Kapitel Achtzehn

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Der große Mann band mir die Augen zu, woraufhin ich abrupt stehen blieb. Mein Herz pochte heftig in meiner Brust. Warum hatte ich Satumar nur gesagt, dass ich alleine sein möchte?

»Komm schon, Prinzesschen«, knurrte er und zog mich vorwärts.

»Ich kann nichts sehen«, murrte ich.

»Das soll auch so«, seufzte der Mann genervt. »Schließlich möchten wir nicht, dass du weißt, wo wir hingehen.«

»Genau! Sonst kannst du fliehen!«, mischte sich der zweite ein.

Daraufhin hörte ich ein klatschendes Geräusch und einen erschrockenen Aufschrei.

»Was sollte das?«, beschwerte sich der kleinere Mann.

»Ich habe doch gerade gesagt, dass du leise sein sollst«, fauchte der erste und selbst ich zuckte bei der Tonlage zusammen. Sofort wurde der Griff um meine Arme fester.

»Halt sie mal kurz«, murmelte der große Mann dann und schubste mich nach vorne.

Ich stolperte und rechnete jeden Moment mit einem Aufprall, meine Arme weit von mir gestreckt, um mich notfalls aufzufangen, doch meine Hände stießen anstatt auf harten Boden, auf eine warme Brust.

»Halt sie mal kurz«, äffte der kleine Mann vor mir seinen Kumpanen nach. »Als wäre ich nur dazu da, seine Befehle zu befolgen«, murrte er leise.

Gerade, als ich überlegte, was der andere machte, spürte ich seine rauen Hände an meinen Handgelenken. Grob riss er meine Arme nach hinten und band sie mit einem groben, dickem Seil zusammen. Tief schnitt es mir ins Fleisch und ich hatte den Drang meine Handgelenke zu massieren. Aber, als ich versuchte meine Hände zu drehen, musste ich bemerken, dass der Knoten gut festgemacht wurde und ich meine Hände so gut wie gar nicht mehr bewegen konnte.

»Aua«, jaulte ich, was jedoch nur mit einem Schnauben quittiert wurde.

»Das Seil ist zu eng«, versuchte ich es, hoffend, dass sie mich wieder los banden, damit ich vielleicht fliegen konnte.

»Nicht mein Problem«, knurrte der bullige Mann nur und ich konnte hören, dass er schon ein paar Schritte vorausgegangen ist.

Doch als ich mich nicht bewegte, obwohl der schmächtige Mann an meinen Armen zog, kam der erste mit einigen, schnellen Schritten wieder. Automatisch stolperte ich selbst ein paar Schritte zurück, jedoch kam ich nicht weit, da mich der Mann am Oberarm gepackt hatte und nach vorne zog. Hätte mein Entführer mich nicht festgehalten wäre ich gefallen, so jedoch hielt er mich aufrecht. Schmerzhaft bohrten sich seine Finger in meinen Arm.

»Du bist unsere Gefangene, also hör auf zu jaulen«, knurrte er und ich bekam einen Schwall seines schlechten Atems ab.

Eingeschüchtert nickte ich und seufzte innerlich erleichtert auf, als der Druck auf meinem Arm nachließ.

»Und jetzt komm«, fauchte er und verschwand dann wieder mit großen und schweren Schritten.

Kurz darauf spürte ich eine sanfte Hand an meinem Oberarm und zuckte zusammen, da ich den zweiten Mann nicht gehört hatte.

»Du musst ihm sein Verhalten entschuldigen, er ist nur schlecht gelaunt, weil wir schon seit Wochen nach dir gesucht haben«, murmelte er leise und ich nickte bestätigend. Nicht, dass es mich interessierte, wie lange mich die beiden suchten oder dass der andere nicht gut gelaunt ist, aber ich traute mich nicht etwas zu sagen, da ich Angst vor dem ersten Mann hatte.

»Ich heiße übrigens Eonan«, stellte er sich vor und ich meinte ein kurzes Rascheln zu vernehmen, so als würde er sich verbeugen.

»Mein Name lautet Ramura, aber das wusstest du wahrscheinlich schon«, scherzte ich, auf die Lautstärke meiner Stimme achtend.

Ein kleines Lachen ertönte neben mir, dann schob er mich sanft nach vorne, als der andere erneut nach uns rief. Mit kleinen Schritten bewegte ich mich nach vorne, immer damit rechnend vor etwas zu laufen.

»Keine Angst, ich passe auf, dass du gegen nichts läufst«, versuchte mich Eonan zu beruhigen, doch es brachte nichts. Ich glaubte ihm, dass er auf mich aufpasst, aber es blieb noch etwas Misstrauen.

Schlurfend bewegten wir uns vorwärts, als sich von einem Moment auf den anderen der Untergrund änderte. War er eben noch eben und sanft, wovon ich glaubte, dass es Gras war, war er jetzt uneben und überall lag etwas auf dem Boden. Es fühlte sich aber gleichzeitig weich an und wegen dem Knacken, welches manchmal ertönte, dachte ich mir, dass wir in einen Wald gegangen sind. Auch die Helligkeit, die mich vorhin noch Umrisse durch den Stoff erkennen ließ, war fast vollständig verschwunden, als wir immer tiefer in den Wald hinein gingen. Sofort wurden meine Schritte noch vorsichtiger und wir kamen nur noch sehr langsam voran.

Unser langsames Voranschreiten nervte wohl den größeren der beiden Männer, denn er entriss meinem Arm Eonans Hand und schleppte mich hinter sich her. Mit großen Schritten schritt er voran und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu stolpern. Ein paar mal stieß ich gegen Wurzeln und wäre fast hingefallen, doch wurde ich aufrecht gehalten.

»Nathair! Warte! Siehst du denn nicht, dass sie immer wieder stolpert?«, hörte ich Eonan hinter uns rufen.

Überraschend blieb Nathair stehen und zwang mich so auch stehen zu bleiben.

»Wir müssen aber weiter kommen, bevor die Nacht hereinbricht«, grummelte er und ich hörte ein Kratzen.

»Können wir ihr dann nicht wenigstens die Binde abnehmen?«, flehte Eonan. »Wir müssten jetzt weit genug sein, dass sie den Weg nicht kennt.«

Leider hatte er da Recht. Wir haben häufig die Richtung gewechselt und da mein Orientierungssinn noch nie besonders gut war, hatte ich schnell vergessen, wo ich hin müsste, wenn ich zurück zu Satumar wollte.

Ohne eine Antwort riss mir Nathair die Augenbinde ab und die plötzliche Helligkeit ließ mich Blinzeln. Es mag zwar, im Vergleich zu freier Fläche, im Wald relativ dunkel, trotzdem war es zu hell für meine Augen. Die Sonne stand schon tief am Himmel, doch schien sie noch leicht durch das Blätterdach und ließ mich schnell in eine andere Richtung schauen.

Stattdessen sah ich mir die Bäume um mich herum an. Die meisten sahen schon sehr alt aus und waren sehr groß und dick, aber es gab auch kleine, junge Bäume, die sich in Richtung der Sonne streckten. Der Boden war mit Moos überwachsen und überall lagen Blätter und Samen herum. Etwas weiter entfernt hörte ich ein Rascheln im Unterlaub und meinte kurz etwas braunes gesehen zu haben, doch verschwand es zu schnell, um sicher zu sein, dass da etwas war.

»Komm, wir müssen weiter!«, hörte ich Nathairs raue Stimme.

Seufzend folgte ich dem großen Mann, während Eonan neben mir lief und aufpasste, dass ich nicht floh. Immer wieder sah er zu mir und schaute dann schnell weg, als ich ihn fragend ansah. So gingen wir schweigend weiter und schon bald hatte ich vergessen, wie wir weiter gegangen sind, nachdem mir die Binde abgenommen wurde.

Kurz bevor es vollständig dunkel wurde, kamen wir an einer kleinen Hütte mitten in einer Lichtung an. Erneut stieg Furcht in mir auf, als ich daran dachte, dass mich Satumar hier niemals finden würde, Tränen sammelten sich in meinen Augen, als der große Mann zu der Holztür schritt und sie öffnen wollte, jedoch war diese so schwer, dass ihm das nicht gelang und in mir kam die Hoffnung auf, dass Satumar uns doch finden würde, bevor die Tür auf war.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt