Kapitel Dreißig

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Als ich die Augen aufschlug, war es hell um mich herum. Sonnenschein ließ die Bäume um mich Schatten werfen. In einer Stelle, an der die Sonne auf den Boden kam, stand Satumar und sah zu mir. Müde rieb er sich über das Gesicht, doch sobald er bemerkte, dass ich wach war, hellte sich auch sein Gesicht auf und er kam auf mich zu.

»Guten Morgen«, murmelte er leise.

Lächelnd sah ich ihn glücklich an. Der Traum von vorhin war vergessen.

»Bist du nicht müde?«, fragte ich.

»Etwas, aber es geht«, meinte er und hielt mir eine Hand hin, damit ich aufstehen konnte.

Dankbar nahm ich diese an und ließ mich hochziehen. Als ich stand, schwankte die Welt einen Moment und mir war etwas schwindelig, aber so schnell, wie das Gefühl gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder.

»Bist du dir sicher?«, hakte ich nach. Auf mich wirkte er sehr erschöpft und es wäre mir lieber, wenn er sich ein paar Stunden hinlegen würde.

Als Antwort nickte Satumar und unterdrückte ein Gähnen. Zweifelnd zog ich eine Augenbraue hoch, doch beließ es dabei. Es war letztendlich seine Entscheidung und ich konnte ihn zu nichts zwingen.

In Gedanken versunken gingen wir weiter und ich dachte über meinen Traum nach. Was hatte das zu bedeuten? Es juckte zwischen meinen Schulterblättern und ich hatte das Gefühl, als wäre die Klinge immernoch dort. Suchend sah ich nach hinten, doch es waren nur die Bäume um uns herum. Satumar, welcher bemerkt hatte, dass ich mich umgesehen hatte, sah mich fragend an.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.

»Ich musste nur an meinen Traum denken«, murmelte ich und erzählte ihm dann, von was ich geträumt hatte.

»Interessant«, machte Satumar überlegend und rieb sich mit seiner freien Hand über das Kinn, was ein leises Kratzgeräusch verursachte.

Erneut verfielen wir in Schweigen und meine Gedanken wanderten weiter zu Satumars Familie. Wie sie wohl damit klar kamen, dass er mit mir mitkam? Wie fühlt sich Vraldes? War sie traurig, weil sie jetzt nicht mehr mit Satumar spielen kann oder hat sie einen neuen Spielgefährten gefunden? Auch fragte ich mich, wie es wohl Eonan ging. Kam er gut zurecht oder hat er Schwierigkeiten sich anzupassen?

»Und du bist dir sicher, dass es bei euch im Schloss spielte und nicht in einem beliebigen Schloss?«, hakte Satumar nach.

Einen Moment überlegte ich und dachte an den Teil des Schlosses zurück, den ich gesehen hatte. Schon häufig hatte ich auf diesem Turm gestanden. Als ich noch kleiner war, hatte mir mein Vater immer verboten dort oben hin zu gehen, aber häufig hatte ich mich ihm widersetzt und war doch oben hingegangen. Meistens hatte ich dann Ärger bekommen, wenn ich erwischt wurde, was mich dazu gebracht hatte genau darauf zu achten, was er für Geräusche verursachte, wenn er auf den Turm hoch kam, um zu sehen, ob ich schon wieder oben war. Nicht immer gelang es mir auf diese Hinweise zu achten und auch als ich schon älter war, hatte ich deswegen häufig Streit mit meinem Vater, aber meistens gelang es mir auf diese Kleinigkeiten zu achten, sodass ich mich schnell genug verstecken konnte, damit er mich nicht sah. Ab und zu hatte er auch einen Wachmann hoch geschickt, wenn er selbst zu beschäftigt war, aber die hatte ich meistens schnell davon überzeugt meinem Vater nichts zu sagen.

»Ja, ich bin mir ziemlich sicher«, murmelte ich deswegen an Satumar gewandt, während sich gleichzeitig ein Lächeln auf meine Lippen stahl, als ich daran dachte, wie es sich anfühlte, wenn der Wind mir durch die Haare fuhr, wann immer ich auf dem Turm stand und mich leicht über die Brüstung gelehnt hatte. Noch heute wusste ich, wie sich jeder einzelne Stein unter meinen Fingern angefühlt hatte, wie rau oder auch glatt ein jeder war. Jeder Stein hatte eine eigene Maserung und als Kind hatte ich jedem einen Namen gegeben. Mein Lieblingsstein hieß Gramur und war durch die häufige Berührung glatt geworden. Quer über den flachen Stein zog sich eine rote Maserung, die sich stark vom ansonsten schwarzen Stein abhob. Jedes mal, wenn ich auf dem Turm war, hatte ich diesen Stein gestreichelt und leise mit ihm gesprochen. Gramur wusste jedes meiner Geheimnisse, die ich als Kind hatte. So hatte ich ihm auch erzählt, dass ich mal auf einen Wachmann stand, welcher dann aber versetzt wurde, nachdem ich es in einem unbedachten Moment meinem Vater erzählt hatte. Einige Zeit hatte ich dem Wachmann, dessen Name ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, hinterher getrauert, doch schnell hatte ich mich auf wichtigere Dinge konzentriert und ein Jahr später, hatte ich ihn auch schon wieder vergessen.

Satumar quittierte meine Aussage nur mit einem Nicken und wieder verfielen wir in Schweigen. Die Sonne kletterte immer höher und ließ die Schatten der Bäume um uns herum wandern. Das Zwitschern der Vögel beruhigte mich und ich versuchten an etwas anderes zu denken, als an meinen Traum.

Leichtes Rascheln im Unterholz erklang, als eine Maus vor uns floh und sich in ihrem Loch versteckte. Ab und zu erhaschte ich auch einen Blick auf ein Reh, welches sich seinen Weg durch den Wald bahnte. Das Braun seines Felles hob sich kaum von den Bäumen ab, nur die Bewegungen hatten es verraten.

Immer wieder gähnte Satumar, was mich irgendwann veranlasste stehen zu bleiben.

»Lass uns eine Pause machen, du musst schlafen!«, bestimmte ich und sah ihn eindringlich an. Bevor er nicht geschlafen hatte, werde ich mich nicht vom Fleck rühren.

»Wenn du meinst«, murmelte Satumar, nachdem er erneut gegähnt hatte.

Dass er so schnell aufgab hatte ich nicht erwartet, aber vielleicht hatte er endlich eingesehen, dass Schlaf wichtig ist und er nicht die gesamte Zeit wach sein kann.

Noch immer etwas überrascht nickte ich, während Satumar sich auf den Boden setzte, sich einen Platz frei machte und sich dann vollständig hinlegte. Müde schloss er die Augen und kurz darauf hörte ich schon seinen gleichmäßigen Atem. Bei jedem Atemzug hob und senkte sich seine Brust und fasziniert beobachtete ich das Zusammenspiel seiner Muskeln, als er sich leicht im Schlaf drehte.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt