Kapitel Dreiundzwanzig

9 2 4
                                    

»Wer bist du?«, zischte er bedrohlich.

»Man nennt mich Satumar«, antwortete ich unbeeindruckt und versuchte aus der Reichweite des Messer zu kommen, jedoch setzte Eonan nach und hielt es mir unter die Kehle.

»Was willst du hier? Hast du vielleicht Nathair und mich belauscht? Wenn ja, dann muss ich sagen, dass er nicht immer so ist. Man darf ihn nur nicht reizen. Wenn man aber den Fehler macht und ihn reizt, kann es verflucht ungemütlich werden«, sagte der kleine Mann ohne Luft zu holen.

Kurz starrte ich Eonan an, bevor ich meine Sprache wiederfand. »Ich suche Prinzessin Ramura«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Weißt du, wo sie ist?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort auf diese Frage schon wusste.

»Ich stelle hier die Fragen«, knurrte der kleine Mann, sprach dann jedoch schon weiter. »Nathair will, dass ich sie suche. Immer muss ich alles erledigen, wofür er sich zu gut ist. Nie macht er sich die Hände schmutzig. Am liebsten hätte er auch noch jemanden, der ihn wäscht, damit er dies nicht machen muss. Am schlimmsten ist es, wenn er an etwas Schuld ist, so wie jetzt, dann beschuldigt er immer mich, obwohl ich meist nichts dafür kann, dass er eine Gefangene fliehen lässt, weil er Wasser holen geht, während ich schon unterwegs bin um für den Rest des Essens zu sorgen. Dank ihm muss ich natürlich in diesen dunklen Wald, um die Prinzessin zu finden, die wegen ihm überhaupt erst die Chance hatte zu fliehen. Warte, suchst du nicht auch die Prinzessin? Ach egal, ich finde sie eh vor dir und selbst wenn nicht, dann muss ich sie mitnehmen, damit ich nicht noch mehr Ärger bekomme«, redete er ohne Pause. »Weißt du, dass was er gerade eben gemacht hat, war noch harmlos. Wenn er wirklich schlecht gelaunt ist und ich ihm dann über den Weg laufe, kann es auch schonmal passieren, dass ich zusammengeschlagen werde.«

»Wieso haust du dann nicht einfach ab?«, unterbrach ich ihn etwas überfordert. Wenn ich mit allem gerechnet habe, aber nicht damit, dass er mir von seinen Problemen mit seinem Kumpanen erzählt.

»Habe ich schon einmal versucht, danach war mein geringstes Problem eine gebrochene Nase«, murmelte der Mann niedergeschlagen und sah nach unten.

»Oh«, war das einzige, was ich herausbrachte.

»Eigentlich ist Nathair ganz gut, vor allem, wenn er einen guten Tag hat. Manchmal lobt er mich dann sogar«, sagte Eonan stolz. »Aber die schlechten Tage häufen sich in letzter Zeit und es gibt nicht einen Tag, an dem ich nicht mindestens einen abbekomme.«

»Hau doch jetzt ab«, schlug ich vor. »Wir beide suchen Ramura und fliehen dann in mein Dorf. Dort wirst du vor Nathair beschützt«, versuchte ich ihn davon zu überzeugen, sich mir anzuschließen.

Mit hoffnungsvollem Blick sah mich Eonan an und seine Augen glizterten im sanftem Licht des aufgehendem Mondes. »Meinst du wirklich?«, fragte er und ich hörte die Freude aus seiner Stimme heraus.

»Natürlich«, versicherte ich ihm und meinte es auch so. Ich wusste nicht, woher ich die Zuversicht und die Sicherheit nahm, dass er gut aufgenommen werden würde, aber es war so. Er würde mit Sicherheit einen schweren Start haben, aber letztendlich würde er als neuer Bürger angenommen werden.

Langsam ließ Eonan das Messer sinken und bedeutete mir zu folgen. »Komm, wir müssen Ramura suchen«, erklärte er auf meinen fragenden Blick hin.

Sofort nickte ich. Kurzzeitig hatte ich vergessen, weshalb ich überhaupt im Wald war, doch fiel es mir jetzt wieder ein und die Angst kehrte zurück.

»Bist du ihr nicht auf deinem Weg begegnet?«, wollte Eonan nach einer kurzen, stillen Zeit wissen, in der wir schweigend nebeneinander hergingen.

»Mir ist nichts aufgefallen«, murmelte ich und fühlte mich schuldig. Hatte ich einfach nicht genug darauf geachtet? War ich einfach an ihr vorbei gelaufen?

»Vielleicht ist sie einen etwas anderen Weg gegangen«, überlegte Eonan weiter und sah sich weiter suchend um.

Auch ich kniff meine Augen zusammen und suchte nach Ramura. Irgendwo musste sie ja schließlich sein. Einen Moment achtete ich nicht auf Eonan, was ich sofort bereute, als ich den Knauf des Messer an meiner Schläfe spürte. Schmerz explodierte in meinem Kopf und mir wurde fast sofort schwarz vor Augen, sodass ich nicht einmal mehr mitbekam, wie ich auf dem Boden aufkam.

***

Ein Schlag ließ mich aufwachen. Meine linke Wange brannte und ich konnte gerade noch erkennen, wie Nathair zu einem zweiten Schlag ausholte, bevor er bemerkte, dass ich wach war. Kurz huschte so etwas wie Enttäuschung über sein Gesicht, während er langsam die Hand sinken ließ.

Vorsichtig sah ich mich um, sobald sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Ich hing gefesselt an einer Wand aus Holz, was ich daran bemerkte, dass sich ein Holzsplitter in meinen nackten Rücken bohrte. Meine Arme waren an der Deck festgemacht und lagen in Metallschellen. Eine dicke Kette aus Eisen hielt meine Arme an Ort und Stelle. Auch meine Füßen waren am Boden festgebunden. Eine schwere Kette war um meine Füße gebunden und dann an einem Eisenring befestigt, welcher zwischen meinen Beinen lag.

Als ich meinen schmerzenden Kopf wendete, sah ich Ramura, welche auf die gleiche Weise festgemacht neben mir hing und wohl noch ohnmächtig war. Gleichmäßig hob sich ihre Brust, was mich etwas beruhigte, weil es bedeute, dass sie noch am Leben war. Ein kleiner Kratzer verunzierte ihre linke Wange und auch ihr Gesicht war rot, so als hätte sie jemand geschlagen. Wer das war erfuhr ich in dem Moment, als Nathair ausholte und seine Hand auf Ramuras Wange sausen ließ.

Vor Wut schrie ich auf. Wie konnte er das tun?

»Lass sie in Ruhe!«, rief ich, bereute es aber sofort, als mir der bullige Mann in den Magen schlug und mir damit die Luft raubte.

Verzweifelt versuchte ich meine Lungen mit Luft zu füllen, doch gelang mir dies erst nach einiger Zeit.

»Sei still«, knurrte Nathair und hauchte mir seinen fauligen Atem ins Gesicht.

Angewidert verzog ich das Gesicht, als ich einen Spucketropfen sah, der direkt auf mich zuflog. In mir kam der Drang auf mir das Gesicht abzuwischen, doch konnte ich mich nicht bewegen und selbst wenn hatte ich, bis auf eine Hose, nichts mehr an.

Hinter Nathair sah ich Eonan auftauchen, welcher mich kurz mitleidig anblickte, bevor er sich Nathair zuwandte.

»Sei bitte etwas gnädiger mit ihm«, bat er seinen Kumpanen. »Er hat mir angeboten in seinem Dorf zu wohnen.«

Eonans Worte kommentierte Nathair mit einem abfälligen Schnauben. »Meinst du, das interessiert mich?«, fragte er knapp und wandte sich dann mir wieder zu, als sei das Gespräch mit Eonan beendet.

Dieser zuckte zusammen und ließ seinen Kopf hängen. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er sich umdrehen und uns Nathair überlassen, doch dann hob er den Kopf und sein Gesichtsausdruck sprach puren Hass aus.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt