Kapitel Zweiundzwanzig

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»Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, dass sie im Wald ist«, murmelte ich leise. »Kannst du Papa sagen, dass ich sie suchen gehe?«, fragte ich dann und sah meine Mutter bittend an.

Einen Moment sah es so aus, als wollte mir meine Mutter widersprechen, doch schließlich nickte sie und umarmte mich kurz. »Pass auf dich auf«, flüsterte sie und ich hörte aus ihrer Stimme heraus, dass sie kurz davor war zu weinen.

»Werde ich«, versprach ich ihr und löste mich sanft von meiner Mutter, bevor ich mich umdrehte und wieder aus dem Dorf raus lief und erneut den Wald betrat.

Sobald ich in diesem war, konnte ich nicht einmal mehr die Hand vor den Augen erkennen, weshalb ich mich langsam vorantastete. Ein paar Mal stieß ich mit meinen Füßen gegen Wurzeln, aber ich fiel zum Glück nicht auf den Boden.

Ab und zu raschelten Blätter am Boden und ich vermutete, dass das Mäuse waren, die dann vor mir flohen. Die Bäume waren nur dunkle Schatten, die ich so gerade erahnen konnte, nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Auch danach lief ich noch gegen ein paar dünne Bäume, die im Schatten von größeren standen, aber dies konnte ich nach einer kurzen Zeit auch besser einschätzen und so fast unfallfrei weiterlaufen. Nur einmal sah ich gerade nach links, da es dort geraschelt hatte, als ich direkt über eine Wurzel stolperte und mein Gleichgewicht verlor. Verzweifelt ruderte ich mit den Armen und versuchte stehen zu bleiben, bevor ich nach vorne kippte und mich so gerade noch mit den Händen abstützten konnte. Fast sofort bohrten sich kleine Splitter in meine Hände und ließen mich schmerzvoll fluchen, während ich mich genervt aufrappelte und mir den groben Dreck von meinen Klamotten klopfte. Dies sorgte jedoch nur dafür, dass sich ein Splitter noch weiter in meine Hand bohrte.

Schmerz zuckte durch meine Hand über meinen Arm und ich sog zischend die Luft zwischen meinen Schneidezähnen ein, währenddessen ich meine Hand schüttelte, so als ließe sich der Schmerz abschütteln. Mit zusamengekniffen Augen versuchte ich etwas zu erkennen, doch konnte ich nur die groben Umrisse meiner Hand erkennen. Blind fühlte ich mit meinem rechten Zeigefinger über meine linke Hand und suchte so den Splitter. Sobald ich diesen berührte zuckte ich zusammen, da erneut ein stechender Schmerz durch meinen linken Arm zuckte. Mit spitzen Finger packte ich den Splitter, welcher doch länger war als gedacht, und zog daran. Zwischen meinen rechtem Zeigefinger und Daumen hielt ich den Splitter und hielt ihn an eine Stelle, die etwas heller war, als die anderen, doch auch dort konnte ich nichts erkennen.

Schulterzuckend warf ich den Splitter weg und rieb dann erneut meine linke Hand, um zu sehen, ob ich noch einen Splitter hatte, aber dies schien nicht der Fall zu sein, weshalb ich mich dann langsam wieder auf den Weg machte. Nach dieser schmerzhaften Erfahrung ging ich noch vorsichtiger weiter, auch wenn mir mein Herz sagte, dass ich mich beeilen sollte, so sagte mir mein Verstand jedoch, dass ich auf meine Umgebung achten sollte, wenn ich nicht noch einmal hinfallen wollte. Lange haderte ich, worauf ich hören sollte, bis ich mich dazu entschied beidem etwas nachzugeben. Mit langen, aber vorsichtigen Schritten bewegte ich mich vorwärts und kniff die Augen angestrengt zusammen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

So ging ich eine lange Zeit weiter, bis ich auf eine kleine Lichtung kam, in der eine Hütte aus Holz stand und kleine Streifen Lichts auf den Waldboden warf.

Aus dem inneren der Hütte hörte ich plötzlich einen lauten Schrei und dann ein Klatschen, als hätte jemand mit der flachen Hand auf einen Tisch geschlagen. Bei dem lauten Geräusch zuckte ich kurz zusammen, riss mich dann aber zusammen und versteckte mich hinter einem Baum, als sich die Tür mit einem lauten Schaben öffnete. Im Türrahmen stand ein großer, bulliger Mann, der sich kurz umsah, bevor er kurz wieder im Inneren verschwand, nur um dann wieder im Türrahmen zu erscheinen. An seiner Hand hielt er einen kleineren, eher schmächtigen Mann, welchen er an den Haaren gepackt hatte.

»Warum musstest du auch losgehen um Essen zu beschaffen?«, hörte ich den großen Mann schimpfen, während er den anderen durch schüttelte. Dies quittierte der kleinere Mann mit einem Aufschrei und gab dann dem bulligen Mann einen Klaps auf den Arm.

»Lass mich los, Nathair«, schrie er mit heißerer Stimme, was Nathair dazu brachte ihn erneut zu schütteln.

»Du suchst sie jetzt und wehe du kommst ohne die Prinzessin wieder, dann kannst was erleben!«, rief Nathair wutentbrannt, was dafür sorgte, dass mein Herz stockte.

Meinte der bullige Mann Ramura? Was hatten sie ihr angetan?

Mein erster Drang war zu den Beiden zu laufen und mich an ihnen zu rächen, dass sie meine Prinzessin entführt hatten, doch wusste ich, dass ich gegen die Beiden zusammen keine Chance hatte. Wenn ich wollte, dass ich Ramura fand, dann musste ich wohl darauf warten, dass sie sich trennten.

»Du bist doch Wasser holen gegangen, obwohl ich schon weg war«, schnaubte der kleine Mann, zuckte dann jedoch schuldbewusst zusammen und sah ängstlich zu seinem größerem Kumpanen auf.

»Geh und such sie jetzt endlich«, knurrte der andere und besprühte den schmächtigen Mann mit seiner Spucke.

»Ist ja schon gut Nathair«, murmelte der Mann, dessen Namen ich immernoch nicht wusste.

Nathair ließ seinen Kumpanen los und schubste ihn mit der gleichen Bewegung nach vorne, sodass er fast auf den Boden fiel und nur so gerade sein Gleichgewicht wieder fand.

Mit gesenktem Kopf lief der schmächtige Mann an meinem Versteck vorbei ohne mich zu bemerken. Der andere verschwand wieder in der Hütte und knallte die Tür zu, was ein kreischendes Geräusch zur Folge hatte.

»Immer muss ich los und die Drecksarbeit erledigen«, hörte ich den kleinen Mann zischen. »Eonan mach das, Eonan mach dies. Nie bewegt er seinen eigenen Arsch, sondern lässt mich immer die Suppe auslöffeln.«

Langsam schlich ich mich an Eonan an, welcher zielstrebig in den Wald lief und wohl wusste, in welche Richtung er musste. Sobald ich nur noch einen Schritt von ihm entfernt war, tippte ich ihm auf die Schulter, zuckte jedoch zurück, als der schmächtigere Mann ein kleines Messer in der Hand hielt und mich damit bedrohte.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt