Eine Welt Jenseits des Eises Teil 1

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Marlena richtete sich im Sattel ihrer Drachendame auf und versuchte einen Überblick über das Tal zu bekommen durch welche sie gerade flogen. Im Grunde war es ein perfektes Versteck. Die Nacht nach dem sie die Lichter des Nordens gesehen hatten war recht unangenehm gewesen. Im Laufe des Tages hatten sich die Temperaturen immer mehr gesenkt was den Flug auf den Rücken der Drachen nicht angenehmer machte. Trotz Wetter fester Kleidung, dicker Mann das und gefütterter Handschuhe drangen beißende Kälte bis tief ins Gebeinen der Reisenden. Bereits am Mittag hatte sich die Ebene unter ihn in eine Wüste aus Eis und Schnee verwandelt.
Eine kleine Fels Formation hatte der Reisegruppe spärlichen Schutz gegen den beißenden Wind geboten.
Auch der darauf folgende Reisetag war kein Vergnügen gewesen. Vor allem weil die Landschaft kaum gleichförmiger und eintöniger hätte sein können. Eis und Schnee, Schnee und Eis. Das war alles was sich unter der Reisegruppe ausbreitete. Keanai versuchte es für Marlena und Alonvy etwas interessanter zu gestalten indem er den beiden erzählte wie man beispielsweise erkennen konnte ob sich unter den Eisschichten bereits das Meer erstreckte oder ob man, wenn man tief genug vordrangen bereits auf Land stoßen würde. Diese Beobachtungen enthüllten Marlena zumindest das sie nun entlang einer Küstenlinie flogen.
Kurz nach der rast die sie um die Mittagszeit einlegten trete der Reisegruppe dann schließlich Richtung Osten ab. Inzwischen war der Blick der jungen Halbling geschult genug um zu sehen, dass sie über einen breiten zugefrorenen Fluss flogen. Das interessante dabei war allerdings, dass die Eisschicht die weitere sie vordrangen dünner zu werden schien obwohl sich die Luft nicht erwärmte. Schließlich fiel Marlena etwas merkwürdiges auf. Auf den ersten Blick wirkte es als ob die Landschaft eine Beule hätte. Das eintönige weist türmte sich einige Meilen vor ihnen zu einer fast perfekten Halbkugel auf. Es überraschte Marlena wie spät sie dies trotz ihrer feinen Sinne erst erkannt hatte. Die Erklärung war aber ganz einfach diese kuppelähnliche Formation war ebenso weiß wie das Land um sie herum.
Zunächst glaubte man lehne einen ungewöhnlich geformten Berg vor sich zu haben. Es dauerte fast noch eine halbe Stunde bis sowohl der Drachendame Alonvy als auch ihrer Reiterin klar wurde, dass sie nicht auf eine Formation aus Gestein blickten sondern auf eine Wolkenformation. Keanai lächelte als er die Verwirrung seiner Reisegefährtinnen bemerkte und erklärte, dass diese Dämpfe aus den heißen Quellen des Tals aufsteigen würden. Es waren diese heißen Quellen die es der Menschensiedlung ermöglichten in dieser Abgeschiedenheit und lebensfeindlichen Umgebung trotzdem eine Existenz aus dem Boden zu stampfen. Jeder erklärte die Wolkenformation damit, dass aus dem Tal welches sein zuhause war die Rauchschwaden emporstiegen und dort praktisch auf eine Mauer aus kalter Luft trafen diese hielt die Dunstschwaden davon ab noch höher in den Himmel zu steigen. Die Wölbung zur Mitte hin erklärte der junge Drachenreiter damit, dass sich im Zentrum des Tals ein ausgedehnter See befand aus dem der Großteil der warmen Luft Aufstieg. Folglich war im Zentrum des Tals die nach oben strebende Kraft am größten.
So erklärte sich für Marlena auch das dünnerwerdender Eis auf dem Flusslauf. Offenbar wurde dieser Fluss aus denselben warmen Quellen gespeist die das Leben in dem kleinen Tal, auf das die Reisegruppe zu steuerte, das Leben ermöglichten. Das warme Wasser griff das Eis von unten her an, konnte aber gegen die ewige Kälte keinen endgültigen Sieg erringen.
Ajescha und Lenjara hatten der Reisegruppe signalisiert ihr zu folgen und darauf bestanden, dass Irucan sich zu seinem Reiter auf Alonvys Rücken gesellte. Das hätte zwar einen wütenden Protest bei dem jungen Drachen ausgelöst, aber schließlich hatte er sich gefügt. Dorn reihte sich direkt hinter Lenjara ein und Alonvy bildete mit ihren Passagieren den Abschluss der Gruppe. Der Grund für diese Vorsichtsmaßnahme wurde deutlich als die Drachen durch die dichte Wolken Masse flogen. Schnell wechselnde Winde schüttelten die Neuankömmlinge durch. Es erforderte einiges an Übung oder Erfahrung um mit den ständig wechselnden Windrichtungen fertigzuwerden und dabei einen einigermaßen sanften Gleitflug zustandezubringen. Je kleiner ein Sculblaka war desto anfälliger war er aufgrund der geringeren Flügelspannweite für die schnell wechselnden Winde.
Während Marlena sich im Sattel festkrallte spürte sie deutlich, dass Alonvy diese Herausforderung geradezu genoss.
- "Hiervon müssen wir Unbedingt Meisterin Saphira erzählen." - Sagte die junge Drachendame begeistert. - "Je nachdem wie gut unser Kontakt zu den Menschen hier ausfällt sollte sie vielleicht mit ein paar Schülern einen Ausflug zu diesem Tal machen. Ich kann mir keine anspruchsvollere Herausforderung für junge Kinder des Himmels und des Feuers vorstellen." -
Marlena hielt das für eine gute Idee. Vielleicht war es wirklich eine Möglichkeit engerer Wandel zwischen den hier lebenden Menschen und den Orden der Drachenreiter zu knüpfen wenn ein Teil der Ausbildung in diesem Tal stattfinden würde. In jedem Fall beschloss die junge Reiterin diesen Umstand in dem Bericht zu erwähnen den ihre Eltern und der Orden von ihr erwartete.
Schließlich durchstieß der ankommenden Donner die Dunstglocke über dem Tal und ein völlig verändertes Bild bot sich ihnen.
Jenseits der Kuppel war die Temperatur um einiges angenehmer als in der Eiswüste. Ein Tal voller Leben spannte sich vor den ankommenden Reitern auf. Was die Ausdehnung betraf war es wesentlich kleiner als die Ostmark aber gerade in dieser unwirklichen Landschaft war das pralle Leben welches sich an diesen Ort drängte ein kleines Wunder.
Der Großteil des Tals war eine von festem Gras bewachsene Ebene über die eine Herde von Tieren hetzte, die Marlena an Hirsche erinnerten. Diese Wesen waren allerdings größer und ihre Geweihe anders geformt.
Marlena spürte das Alonvy ihren Geist zu Lenjara hinüber räckte. Die Antwort der kupferfarbenen Drachendame ließ nicht lange auf sich warten. Sie übermittelte einen Namen für diese Wesen: Rentiere. Tatsächlich handelte es sich wohl um eine Art Hirsch, der allerdings besser an die widrigen Lebensumstände des Nordens angepasst war. Die alte Drachendame verriet auch, dass die Dorfgemeinschaft einige dieser Wesen domestiziert hatte damit sie Schlitten der Jäger außerhalb des Tals zogen. Auch teilte sie ihre jüngeren Artgenossen mit, dass diese Wesen recht schmackhaft waren und zu ihrer bevorzugten Beute gehörten.
Allerdings schien die Drachendame nicht das einzige Wesen zu sein welches sich an diesem ihren gütlich tat. Marlena entdeckte ein Rudel Wölfe welches zwischen den Baumgruppen hindurchschlich, die sich am Rande des Flusses, welcher das Tal durchzog, angesiedelt hatten. Auch um den See herum erhoben sich Nadelhölzer die zwar an Größe denen von Du Weldenvarden deutlich unterlegen waren aber zweifellos artverwandte der Bäume des Elfenwaldes waren.
Ein angenehmer Aufwind ließ den Donner im Gleitflug den See überqueren und hinter der am gegenüberliegenden Ufer angesiedelten Bäume entdeckten die Reisenden erste Anzeichen dafür, dass das Tal bewohnt war.
Felder und Anbauflächen erstreckt sich im Schatten der Bäume. Auf der geistigen Ebene erklärte Ajescha, dass die hier lebende Gemeinschaft ihre Anbauflächen deshalb hier angelegt hätte weil sie so für Neuankömmlinge schwerer zu entdecken waren. Ein kaum erkennbarer Pfad führte zu der Siedlung die die hier lebenden Menschen errichtet hatten. Die Felswände welche das Tal begrenzten hatten hier einen Einschnitt welcher durch eine halbkreisförmige Felsformationen begrenzt wurde. Auch hier zeigte sich das die Dorfbewohner ihren Instinkt genutzt hatten um möglichst schwer auf spürbar zu sein. Indem sie ihre Siedlung hinter dieser Felsformationen errichteten war diese perfekt getarnt. Ein Neuankömmling, der das Tal nicht kannte musste zuerst den See überqueren um festzustellen aber das ist diesen abgegrenzten Bereich überhaupt gab. Die Felsen hatten das gleiche grau wie die Wände die das Tal begrenzten und die Spitzen der Berge verschwanden in den Dunstschwaden die das Tal wie ein natürliches Dach überspannten. Marlena fiel auf, dass es zwar im innern des Tals etwas dunkler waren als außerhalb der Glocke aus den aufsteigenden Dämpfen, dennoch erreichte genug Sonnenlicht den Boden des Tals um den Aufenthalt angenehm zu machen. Möglicherweise trug diese Glocke auch noch auf andere Weise dazu bei, dass hier ein milderes Klima herrschte. Marlena hatte während ihres Unterricht gelernt, dass bestimmte Eigenschaften in den Luftschichten Sonnenwärme festhalten konnten. Vielleicht war das auch hier der Fall.
Nun umrundeten der ankommenden Donner die Felsformationen und erblickten das Dorf. Eine aus gefällten Bäumen errichtete Palisade bot der dahinter gelegenen Siedlung Schutz. Marlena war in ihren Gefühlen hin und hergerissen. Auf der einen Seite bewunderte sie die Dorfbewohner für den Einfallsreichtum denn diese an den Tag legten. Immerhin waren es nur Kinder gewesen die sich in diesem Bereich geflüchtet hatten. Trotzdem zeigten sie Einfallsreichtum und Einsatz wenn es darum ging ihre neue Heimat zu beschützen. Ein weiteres Gefühl welches Marlena erfüllte war aber auch bedauern. Alles was hier errichtet worden war schien dem Zweck zu dienen die Sicherheit der Bewohner des Tals zu gewährleisten. Wie viel Angst muss die hier von Generation zu Generation weitergereicht worden sein?
Das Gefühlschaos der jungen Halbling wurde schließlich dadurch abgerundet, dass sie wusste, dass all dieser Einsatz, weil diese hingebungsvoll errichteten Schutzmaßnahmen völlig sinnlos gewesen wären wenn Galbatorix und seine Diener dieses Tal wirklich angegriffen hätten. Eine Palisaden mochte gegen angreifende Fußtruppen oder auch Reiterverbände einen gewissen Schutz bieten aber aus den Aufzeichnungen über den großen Krieg wusste die junge Halbling von Shruikans gewaltiger Größe und auch die Drachen der Wyrdfel waren was Kraft und Größe betraf eindrucksvolle Mitglieder ihrer Art gewesen. Ein alles vernichtender Flammenstoß hätte ausgereicht um diese Palisaden und ihre Verteidiger dem Erdboden gleich zumachen. Die Wolkenkuppel und die Lage der Felder und Häuser mochte das bloße Auge täuschen aber für einen Drachenreiter der gelernt hatte seinen Geist wandern zu lassen und die Stimmen des Lebens zu hören stellte dies kein wirkliches Hindernis dar.
So sehr Marlena es auch bedauerte aber die Gruppe hatte ihr Überleben wohl nur der Tatsache zu verdanken, dass keiner von Galbatorix Gefolgsleuten sich bis in den Norden gewagt hatte. Es war ein bitteres Urteil doch diese Leute hatten schlichtweg Glück gehabt.
Ein donnerndes Brüllen von Lenjara schreckte die junge Reiterin aus ihren Überlegungen.
- "Wir haben die Dorfgemeinschaft von unserer Ankunft informiert." - Teilte Ajescha auf geistiger Ebene mit. - "Am besten landen wir außerhalb der Palisaden und geben den Dorfältesten Gelegenheit uns zu begrüßen. Sie sind zwar darüber informiert, dass wir kommen aber dennoch ist es eine Geste des Respekts." -
Murtagh und Marlena signalisierten ihr Einverständnis und der Donner begann mit seinem Landeanflug auf die neue unbekannte Welt.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt