage sind sicher vierzig Grad, die Mittagssonne scheint gnadenlos auf uns herab.
Die anderen drei Studenten untersuchen gewissenhaft Inschriften, Statuen und Bodenmosaike. Sie notieren seitenweise Beobachtungen. Ich blicke auf mein Klemmbrett und das leere Blatt.
Als mein Professor über meine Schulter schaut räuspere ich mich. Schnell beuge ich mich über die Tonscherbe die ich gerade im Sand ausgemacht hatte. Ich skizziere sie, dass gibt mir Gelegenheit das Blatt vor ihm zu verbergen.
"Also Cassandra. Was hälst du von deinem Objekt?" Er klingt amüsiert. Ich pinsele den Sand von der Scherbe- um festzustellen das es der Überrest eines schlechten Souveniers ist. Professor Kadún lacht und erregt so die Aufmerksamkeit der anderen. Mir schießt die Schamesröte ins Gesicht und ich schmeiße die kaputte Eselsfigur in den Müll.
Was für eine Ironie denke ich und lache über mich selbst. Ein Esel für einen Esel. Dabei habe ich überhaupt nichts zu lachen. Ich bin durch die Prüfungen gefallen und wenn ich diese Feldstudie auch noch in den Sand setze ist dieses Studium, von Anfang an zum Scheitern verurteilt, entgültig vorbei. Kira muss meinen Gedanken gefolgt sein. "Cassandra wenn du fertig mit Saubermachen bist würdest du dann anfangen zu arbeiten?" Sie klimperte mit den falschen Wimpern. Warum war auch gerade sie in meiner Gruppe.
Taylor sah mich mitfühlend an. Ich ging zu ihm hinüber und starrte auf sein Blatt. "Cassy wir sollen anhand der Fundstücke vermuten welchen Zweck dieses Gebäude in der Antike hatte.", zitiert er die Aufgabenstellung. Ich danke im stumm mit einem Nicken.
"Wo warst du eigentlich als der Professor es erklärt hat?" Ich weiche ihm aus, sage ihm ich würde es ihm später erklären. Er findet sich damit ab und wendet sich wieder seinen Aufgaben zu.
Also... ich drehe mich im Kreis. Die Säulen, die den Raum umgeben sind hoch. Das spricht gegen ein Wohnhaus. Nicht gegen eine Villa. Die Statuen und das Wasserbecken, dass mittlerweile trocken liegt, mussten einmal prachtvoll gewesen sein. Ich sehe mir die Statuen näher an. Sie zeigen die Künste, dargestellt durch Frauen: Literatur, Musik, Tanz. Eine trägt eine Schriftrolle, die andere eine Leier und die letzte hält die Hände in einer grazilen Pose zum Himmel. Die männlichen Figuren entlang der Säulenreihe sind Sportler. Eine Schule vielleicht? Ich fühle mich überfordert. Als wir unsere Ergebnisse vortragen sollen, übernimmt Kira das Reden. Sie schmeichelt dem Professor und unsere Gruppe wird über alle anderen gelobt. Mit dem Gefühl nutzlos zu sein, habe ich mich lange abgefunden. Doch der Abend rückt näher.
Die anderen fahren in die Stadt um zu feiern, mein Professor verschwindet mit einer von den einheimischen Historikerinnen. Ich bleibe allein im Camp zurück um zu Ende zu bringen, was ich heute Morgen begonnen hatte. In der Dunkelheit ist der Tempel schöner. Es hat etwas Mystisches das mich inne halten lässt. Der Mond lässt sein silbernes Licht auf die Blätter fallen. Es ist ein wunderschöner Ort. Die kleineren Kunstgegenstände die ich im Auge hatte verschwinden nacheinander in meinem Beutel.
Ob ich deswegen ein schlechtes Gewissen habe? Natürlich. Aber Geld ist Geld und ohne geht eben nichts. Ich will gerade zwischen den Säulen hindurchschlüpfen, als mir ein Schatten auf dem Stein auffällt. Ich drehe mich um, bereite mich vor einem der Studenten oder gar dem Professor zu erklären was ich da tue. Aber der Mann der vor mir steht ist mir vollkommen neu. Er sieht mich ebenso verwirrt an. Grinst aber schelmisch. Ist er ein Einheimischer auf Spaziergang? Ratlos starre ich ihn an und er mich. Dann winkt er zu mir herüber und geht. Als ich zurück in den Tempel gehe ist er weg. Ich schüttele den Kopf. Was man sich alles einbilden kann, aus Angst entdeckt zu werden.
Ich fahre den anderen nach und verkaufe die Sachen einem Antiquitätenhändler. Er sieht mich etwas zweifelnd an als ich sage es handele sich um Originale. Schließlich bezahlt er einen guten Preis und ich beschließe das es das beste ist, wenn ich vor den anderen zurück im Camp bin.
Der Bus ist stickig und stinkt, die Werbetafeln an denen er vorbei fährt sind auf griechisch und hängen zur Hälfte herunter. Diese Straße ist genauso schmierig wie ich. Ich bin kein großer Freund der Hitze, die Migräne habe ich seit unserer Ankunft vor zehn Tagen. Ich sehe das Meer durch die Scheibe, bis die hässliche Fassade eines verlassenen Industruegebäudes es verdeckt. Ich vertreibe mir also die Zeit indem ich die Kaugummis an der Fensterscheibe zähle.
Mein Zelt sieht im Übrigen um einiges besser aus. Ich teile es mit Taylor, seiner fanatischen Ordnung und Sauberkeit verdanke ich es, dass kein Sand unter meinen Füßen sticht. Wie erwartet bin ich die einzuge im Zeltlager. Eines unserer Lehrbücher liegt auf Taylors Schlafsack. Ich strecke meine Hand danach aus. Mitten in der Bewegung stocke ich, sie zittert. Statt zu Lernen ziehe ich mir also meine Schlafsachen an. Aus dem Rucksack, in den ich meine Klamotten stopfe lugt ein Foto meiner Familie hervor. Zielgerichtet schiebe ich es zurück in die Tasche, wo mich ihre vorwurfsvollen Blicke nicht durchbohren können. Ob sie den Stoff wohl durchbrennen können?
Ich starre zur Zeltdecke, die Wärme die immernoch im Zelt steht wie unter einer Käseglocke, macht es mir schwer Schlaf zu finden.
Ich habe garnicht gemerkt das ich schlafe als ich senkrecht im Bett sitze. Von draußen her tönt ein unglaublicher Lärm. Ich sehe auf die Uhr, dann neben mich. Es ist eher Morgen als Abend und doch liegt mein Zeltnachbar nicht neben mir. Durch die Zeltwand sehe ich Lichter auf und ab scheinen.
Der Spuk ist mir nicht geheuer. Den Reißverschluss runter ziehend wapne ich mich für was auch immer mich draußen erwarten wird.
Umso überraschter bin ich als ich erstmal nichts sehe. Als ich dann zu der Tempelanlage gehe traue ich meinen Augen kaum. Auf den Fliesen und dem Gras tanzen und springen die Studenten und sogar der Professor. Sie scheinen mich nicht wahrzunehmen als ich zwischen ihnen hindurchgehe und sie ungläubig angucke. Taylor ist auch unter ihnen. Beinahe extatisch springt er im Kreis herum, die Arme um ihn herum drehend. Er ähnelt fast den Statuen. Taylor lächelt, er schaut zufrieden und unheimlich glücklich zu sein. Normalerweise ist er oft nervös. Doch jetzt steht ein Ausdruck purer Entspannung in den Augen die leer auf die Bäume gerichtet sind und durch sie hindurchzusehen scheinen. Er sieht beinahe aus als würde er etwas sehen, das ich nicht sehe wenn ich zu den knorrigen alten Oliven blicke, die sich grau silbrig dem Mond entgegen strecken. Alle um mich herum scheinen in dieser Art Trance zu sein. Sie alle strahlen Freude aus und man möchte mitlachen wenn man sie so sieht. Sie tanzen und manchmal kichern sie vor sich hin. Mir ist das ganze Treiben unheimlich. Der Mondschein liegt immer noch auf dem Tempel, auch wenn die ersten Sonnenstrahlen die Erde berühren. "Taylor?", frage ich unsicher. Keine Antwort. Ich muss etwas tun. Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren. Vielleicht haben sie Drogen genommen? Der Professor war allerdings nicht bei ihnen und er befindet sich in dem selben merkwürdigen Zustand. Einer der Studenten hüpft sogar wie ein Reh auf dem Rasen herum. Was ist hier bloß los? Ich beobachte Kira die in großen Schritten auf den Professor zu geht und ihn dann leidenschaftlich küsst. Genug ist genug. Diese Bilder bekomme ich sowieso nie wieder aus dem Kopf. Als die beiden dann- immernoch ziellos ins Leere starrend, beginnen sich zärtlich zu berühren wird es mir zu bunt. Ihnen mussten Tabletten untergeschoben worden sein. Anders war das nicht zu erklären. Ich grinste kurz über den Gedanken ein Bild für Kiras Verlobten zu machen. Dann schlug ich mir auf die Wangen. Konzentration. Ich ging festentschlossen auf Taylor zu, um an seinem Arm zu rütteln. "Komm zu dir! Ich bin es Cassy! Na los, sag doch was!"
Ich erhalte wieder keine Antwort aber umso mehr ich versuche ihn aus dem Schlaf zu befreien, umso schwerer werden meine eigenen Augenlider. Das Sonnenlicht scheint plötzlich zu hell um es anzusehen. Ich sehe wie Taylor tanzt und ich glaube längst zu träumen als sich meine Augen schließen und ich sanft ins Gras herabgleite. Ich bilde mir ein ein ausgelassenes Lachen in der Ferne zu hören. Ich kämpfe gegen die Müdigkeit an und reiße mit aller Kraft die Augen auf. Ein kastanienbrauner Lockenkopf sieht mich grinsend an und winkt, als ich dem Drang nachgeben muss und sich alles um mich herum verdunkelt.

 Ein kastanienbrauner Lockenkopf sieht mich grinsend an und winkt, als ich dem Drang nachgeben muss und sich alles um mich herum verdunkelt

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 20, 2019 ⏰

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