Kapitel Vierunddreißig

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»Komm doch nach Hause, dann kannst du es selbst herausfinden«, fauchte Satumar.

Schuldbewusst zuckte Asmael zusammen und kurz tauchte so etwas, wie Trauer und Angst in seinen Augen auf, doch schnell riss er sich wieder zusammen und unterdrückte seine Gefühle. Sein Gesicht wurde ausdruckslos und er zuckte nur mit den Schultern, bevor er sich wieder zu mir wandte.

»Prinzessin Ramura«, grüßte er mich und verbeugte sich.

Als wäre dies eine Bestätigung, dass ich die Richtige war, verbeugten sich alle Krieger und steckten ihre Waffen weg.

Kühl nickte ich nur und schritt voran, in den Kreis hinein, Satumar hinter mir her ziehend. Eilig machten uns alle Platz und geleiteten uns zum Schloss. Immer näher kam ich der Palastmauer und dem Tor, welches in den Hof führte. Dieses Tor wurde nur selten benutzt, da es in den Garten führte und die meisten Gäste den offiziellen Pfad nahmen.

Mit jedem weiteren Schritt kam ich meinen Eltern näher und auch die Aufregung wuchs in mir heran, ließ meinen Magen zu einem Klumpen verknoten und meine Speiseröhre zuschnüren. Leicht drückte ich meine rechte Hand auf meinen Bauch und versuchte so das Übelkeitsgefühl los zu werden, doch wie schon vermutet, klappte dies nicht, denn sobald ich die Hand etwas bewegte, flammte das Gefühl wieder auf. Einen Moment lang blieb ich stehen, als ich direkt vor dem Tor stand und atmete tief durch, um mich für diese Hürde zu wappnen.

»Du schaffst das«, flüsterte Satumar mir zu und lächelte mich an.

Dankbar sah ich ihn an, lächeln konnte ich beim besten Willen nicht.

Ein letztes mal atmete ich tief durch, bevor ich den letzten Schritt machte. Jeder Schritt auf dem weichen Rasen, sorgte dafür, dass sich der Knoten in meinem Magen immer mehr zusammenzog, bis ich das Gefühl hatte, dass ich es nicht mehr aushielt. Meine rechte Hand hatte sich zu einer Faust geballt und auch meine linke Hand war verkrampft, doch Satumar sagte nichts.

Um mich herum hörte ich die dumpfen Schritte der schweren Stiefel im Gras, doch meine Aufmerksamkeit galt dem Schloss. Ich nahm jede Einzelheit in mich auf, registrierte jede Veränderung, die seit meiner Flucht am Schloss stattgefunden hatte. Kleine Teile waren mit Rissen übersät und wurden gerade ausgebaut, um sie wieder bewohnbar zu machen. Ein Teil der Wand war auch ganz herausgestürzt und lag auf dem Rasen, noch hatte niemand diesen Klumpen weg geräumt, doch er war wahrscheinlich auch zu schwer, so viele starke Krieger wir hier auch hatten. Neben mir sah sich Satumar mit großen Augen um. Sein Mund war leicht geöffnet und sein Bruder schien vergessen, seine Aufmerksamkeit galt dem ordentlichen Rasen, der glatten Schlosswand und den riesigen Türmen, die steil in den Himmel ragten.

Auf einmal wurde eine Tür aufgerissen und meine Mutter lief uns entgegen. Ihre nackten Füße rasten über das Gras, mir entgegen. Mein Herz zog sich zusammen und Tränen traten in meine Augen.

Wie von selbst bewegten sich auch meine Beine. Satumars Hand hatte ich losgelassen, als ich losrannte, auf meine Mutter zu. Breit öffnete sie ihre Arme und schloss mich in diese, sobald wir bei einander ankamen. Auch ich schlang meine Arme um sie, drückte sie an mich und vergrub meinen Kopf in ihren Haaren. Tief atmete ich den Duft von ihren Haaren ein und lächelte glücklich. Noch immer rannen mir Tränen das Gesicht hinab und tränkten ihr Kleid. Auch meine Mutter schluchzte und murmelte immer wieder meinen Namen.

»Wie geht es dir?«, fragte sie dann endlich, nachdem wir uns gelöst hatten.

»Sehr gut«, antwortete ich und stellte ihr die gleiche Frage.

»Ich hatte mir Sorgen gemacht«, murmelte sie. »Ich hatte Angst, dass du von Madings Soldaten eingefangen wirst und ich dann Schuld daran trage. Jeden Tag hatte ich diese Entscheidung bereut und gleichzeitig war ich froh, da wir angegriffen wurde.« Mit jedem Wort versagte ihr die Stimme immer mehr und Tränen flossen ihr Gesicht hinab. Trauer trat ihn ihre Augen und erneut schloss ich sie in meine Arme und versuchte sie zu trösten.

»Ich bin ja jetzt da«, flüsterte ich leise und besänftigend.

»Zum Glück, ich hätte es mir nie verziehen, wenn dir etwas zugestoßen wäre«, schniefte sie und rieb ihre Nase an ihrem Ärmel ab.

»Wo ist Papa?«, wollte ich dann wissen, da ich ihn noch nicht entdeckt hatte.

Bei meinen Worten zuckte meine Mutter zusammen und erneut trat Trauer in ihre Augen. Schuldbewusst sah sie nach unten und mir kam ein schrecklicher Verdacht. Bitte nicht, flehte ich in Gedanken. Meine Freude darüber, dass ich wieder zu Hause war, verpuffte vollends, als Mama meine Vermutung bestätigte.

»Er ist...«, murmelte sie stockend. Ihre Stimme brach ab und sie räusperte sich. »Er wurde getroffen.« Die Stimme meiner Mutter versagte ihr bei dem letzten Wort und sie brach in Tränen aus. Auch in meine Augen traten erneut Tränen und flossen mir die Wangen hinab. Ein Schluchzen entkam meiner Kehle und ich hatte das Gefühl, dass meine Beine unter mir nachgaben. Weinend ließ ich mich auf den Rasen sinken. Mama setzte sich neben mich und auch Satumar kam zu uns und schloss mich in seine Arme.

»Was ist passiert?«, flüsterte er leise, da er nichts von unserem Gespräch gehört hatte.

»Papa ist tot«, weinte ich nur und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Meine Tränen weichten sein Oberteil durch, doch es schien ihn nicht zu stören, denn er zog mich noch fester an mich und murmelte mir beruhigend zu.

Schluchzer verließen unkontrolliert meine Kehle und mein gesamter Körper bebte. Meine Lippen zitterten und ich hatte das dringende Bedürfnis fort zu laufen. Ich wollte einfach nur hier weg. Weg von diesem Ort, der mich an Vater erinnert, fort von meiner Trauer, von meinen Erinnerungen und meinen Gefühlen. Doch ich konnte Mama nicht alleine lassen. Nicht nachdem ich schon die ganze Zeit nicht da war, auch wenn sie mich fort geschickte hatte. Ich wollte ihr beistehen und ihr helfen, auch wenn es mir selbst nicht besser ging. Ich konnte sie nicht auch noch verlieren, auch wenn es bedeutete hier zu bleiben und mit diesen Erinnerungen zu kämpfen.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt