Nathair stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht dagegen, bis die Tür ein paar Zentimeter über den mit Stein ausgelegtem Boden schabte und ein unangenehmes Geräusch verursachte.
Kurz verzog ich das Gesicht, bevor ich wieder eine ausdruckslose Maske aufsetzte und ohne Regung dabei zusah, wie Nathair versuchte die Tür noch etwas weiter aufzubekommen, jedoch blieben seine Versuche erfolglos.
Gereizt stöhnte er und schlug einmal heftig gegen das Holz, was einen dumpfen Laut verursachte, der trotzdem ein paar Vögel verschreckt davon fliegen ließ. Auch huschten Mäuse davon und verschwanden in kleinen Löchern.
»Lasst uns reingehen, bevor es vollständig dunkel wird«, knurrte Nathair und rieb sich seine schmerzende Hand.
Eingeschüchtert nickte ich und ging mit gesenktem Kopf an ihm vorbei in die Hütte. Drinnen war es stockdunkel und nur durch die Tür fiel etwas Licht herein. Sobald alle drin waren schloss Nathair ächzend die Tür und sperrte damit auch das letztes bisschen Licht aus, bis Eonan eine Lampe mit zwei Steinen, die er immer wieder gegeneinander schlug, entzündete. Ein unstetes Licht erfüllte die Hütte und ließ mich zusammen zucken, als ich Nathair erkannte, der direkt vor mir stand und mich mit in die Hüfte gestemmte Händen ansah. Er hatte einen überlegenden Gesichtsausdruck, während er sich am Kinn kratzte, was erneut ein kratzendes Geräusch verursachte.
Als Nathair meine Reaktion bemerkte fing er lauthals an zu lachen, was ihm einen überraschten Blick von Eonan einbrachte. Der größere von den Beiden schien wohl nur sehr selten zu lachen, wenn nicht sogar gar nicht.
Das Flackern der Lampe ließ tanzende Schatten an den Wänden erscheinen und ich spürte erneut die Angst in mir hochkommen.
»Was wollt ihr überhaupt von mir?«, traute ich mich dann nach einiger stillen Zeit zu fragen.
»Kannst du dir das nicht denken?«, murmelte Nathair, während er Eonan die Lampe abnahm, um einen Kerzenleuchter über unseren Köpfen anzuzünden. Sofort würde die Hütte von einem sanften Licht erleuchtet und ich konnte erkennen, dass auf dem Boden zwei Matten lagen, die wohl als Schlafplätze dienten.
»Ehrlich gesagt nein. Ich glaube nämlich nicht, dass ihr mich zu meinem Vater bringen wollt, denn sonst hättet ihr mich nicht entführt«, antwortete ich leicht genervt.
»Das stimmt«, ertönte da Eonans Stimme und er neigte leicht den Kopf.
»Was wollt ihr denn dann von mir?«, fragte ich erneut mit kalter Stimme.
Ein kleines Lächeln erschien auf Nathairs Lippen und seine Stimme klang fies, so als wüsste er schon, dass mir die Antwort nicht gefallen wird und er hatte Recht, die Antwort gefiel mir nicht.
»Wir wollen dich als Druckmittel benutzen, damit dein Vater aufgibt. König Mading hat ein Anrecht auf das Land. Zu lange wurden wir nun schon von deiner Familie unterdrückt und klein gehalten. Dies ändert sich jetzt mit König Mading.«
»Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass mein Vater Mading Land gibt, nur weil ihr mich gefangen genommen habt?«, fragte ich zweifelnd, obwohl ich tief in mir wusste, dass mein Vater alles tun würde, damit ich in Sicherheit wäre. Wenn er müsste, würde er sein eigenes Leben für meines geben.
Nathair nickte mit einem fiesem Grinsen im Gesicht. »Dein Vater wird unseren Bedingungen zustimmen, es sei denn er will seine Tochter in kleinen Stücken wiederbekommen.«
Seine Worte verursachten eine Gänsehaut und ich wusste, dass er jedes Wort ernst meinte.
»Und wie wollt ihr ihn davon überzeugen, dass ich ich bin?«
»Wir übergeben dich an König Mading und der ersucht eine Audienz bei deinem Vater, zu der er dich dann mitnehmen wird«, erklärte Nathair siegessicher.
Spätestens jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun. Wenn König Mading es schaffte, dass mein Vater kapitulierte, dann würde auch Satumar und seine Familie unter König Madings Herrschaft sein und ich machte mir jetzt schon Sorgen um die Vier. Doch noch mehr Sorgen machte ich mir um meine Familie. Was würde mit ihnen passieren?
»Hast du Hunger?«, fragte da Eonan plötzlich und riss mich so aus meinen Gedanken.
Er stand an der Tür und sah mich fragend an. In seiner einen Hand bemerkte ich einen Bogen und in der anderen hatte er mehrere Pfeile.
Als Antwort schüttelte ich den Kopf. Ich war noch gut gesättigt von dem Essen im Dorf. Eonan zuckte daraufhin mit den Schultern, versuchte die Tür auf zuziehen und verschwand dann durch einen kleinen Spalt. Kurz darauf wurde die Tür wieder geschlossen und ich war mit Nathair alleine.
Nathair hatte sich abgewendet und kümmerte sich stattdessen um das Feuer und entzündete mit der Kerze, die ihm Eonan bevor er raus gegangen ist gegeben hatte, kleine, trockene Holzstücke, welche nach einiger Zeit auch die etwas größeren Holzscheite entzündeten.
Das Knistern des Feuers klang in der Stille fast schon ohrenbetäubend. Die Hitze des Feuers wärmte mein Gesicht welches eiskalt war. Erst da bemerkte ich, wie kalt mir war und dass ich zitterte. Gierig nach der angenehmen Wärme des noch kleinen Feuers machte ich einen Schritt auf den Kamin zu und die sich ausbreitende Hitze. Mit einem kleinen Lächeln schloss ich die Augen und drehte mich um, damit auch meine Hände wärmer wurden, da diese noch hinter meinem Rücken zusammengebunden waren. Immer für eine kurze Zeit stand ich mit dem Rücken oder mit Gesicht zum Feuer, um beide Seiten gleichzeitig aufzuwärmen, mich aber auch nicht zu verbrennen. Mein Tun wurde am Anfang von Nathair etwas irritiert beobachtet, bis er wohl verstand, dass mir kalt war und ich mich sowohl am Rücken, als auch an meinem Bauch und meinem Gesicht wärmen wollte. Als er dies bemerkt hatte, schnaubte er kurz und machte weiter in seinem Schaffen.
»Kann ich dir vertrauen, dass du nicht wegläufst?«, fragte er mit forschendem Blick.
So überzeugend, wie ich konnte nickte ich und bejahte diese Frage. Raus konnte ich ja nicht, da ich die Tür nicht auf bekommen würde.
Nathair bemerkte mich noch einmal mit einem forschendem Blick, bevor er kurz nickte, einen großen Topf nahm, die Tür öffnete und verschwand, aber nicht ohne die Tür ordentlich zu schließen. Eine Zeit lang starrte ich sehnsüchtig zur Tür. Nichts war mir lieber als zu fliehen und zu Satumar oder am besten zu meinen Eltern zurückzukehren, doch wusste ich, dass ich keine Chance hatte zu fliehen. Bevor ich auch nur durch den halben Wald gelaufen wäre, hätten mich die Beiden schon wieder geschnappt und ich wollte nicht daran denken, was dies für Konsequenzen hätte.
Als sowohl Nathair als auch Eonan nach langer Zeit immer noch nicht zurück waren, wurde der Drang einfach abzuhauen immer größer und ich bewegte mich auf die Tür zu, jedoch nicht ohne auf etwaige Schritte zu lauschen. Suchend sah ich mich in der Hütte um, überlegte, ob hier ein Messer war, womit ich die Fesseln zerschneiden könnte, doch wurde ich nicht fündig.
Langsam ging ich auf die Holztür zu und lauschte auf Geräusche, die das Wiederkommen von Nathair oder Eonan ankündigten. Als ich nichts hörte suchte ich mir einen kleinen Spalt und spähte hinaus. Viel konnte ich nicht sehen, da es schon dunkel draußen war. In der Zeit, seit ich in dieser Hütte war, war die Sonne untergegangen und man konnte nur noch wenige Schritte weit sehen. Gut konnte ich mir vorstellen, dass man im Wald vielleicht die Hand vor den Augen nicht mehr sehen konnte. Dies war ein guter Vorteil, sollte ich es wirklich wagen zu fliehen. Doch es konnte auch ein Hindernis sein. Ich würde zu spät Bäume direkt vor mir sehen oder wenn ich Nathair oder Eonan begegnen würde, dann wäre das mit ihnen genauso.
Ich drehte mich um, damit ich besser mit den Händen an den Türgriff kam und bemerkte dabei, wie mein Herz einen Satz machte, als ein Vogel kreischte. Mit zittrigen Finger umfasste ich den Griff und zog leicht. Als sich nichts tat lehnte ich mich etwas weiter nach vorne und mit einem lauten Schaben öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Mittlerweile schlug mir mein Herz bis zum Hals und pumpte Adrenalin durch meinen Körper. Wenn jetzt einer von den anderen Beiden wieder kommen sollte, hätte ich ein Problem. Erneut fragte ich mich, ob es eine gute Idee war fliehen zu wollen. Das ich wirklich entkam war sehr unwahrscheinlich, da ich mich in diesem Wald nicht auskannte, während Nathair und Eonan hier mit Sicherheit häufiger waren und den Wald wohl auch sehr gut kannten.
Erneut zog ich mit aller Kraft an der Tür, die sich erneut beschwerte, als ich sie öffnete. Ganz auf bekam ich sie nicht, aber das brauchte ich auch nicht. Mir reichte der Spalt, den ich geschaffen hatte.
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Der rote Morgen
RomanceSeit Jahren herrscht Krieg in Prinzessin Ramuras Land, als eines Nachts das Schloss von ihr und ihrer Familie angegriffen wird. Ihre Eltern hatten schon ein paar Mal versucht sie zu überreden, dass Ramura floh, doch bisher hatte sie sich immer gewei...