Die Krippe

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Marlena saß gemeinsam mit Alonvy und Keanai am Ufer des Sees. Ihre Stiefel hatte die junge Drachenreiterin ausgezogen und ließ ihre Beine ins Wasser baumeln. Ein eindrucksvoller und wunderbarer Anblick bot sich der kleinen Gruppe.
Der Ort zu dem Marlena Keanais und Irucan geführt hatte war zwar nie offiziell getauft worden aber in den Reihen des Ordens nannte man ihn die Krippe.
Diese Bezeichnung hatte sich durchgesetzt weil Drachendame hier bevorzugt ihre Eier legten und sich, gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnern, um die frisch geschlüpften Drachenkücken kümmerten.
Im Grunde handelte es sich um eine kleine Bucht des Sees, in dem die Ratsinsel lag. Eine Landzunge aus reinem Fels trennte einen kleinen, flachen Bereich vom Rest des Sees ab. Im Grunde war dieser Landzunge der einzige Teil eines flachen Felsplateaus, dass an dieser Stelle das Ufer bildete. Zur Landseite hin hatte allerdings der Wind eine dünne Ehrtschicht über den Felsen gelegt und Gras hatte sich Halt sichern können. Durch die natürliche Strömung im Wasser war die Buch sehr versandete und selbst der kleinste Schlüpfling konnte in dem flachen Wasser nicht ertrinken. Der flache Felsen, der nur einige Zentimeter unter dem eingespülten Sand lag sorgte dafür, dass sich die Wassertiefe nie stark verändern konnte.
Wegen der geringen Tiefe des Wassers war es stets durch das Sonnenlicht auf angenehme Weise aufgeheizt. Lediglich wo die Landzunge sich zum sehen öffnete wurde das Wasser etwas tiefer. Wachsamer Augen verhinderten jedoch, dass eines der Küken in Gefahr gerit. Die Drachenmütter hatten sich um dieses sichere Gebiet verteilt und beobachteten mit stiller Würde ihre Jungen beim Spielen.
Mütter und Väter wechselten sich dabei mit der Aufsicht ab. Zurzeit übernahm die Drachendamen die Aufsicht über die Schlüpfling während ihre Nistpartner die Pflicht hatten die Mägen der Küken zu füllen.
Marlena hatte Keanai bereits erklärt, dass Saphiras älteste Tochter Vervarda ebenfalls Schlüpfling unter diesen Küken hatte. Da sie von den frischgebackenen Dracheneltern die älteste und erfahrenste war stellte sie gegenwärtig die oberste Autorität dieser Gruppe von Eltern da und teilte ihre Erfahrungen gerne mit ihren Artgenossinen und Artgenossen. Gegenwärtig beaufsichtigten die Erwachsenen Drachen eine Gruppe von einem Dutzend Schlüpflinge.
Für Irucan musste es ein herrliches Erlebnis sein. Kaum waren seine Reiter und die Weise Drachendame Alonvy gemeinsam mit der Reiterin Marlena gelandet als ich bereits eine neugierige Gruppe von jungen Drachen versammelt hatte. Ausgiebig hatten sich die Küken gegenseitig beschnuppert und Irucan schließlich herzlich aufgenommen. Zunächst waren sie ausgiebig durch das flache Wasser getobt und hatten sich gegenseitig gejagd, nun jedoch hatten sich die jungen Drachen in kleinere Gruppen aufgeteilt und gingen individuellen Spielen nach.
Im Grunde beneidete Marlena Irucan für seine Unschuld. Auf der Reise zu Ostmark hatte sie war einigen Gelegenheiten mit Ajescha und Lenjara reden können und festgestellt, dass Schuldgefühle die ständigen Begleiter dieser Seelengefährten gewesen waren. Ajescha warf sich immer noch vor Morzan angehimmelt zu haben und Lenjara machte sich Vorwürfe, ihrer Reiterin nicht vor diesem schädlichen Einfluss beschützt zu haben.
Irucan war noch zu jung als dass er diese Sorgen wirklich hätte nachvollziehen können. Sicher hatte seine Ziehmutter ihm vor anderen Drachen gewarnt aber sich dabei vornehmlich auf ihre elterliche Autorität berufen. Die genauen Hintergründe und wie nah das Drachenvolk am Aussterben gewesen war wusste der dunkelblaue Schlüpfling nicht. Er genoss nun einfach die Möglichkeit in vollen Zügen seine eigene Stärke spielerisch mit Altersgenossen unter Beweis stellen zu können.
Kurz glitt Marlenas Blick zu der Ratsinsel und sie fragte sich was dort wohl gerade besprochen würde. Gerne hätte sie dieses Thema auch mit Keanai besprochen. Auch wenn sie diesen Gedanken sorgfältig vor ihrer Drachendame abschirmte, so mochte sie doch den jungen Menschen. Es hatte sie sehr beeindruckt wie er sich schützend vor seinen Drachen gestellt hatte obwohl er damit rechnen musste kein Gegner für einen von Galbatorix Gefolgsleuten zu sein. Leider war es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich die Ratssitzung mit Keanai zu diskutieren. Unweigerlich wäre das Gespräch auf die Mitglieder des Rates zu gesteuert und Marlena hatte sehr wohl begriffen, dass zumindest Irucan noch zu jung war für das Geheimnis um die Eldunari.
"Was macht Irucan denn damit den beiden anderen?" erkundigte sich Keanais gerade bei Marlena.
Die junge Halbling war etwas in ihren Gedanken versunken gewesen und hatte den kleinen dunkelblauen Drachen aus den Augen verloren. Sie beugte sich nur etwas zu Keanais hinüber um dessen Blick zu folgen und den jungen Reiterdrachen wieder zu finden. Zu ihrer eigenen Überraschung bekam Marlena eine leichte Gänsehaut als sie sich zu dem anderen Reiter hinüber beugte.
Zu ihrem Leidwesen konnte sie dieses Gefühl nicht vollständig vor Alonvy abschirmen und trug damit zur Erheiterung der weißen Drachendame bei. Diese steigerte sich noch als Marlenas Vorsatz Keanais Blick zu folgen daran scheiterte, dass der sich plötzlich zu ihr umdrehte und ihre Gesichter so dicht voreinander schwebten, dass sich fast die Nasenspitzen der beiden berührten.
Einige Augenblicke waren die beiden so überrascht, dass sie sich einfach nur tief in die Augen sahen.
- "Seine Augen gefallen ihr wohl was?" -
Alonvys amüsierte Frage durchbrach schließlich die intensive Betrachtung von Keanais sie Instrumenten in die Marlena gefallen war.
Deutlich spürte die junge Halbling wie ihr Blut in die Wangen schoss. Sie räusperte sich und versuchte den Moment der Peinlichkeit zu überbrücken indem sie fragte:
"Wo ist der kleine Frechdachs denn?"
Keanai brauchte einige Sekunden, schüttelte dann den Kopf als wollte er sich selbst aufwecken und deutete auf einen. Unweit des Ufers wo sich Irucan und zwei andere Schlüpfling im Dreieck aufgestellt hatten und sich gegenseitig offenbar intensiv musterten. Die Flügel hielten die jungen Drachen leicht abgespreizt und die Spitzen der dünnen Schwingen vibrierten leicht. Ein deutliches Anzeichen großer Anspannung. Stocksteif standen die drei da und ließen sich keine Sekunde aus den Augen. Gelegentlich entfuhr einem der drei ein leises Fauchen.
Marlena reagierte leicht besorgt. Zwar wirkten die Gesten, aufgrund der geringen Körpergröße der Schlüpflinge, eher niedlich als bedrohlich aber die Körperhaltung brachte durchaus Aggression zum Ausdruck.
"Streiten die sich etwa?" erkundigte sich Keanai und auch dem jungen Mann stand Sorge ins Gesicht geschrieben.
-"Keine Sorge junger Zweibeiner."-
Saphiras Tochter Vervarda antwortete bevor Marlena zu einer endgültigen Entscheidung kommen konnte. Die Drachendame erhob sich von ihrem Platz und legte sich neben Alonvy wieder nieder. Diese begrüßte die ältere Artgenossin mit einem wohlwollenden Summton.
- "Die drei spielen nur. " -
- "Ja! Belauern. Sag nur das hast du vergessen kleine Halbling? Ich war schließlich eine Meisterin in diesem Sport!" -
Tatsächlich kehrte Marlenas Erinnerung bei den Worten ihrer Drachendame zurück. Belauern war wirklich ein Lieblingsspiel junger Drachen. Eine kleine Gruppe stellte sich dabei so auf, wie Irucan und seine beiden Spielkameraden, ein silbernes Drachenmädchen und ein männlicher Schlüpfling dessen Schuppen in flammenden Orange glänzten, es nun taten und versuchten sich gegenseitig durch Drohgebärden einzuschüchtern. Irgendwann startete einer der Schlüpfling einen spielerischen Angriff auf einen seiner Artgenossen. Der angegriffene durfte dann keinen Schritt zurück weichen, sonst hatte man verloren. Das Spiel schulte die Nerven der Schlüpfling und ihre Beobachtungsgabe. Man musste sein gegenüber genau richtig einschätzen und zu wissen wann es eine Finte war und wann tatsächlich ein Angriff bevorstand.
Gerade als Marlena Keanai die Regeln dieses spielerischen Wettkampfes erklärte startete die Silberne einen Vorstoß gegen ihren orangefarbenen Artgenossen. Dieser hatte sich wohl gerade zu sehr auf Irucan konzentriert denn er wurde überrascht und hopste zwei Schrittlängen zurück. Ein ärgerliches fauchen entfuhr dem jungen Drachen. Bei einem Menschen wäre dieses Geräusch wohl durch das Wort "Mist" ersetzt worden. Der Drachenjungen ließ sich jedoch nicht entmutigen und kehrte in die Formation zurück.
Wieder belauerten sich die drei Schlüpfling für einige Augenblicke dann sprang Irucan plötzlich vor und versuchte das siegreiche Drachenmädchen zu überraschen. Diese rührte sich jedoch keinen Zoll.
Vervarda summte zufrieden.
- "Meine Tochter hat eben gute Nerven." - erklärte die stolze Mutter.- "Aber dein kleiner Wegbegleiter hat gute Nerven und lernt schnell." -
Keanai bedankte sich bei Vervarda für das Lob und die drei Drachenjungen setzten in ihrem Spiel bereits zu einer neuen Runde an.
Noch ganz in das Spektakel vertieft spürte Marlena plötzlich einen sanften Druck gegen ihren Geist. Die Berührung bei der jungen Drachenreiterin so vertraut, dass sie bereitwillig ihre Schilde senkte und ihrer Mutter Einlass gewährte.
- "Wir haben unsere Beratungen beendet Kleines."-erklang Aryas Stimme Augenblicke später in den Gedanken der junge Halbling. - "Wir würden mit dir gerne über unsere Entscheidungen sprechen und auch Keanai und Irucan an diesen Unterhaltung beteiligen. Schließlich geht es auch um ihre Zukunft. Kommst Du mit den beiden bitte zur ehemaligen Schlüpflingswiese?" -
- "Gerne Mutter. Du klingst aber als hätten eure Entscheidungen auch etwas mit mir zu tun?" -
- "Was habe ich doch für eine kluge Tochter. Es ist wahr, die Entscheidungen getroffen wurden betreffen auch dich. Der Rat hat nämlich einen Auftrag für dich und Alonvy der mit Keanai und seiner Mutter im Zusammenhang steht." -

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt