Kapitel Einunddreißg

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Um nicht die ganze Zeit stehen zu müssen, setzte ich mich auf den Waldboden und lehnte mich an einem Baum an. Kurz schloss ich meine Augen und genoss das Zwitschern der Vögel. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und beobachtete erneut Satumar. Seine entspannten Gesichtszüge gaben ihm ein jugendliches Aussehen. Ein kleiner Schmetterling flog durch die Lüfte und landete auf Satumars Knie. Sein Gelb hob sich von dem Braun der Hose ab. Kurz darauf flog der Schmetterling jedoch wieder weg, zog seine Kreise über uns, bevor er aus meinem Blickfeld verschwand.

Die Sonne wanderte immer weiter und als sie schon fast untergegangen war, regte sich Satumar plötzlich und öffnete die Augen. Sein Blick fand mich und er lächelte mich sanft an.

»Danke«, flüsterte er dann leise.

»Wofür?«, wollte ich verwirrt wissen.

»Dafür, dass du mich gezwungen hast zu schlafen«.«

Lächelnd nickte ich nur und stand auf. Mit einem Schritt war ich bei Satumar und kniete mich neben ihn. Liebevoll strich ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und fuhr sanft mit meinen Fingern sein Gesicht hinab. Mit meinen Fingerspitzen fühlte ich die Bartstoppeln, welche auf Satumars Kinn und Wangen wuchsen.

Langsam setzt sich Satumar auf und zog mich leicht an sich. Automatisch schloss ich die Augen und kurz darauf spürte ich schon seine Lippen auf meinem Mund. Zart strichen seine weichen Lippen über meine. Glücklich erwiderte ich den Kuss, bevor wir uns langsam von einander lösten und uns ansahen. Sein Blick schien bis in meine Seele zu sehen und mir wurde warm und kalt zugleich.

»Wollen wir weiter?«, hauchte Satumar nach einigen Momenten der Stille, in denen wir uns einfach nur angesehen hatten.

Leicht nickte ich, noch immer überwältigt von diesem sanften und gefühlsvollen Kuss.

»In Ordnung«, murmelte er, doch keiner von uns Beiden wollte aufstehen. Zu schön war dieser Moment, sodass ich ihn nicht zerstören wollte, indem ich aufstand.

Noch immer sahen wir uns einfach nur an, aber es war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Ich war einfach nur glücklich.

Plötzlich beugte sich Satumar vor, gab mir noch einen sanften Kuss, bevor er sich sanft löste und sich etwas aufrichtete. Auch ich ließ ihn los und stand auf. Für einen kurzen Moment bedauerte ich, dass wir aufgestanden waren, doch als Satumar meine Hand in seine nahm, war auch dieses Gefühl verschwunden.

Noch immer schweigend gingen wir nebeneinander her. Wie schon die ganze Zeit wusste ich nicht, was ich sagen sollte und auch Satumar sprach nicht. So genoss ich die angenehme Stille und lauschte den abendlichen Geräuschen im Wald.

Langsam brach die Dunkelheit über uns herein und ich merkte, wie meine Stimmung etwas sank. Auch wenn ich den Wald mag, so liebte ich es, wenn um mich herum nichts war, als die wärmende Sonne. Ich wünschte mir, endlich aus diesem Wald zu kommen und wieder freien Himmel über mir zu haben. Als ich einmal auf einen Zweig trat, knackte es laut, das Geräusch klang ohrenbetäubend laut in dem ansonsten leisen Wald. Satumars Kopf flog herum und suchte nach der Quelle dieses Geräusches, bis ich ihm sagte, dass ich es war. Seine Körperhaltung entspannte sich wieder etwas und er lockerte seine verkrampften Hände. Leichter Schmerz pochte durch meine rechte Hand und ich gab einen leisen Schmerzenslaut von mir.

»Entschuldige«, murmelte Satumar, der wohl bemerkt hatte, dass er mir etwas weh getan hatte.

»Alles gut«, meinte ich, auch wenn meine Finger noch immer etwas schmerzten.

Einen Moment blickte er mich noch prüfend an, bis er sich wieder nach vorne wandte und in die hereinbrechende Dunkelheit sah.

Schnell wurde es dunkel, kaum dass die Sonne hinter den Bäumen verschwunden war und ihre Strahlen nicht mehr bis hier hin reichten. Satumars Gestalt wurde in Schatten getaucht und schon bald konnte ich ihn nicht mehr erkennen, außer ich kniff meine Augen stark zusammen. Die Nacht im Wald war fast undurchdringlich. Es war ein Wunder, dass ich bei meiner Flucht vor drei Wochen nicht öfter gegen Bäume gerannt war, obwohl ich nichts gesehen hatte.

»Sind wir noch auf dem richtigen Weg?«, frage Satumar nach einer kurzen Stille, wohl um diese zu durchbrechen.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich wahrheitsgemäß, denn ich konnte nicht viel erkennen und bei meiner Flucht bin ich blind durch den Wald gerannt, ohne darauf zu achten, wo genau ich gerade hinlief.

Der Blonde neben mir nickte nur und erneut verfielen wir in ein Schweigen, was uns schon fast den gesamten Weg begleitet hatte.

Die Nacht schritt voran und langsam bemerkte ich die Müdigkeit, die mich erneut überkam. Doch ich wollte keine Pause einlegen, weil ich endlich wieder bei meinen Eltern sein wollte. Ich wollte nicht wieder auf dem harten Waldboden schlafen müssen, wo ich doch bald in einem weichen Bett liegen konnte.

»Bei meiner Flucht bin ich bei einer Lichtung vorbeigekommen«, überlegte ich laut. »Da war ich noch nicht lange unterwegs.«

Überlegend rieb sich Satumar mit seiner rechten, freien Hand über das Kinn. »Ich habe bisher noch keine Lichtung gesehen gehabt«, murmelte er und ich musste ihm leider zustimmen.

»Wir werden schon richtig sein«, meinte ich mit einer Zuversicht, die ich gar nicht verspürte. Wen versuchte ich gerade zu beruhigen? Ihn oder eher mich?

Ein leises Rauschen ließ mich plötzlich aufhorchen. Abrupt blieb ich stehen und lauschte. Auch Satumar blieb stehen und sah mich etwas verwundert an.

»Was ist los?«, fragte er besorgt, wohl in der Angst, dass ich erneut ohnmächtig werden könnte.

»Ich höre ein Rauschen«, murmelte ich leise. »Hier muss ein Fluss in der Nähe sein. Und ein Fluss floss auch durch die Lichtung.«

Satumar verstand sofort und lauschte nun auch. »Ich glaube, es kommt von dort«, flüsterte er und zeigte nach links.

Da ich auch diese Vermutung gehabt hatte, nickte ich nur und wir wandten uns nach links, schlichen langsam vorwärts, immer wieder nach dem Fluss lauschend.

Das Rauschen wurde immer etwas lauter, bis ich fast sicher sagen konnte, wo der Fluss lag. Der Untergrund wurde etwas weicher, weshalb ich etwas vorsichtiger weiterging und vor jedem Schritt mit dem Fuß tastete, ob der Boden sicher war und ich nicht im Fluss landen würde. Das leise Rauschen vom Fluss kam nun von direkt vor mir.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt