Staffel 4 - 8 Nowhere

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Ángel sieht mich an, als sähe er mich zum ersten Mal. Sein Gesicht hat noch weibliche Züge, stelle ich fest. Meine Zähne klappern, ich erkenne mich selbst nicht wieder. Aber es hat so gut getan, ich habe dem Arschloch mit der ganzen Wut und Trauer in mir in die Fresse geschlagen. Es soll sich nur ja niemand mit mir anlegen.

Und dann, in einem Moment völligen Kontrollverlustes, beginne ich zu schluchzen. Bäche von Tränen rinnen meine Wangen hinunter und bilden nasse Flecken auf meinem T-Shirt. Ich habe noch nie in meinem ganzen erbärmlichen Leben so laut geweint. Alles muss raus. Die Trauer. Die Wut. Die Hilflosigkeit. Die Verzweiflung. Alles. Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

Ich renne zu Elliotts Körper und schüttele ihn. "Du darfst nicht sterben, Elliott! Du darfst es nicht! Ich kann GAR NICHTS ohne dich! ELLIOTT!"

"Louisa-Mary Sinclair! Was zum Teufel tust du da?!"

Elliotts Mum und Ángel haben mich an den Schultern gepackt und ziehen mich von Elliotts halbtotem Körper weg. Coco haut mir eine runter.

"Hast du den Verstand verloren?" Coco sieht mich fassungslos an.

Ich kann nicht sprechen, weil ich von Schluchzern geschüttelt werde. Ich bin ein Monster. Ich denke immer nur an mich. Geschissen ist das. Ángel, der die ganze Zeit nichts gesagt hat, zieht mich in eine feste, beschützende Umarmung. Aber so muss ich nur noch schlimmer heulen. In meinem Kopf hat sich das Bild meines toten besten Freundes eingenistet. Keiner der Eisklötze hat noch Hoffnung, dass Elliott jemals wieder selbstständig atmen wird. Morgen, in der Früh, sollen seine lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt werden. Wegen Geldmangels.

Elliotts Mutter, die mich eben noch von ihrem leblosen Sohn weggezerrt hat, sieht mich jetzt so liebevoll an, wie eigentlich nur eine Mutter ihr Kind ansehen kann. Ich weiß, dass ich nicht ihre Tochter bin, aber es ist lange her, dass mich meine eigene Mom so angesehen hat.

"Lou." Ich höre Elliotts Stimme in meinem Kopf. "Sei nicht traurig. Ich werde immer für dich da sein."

"Aber du kannst nicht auch noch sterben!"

Coco, Mum und Ángel, der mich immer noch in seiner Umarmung hält, sehen mich an, weil ich das laut gesagt habe.

Coco beginnt, mir über den Arm zu streichen. Ángels Schultern sind schon nass, er hat meine Tränen großteils abbekommen. Ich löse mich von ihm und sehe ihn nur an. Ich kann verstehen, warum mein bester Freund sich in ihn verliebt hat.

Endlich kann ich reden. Das Weinen lässt sich bändigen.

"Sie sind alle weg. Meine Mom, weil sie ständig high ist, mein Bruder, weil er wo anders wohnt, als ich, Maximé, Elliott, mein Daddy,..."

Sofort kommen neue Tränen. Ich habe so lange nicht mehr an ihn gedacht.

Ich sehe Coco an, dass sie mir etwas sagen möchte, doch als sich ihr Mund öffnet, ertönt ein Ohrenbetäubender Alarm, der von dem Monitor neben Elliotts Bett kommt.

Herzstillstand. Seine Organe versagen, eines nach dem anderen.

Shut up everyoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt