Kapitel Siebzehn

4 2 3
                                    

»Oh nein, Eure Hoheit«, hatte er mit einem leichten Akzent gesagt. »Ich wurde schon so geboren.«

»Das bedeutet, dass du dein gesamtes Leben schon nichts sehen konntest?«, wollte ich damals neugierig wissen. »Vermisst du dann gar nicht die gesamten Farben? Dieses schöne Scharlachrot, welches sich gut von diesem Königsblau abhebt?«

Der blinde Mann hatte nur lachend den Kopf geschüttelt »Nein, Eure Hoheit. Ich vermisse die Farben nicht, da ich sie noch nie gesehen habe. Wie soll man etwas vermissen, was man gar nicht kennt?«, hatte er dann mit einem leichten Schmunzeln gefragt.

Nach seinen Worten wurde ich rot und hatte versucht dies vor ihm zu verbergen, bis mir einfiel, dass er es nicht sieht. Ich hatte mir seine Worte zu Herzen genommen, mich bei ihm für seine Erklärung bedankt, woraufhin er sich verbeugt hatte, dann war ich mit meiner Mutter weitergegangen.

Der Schrei eines Vogels riss mich aus meinen Gedanken. Mit zusammengekniffen Augen sah ich dem Vogel nach, wie er in Richtung Sonne flog und sich dabei vom Wind treiben ließ. Wie schon so häufig fragte ich mich, wie es wäre zu fliegen, doch ich wusste, dass ich dies nie erfahren würde.

Dann dachte ich an den Mann zurück und fragte mich, wie es ihm wohl ging und ob er immer noch in Kamares war oder ob er die Stadt verlassen hatte. Ich hoffte letzteres, denn es muss schrecklich sein nicht zu wissen, was los ist, während alle anderen in helle Aufruhr geraten.

Plötzlich spürte ich Hände auf meinen Augen und meinem Mund. Abrupt wurde ich nach hinten gezogen. Ich verlor den Boden unter den Füßen und versuchte zu schreien, doch vergebens. Die Hand auf meinem Mund dämpfte den Schrei. Panik kroch in meine Glieder, als eine Stimme nahe meinem Ohr erklang.

»Halt still Prinzesschen, sonst sehe ich mich gezwungen dir weh zu tun und das willst du doch nicht«, knurrte sie.

»Genau, sei ruhig, sonst wirst du dein blaues Wunder erleben!«, rief auf einmal eine zweite Stimme.

»Sei still!«, fauchte da wieder die erste. »Wir hatten doch abgemacht, dass ich rede!«

»Aber du sagst immer alles. Ich will auch mal etwas Angst verbreiten!«, quengelte schon die zweite.

»Du kannst aber niemanden Angst einjagen«, grummelte die erste wieder. »Nicht einmal die alte Dame im letzten Dorf hatte Angst vor dir, sondern hat dich eher ausgelacht.«

»Wie soll ich denn anderen Leuten Angst machen, wenn du mich nie üben lässt«, versuchte sich die zweite Stimme herauszureden.

»Na gut«, knurrte wieder die erste. »Dann probier es mal. Und wenn du es nicht hinbekommst, dann bist du ab jetzt still und störst mich nicht andauernd bei der Arbeit. Abgemacht?«

»Abgemacht«, grinste die zweite vor Freude.

Immernoch hielt mich der erste Redner fest, doch dann ließ er mich los, packte dann aber meinen Arm, als ich versuchte weg zu laufen.

»Nicht so eilig Prinzesschen«, sagte der zweite Redner und endlich konnte ich ihn sehen. Er war eher schmächtig und etwas kleiner als ich. In seiner rechten Hand hielt er einen Krummsäbel und seine linke Hand hielt ein Tuch, mit dem er mich wahrscheinlich knebeln würde. Der erste Mann war hingegen groß und sehr muskulös. Tief in mir konnte ich die alte Frau verstehen. Der Kleine war echt nicht furchteinflößend, wohingegen der erste Mann sehr bedrohlich wirkte.

Mir wurde vor Angst ganz schlecht und ich war versucht zu würgen. Ich fühlte mich ganz schwach und konnte mich nicht wehren. Das einzige, worauf ich hoffen konnte war, dass mich Satumar suchen würde und mich fand.

»Du bleibst schön bei uns«, versuchte sich der schmächtige Mann vor mir an einer grausigen Stimme, doch die einzige Wirkung, die diese Tonlage hatte, war, dass der Mann husten musste.

Auch wenn es nicht lustig war, in welcher Situation ich gerade war, aber, oder wahrscheinlich deswegen, musste ich lachen. Diese Situation war einfach zu absurd. Empört hörte der Mann auf zu husten und starrte mich entgeistert an. Selbst der bullige Mann, der mich immer noch festhielt, starrte mich an, als sei ich von einem anderen Planeten. Dies brachte mich dazu nur noch mehr zu lachen. Ein regelrechter Lachkrampf ereilte ich und ich musste schon vor Lachen weinen.

»Danke, meine Herren, für diese wunderbare Vorstellung, doch ich muss jetzt leider wieder gehen«, lachte ich und riss mich los.

Da der Mann immer noch erstarrt war, geling mir dies und ich lief los. Meine Füße trugen mich schnell über das Gras, bis ich kurz vor dem Dorf war. Gerade wollte ich mich in das schützende Dorf retten, als ich erneute gepackt und umgedreht wurde. Vor mir stand der große Mann und er sah sehr wütend aus. Seine Augen funkelten mich mordlustig an und jetzt bekam ich wirklich Angst.

»Wag das nicht noch einmal«, knurrte er. »Sonst sehe ich mich gezwungen dir weh zu tun.«

Aus Reflex fing ich an zu schreien, was mir ein Schlag mitten ins Gesicht einbrachte.

»Sei ruhig!«

Vor Wut flog Spucke vom Mund des Mannes in mein Gesicht. Angewidert verzog ich das Gesicht und überlegte, wie ich mir das Gesicht abwischen konnte, obwohl ich festgehalten wurde. Doch mir fiel keine Möglichkeit ein, weshalb ich es so ließ.

Die Ader an der Schläfe des Mannes pochte noch immer und sein Gesicht war puterrot. Kurz hatte ich Angst, dass sein Kopf platzt.

»Du kommst jetzt schön mit und wehe du machst Ärger!«, knurrte er bedrohlich.

Eingeschüchtert konnte ich nur Nicken. Letztlich blieb mir nichts anderes übrig als das zu tun, was er mir sagte. Wie zur Warnung pochte die Stelle, auf die er geschlagen hatte, schmerzhaft.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt