One

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10 Stunden zuvor

Ich hatte es schon wieder getan. Ich will es gar nicht. Doch immer wenn mein Hund winselnd und zitternd vor mir sitzt, spüre ich ein Hochgefühl. Pures Glück durchströmt mich in diesen Momenten. Ich hasse es. Ich hasse mich. Ich hasse mich dafür, dass ich nach dem Gefühl der Macht und Überlegenheit lechze. Ich hasse mich dafür, dass das seit zwei Monaten und drei Tagen so abläuft.

Es ist dieser Sog, dieser dunkle, verdammte Sog, der mich immer wieder mit sich reißt. Ich will das nicht, doch trotzdem macht es mir Spaß.

Mir war schon seit Jahren klar, dass irgendwas nicht mit mir stimmt. Ich habe es nur immer unterdrückt. Meine Familie war immer streng, war sich sehr traditionsbewusst und demnach sehr schwierig. Deshalb habe ich mich nie getraut, herauszufinden, was sich hinter der dunklen Tür in meinem Unterbewusstsein befindet. Doch vor einer kurzen Zeit ist meine Mitbewohnerin Ellen ausgezogen. Seitdem sind meine Dämme gebrochen. Die Tür ist geöffnet und am liebsten würde ich sie für immer schießen und vernichten. Aber ich schaffe es nicht. Ich bin zu schwach.

Wie passend es dann auch noch ist, dass mein Name Laetitia ist. Meine Eltern nannten mich Laetitia, da dies im Lateinischen Freude und Fröhlichkeit bedeutet. Und genau das wollten sie auch immer in mir sehen. Ich musste ihren Werten entsprechen und dabei blieb kein Platz für einen anderen Weg. Doch als ich vor ein paar Jahren meinen Namen mal im Internet gesucht habe, habe ich herausgefunden, dass mein Name in der griechischen Mythologie für die grundlose Freude steht. Und genau diese Freude habe ich. Gründe für Freude sollen tolle Erlebnisse sein und dazu zählt ganz sicher nicht, Freude daraus zu ziehen, jemanden zu verletzten. Ich verspüre grundlose Freude.

Zitternd schmeiße ich mich auf mein grünes, weich gepolstertes Sofa. Mein Selbsthass überschwemmt mich. Rose hat sich - wie schon seit den letzten zwei Monaten- in die Abstellkammer verzogen. Ich kann es ihr nicht übelnehmen. Sie hat Angst und flüchtet nur vor der Gefahr.

Doch jedes Mal wird mir schmerzhaft bewusst, dass ich die Gefahr bin.

Sie flüchtet vor mir.

Gegenwart

,,Laetitia, könntest du mir bitte das Messer reichen?", vernehme ich die pipsige Stimme meiner Arbeitskollegin Stefanie. Nicht sie schon wieder. Stefanie nervt mich schon den ganzen Tag, was nichts Besonderes ist, da sie das eigentlich immer macht. Doch heute Morgen hat sie mir aus Versehen, was ich bezweifele, ihren Kaffee über meine Jacke verschüttet. Daher ist meine Laune absolut im Keller und ich möchte einfach nur diesen furchtbaren Arbeitstag hinter mich bringen. Genervt wende ich mich von den Fenster ab, aus dem ich gerade die wunderschöne Aussicht genossen habe. Naja, durch das Fenster blickt man direkt auf das gegenüberliegende Gebäudekomplex, doch immer noch besser, als die Irrenanstalt hier drinnen zu beobachten.

,,Laetitia, vielleicht ein bisschen schneller! Ich habe nicht ewig Zeit! Im Gegensatz zu einer gewissen Person," ihr Blick bohrt sich in mich, ,,liegt mir sehr viel an diesem Job."

Und ab da weiß ich auch nicht mehr, was mich genau dazu verleitete, ihr das verfluchte Messer in den Oberschenkel zu stechen. Vielleicht war es ihre hochnäsige Art oder vielleicht hatte ich auch einfach nur Lust dazu. Egal, warum ich es tat, ich spürte Befriedigung danach. Dieser entsetzte Blick auf ihrem hübschen Gesicht war genau das, wonach ich mich sehnte. In diesem Augenblick durchströmte mich pure Überlegenheit.

Doch wie alle guten Momente wird dieser auch zerstört.

,,Ahhhhhh, was hast du getan! Du Bitch! Du Psycho! Wie kann man so krank sein und mir einfach ein Messer in den Oberschenkel stecken????!!!!", schreit Stefanie erregt und sinkt zu Boden. Während sich ihr Gesicht vor Schmerz verzieht, versucht sie sich das Messer aus dem Oberschenkel zu ziehen. Sie soll sich mal nicht so anstellen, so schlimm habe ich nun auch nicht zu gestochen.

My inner demonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt