Kapitel Einundzwanzig

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Satumar

Nach dem Festmahl stand Ramura auf und ich wollte gerade auch aufstehen, als sie mir bedeutete sitzen zu bleiben.

»Ich wollte einen kleinen Spaziergang machen«, antwortete sie auf meinen fragenden Blick.

»Soll ich mitkommen«, fragte ich dann.

»Ich möchte kurz für mich sein«, meinte Ramura nur und verschwand vom Marktplatz.

Kurz sah ich ihr noch hinterher und spielte mit dem Gedanken ihr zu folgen, nur um sicher zu gehen, dass ihr nichts passierte, aber dann riss ich mich zusammen. Ihr wird schon nichts passieren, redete ich mir selbst zu, doch das flaue Gefühl in meinem Magen blieb.

Besorgt sah ich immer wieder zu dem Haus hin, hinter dem Ramura verschwunden war, als sie auch nach längerer Zeit nicht zurück kam. Langsam bildete sich ein kalter Klumpen in meinem Magen und ich wollte gerade aufstehen, als ich von meinem Vater zurück gehalten wurde.

»Lass ihr einen Moment Ruhe«, flüsterte er mir leise zu und sah mir kurz in die Augen.

»Du hast Recht«, murmelte ich, jedoch blieb die Sorge. »Sie wird schon wieder kommen.«

Liebevoll lächelte mich mein Vater an, bevor er mich in ein Gespräch verwickelte und mich so von meiner Sorge ablenkte.

***

Als ich mich endlich von meinem Vater lösen konnte, stand die Sonne schon tief am Himmel und warf lange Schatten. Ein kühler Wind frischte auf und ließ mich leicht frösteln. Mein Blick glitt immer wieder zu der Häuserecke und nervös spielte ich mit meinen Fingern.

»Hast du Ramura gesehen?«, fragte ich meinen Vater, während ich noch immer die Häuserecke beobachtete. Amandiel folgte meinem Blick und sah mich dann mitleidig an.

»Nein, ich habe sie bisher nicht gesehen«, murmelte er und auch in seiner Stimme schwang die Sorge um Ramura mit.

Wütend und verwirrt stieß ich einen Fluch aus und stand nun doch auf und ging ihr hinterher. Amandiel sah mir kurz nach und schien zu überlegen, ob er mir folgen sollte. Er entschied sich dafür und holte auf, um neben mir zu laufen.

Besorgt fuhr ich mir immer wieder durch meine Haare und unterdrückte die Angst, welche mit jedem Schritt wuchs.

Ihr darf nichts passiert sein. Ihr muss es einfach gut gehen. Wenn ich gleich um diese Häuserecke gehe, dann steht sie da und lächelt mich an, versuchte ich mich selbst zu beruhigen, doch brachte dies nichts und die Angst nahm die Überhand.

Besorgt fing ich an zu laufen und wurde mit jedem Schritt immer schneller. Amandiel rief mir zu zu warten, doch hörte ich nicht auf ihn.

Stille Tränen liefen meine Wangen hinunter, als ich sie nicht fand. Mittlerweile hatte ich schon das Dorf verlassen und suchte auf der freien Rasenfläche dahinter. Immer mehr Tränen rollten mein Gesicht hinunter und die Angst schnürte mir die Kehle zu.

»Ich suche noch einmal im Dorf«, keuchte Amandiel, als er bei mir ankam.

Ohne ihn anzusehen nickte ich. Meine Augen suchten die Umgebung nach Ramura ab.

Wie durch einen Schleier hörte ich, wie sich mein Vater langsam abwandte und zurück lief. Sobald ich sicher war, dass er mich nicht mehr sehen oder hören konnte, brach ich zusammen und fing hemmungslos an zu weinen. Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in meine Hände und versuchte noch nicht einmal meine Tränen zu unterdrücken.

Als ich nach längerer Zeit aufstand und mir mit dem Ärmel das Gesicht abwischte, bemerkte ich im Augenwinkel etwas Blaues. Sofort machte sich Hoffnung in mir breit, die jedoch wieder erlosch, als ich erkannte, dass es nur ein Stück Stoff war. Schuldgefühle machten sich in mir breit, als ich daran dachte, dass ich sie alleine gelassen hatte. Mir war klar, dass sie mir gesagt hatte, dass sie alleine sein wollte, aber ich fühlte mich trotzdem schuldig.

Sobald ich beim dem Stück Stoff ankam, bemerkte ich, dass er sich genauso anfühlte wie der Stoff von Ramuras Kleid. War es vielleicht von ihr? Hatte sie es verloren? Oder hatte sie es bewusst dort hingelegt?

Der Stoff war weich und schmiegte sich an meine Hand. Sanft drückte ich den Stoff an mein Gesicht und atmete leicht ein. Ihr lieblicher Geruch hing noch an dem kleinem Stück und ließ mein Herz noch mehr schmerzen. Wo war sie nur?

Leichte Fußspuren im Gras ließen mich aufsehen und die Hoffnung entflammte wieder. Ich sah drei verschiedene Fußspuren, wovon eine sehr groß war. Mit einem schlechten Gefühl folgte ich den Spuren zu einem Waldrand, wo nichts mehr zu sehen war. Nur an abgebrochen Zweigen erkannte ich, wo die drei Personen her gegangen sind. Doch schnell wurde es zu dunkel um noch etwas zu sehen, aber ich gab nicht auf. Irgendwo musste Ramura sein, denn ich konnte nicht glauben, dass sie uns freiwillig verlassen hatte. Auch wenn es nicht besser war, hoffte ich innerlich, dass sie entführt wurde. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass sie freiwillig ging.

Schon nach kurzer Zeit verlor ich die Spur, da es mittlerweile Nacht war und ich nur noch sehr wenig erkennen konnte. Mein Verstand sagte mir, dass ich umkehren sollte und Amandiel Bescheid geben sollte, dass ich wusste, wo Ramura hingegangen ist, aber mein Herz wollte nur zu ihr. Hin und hergerissen blieb ich stehen und sah abwechselnd in den Wald und wieder zurück. Nach langer Überlegung entschied ich mich dazu jemandem zu sagen, wo ich hingehe, damit sich meine Eltern keine Sorgen machten. Schnell lief ich zurück, über den Rasen, in das Dorf und dann auf den Marktplatz. Dort fand ich auch schnell meine Mutter, die sich auch schon besorgt umsah. Neben ihr stand Vraldes, die mich zuerst bemerkte und sich von Limbara los riss, um zu mir zu laufen.

»Hey Kleines«, murmelte ich und hob sie hoch.

»Ich bin nicht klein«, beschwerte sie sich direkt empört, wurde dann jedoch erstaunlich ernst für ihr Alter. »Papa meinte vorhin, dass Ramura verschwunden ist.«

»Wir werden sie schon finden«, versicherte ich ihr, obwohl ich selbst nicht wusste, ob wir sie finden würden.

»Versprochen?«, hakte sie nach.

Kurz zögerte ich noch, bevor ich ihr antwortete. »Versprochen.«

Langsam ließ ich Vraldes wieder auf den Boden und ging dann zu meiner Mutter, die schon mit fragendem Gesichtsausdruck auf mich zu kam.

»Weißt du, wo sie ist?«, wollte sie dann auch direkt wissen.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt