Kapitel 21

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Eine Welle aus Licht rollte über die Lichtung und für einige Sekunden fühlte ich mich wie paralysiert. Ich konnte nicht einmal mehr die Arme schützend nach oben, so schnell hatte sie uns überrollt. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und irgendwie fühlte ich mich für einen Moment merkwürdig, als würde mein Körper hin und her gerissen, eh mein Kopf wieder völlig klar und im hier und jetzt war.
"Was hast du getan?", brüllte Thor den Titan an und blickte sich um. Über der ganzen Lichtung lag eine unbestreitbare Spannung. Was würde passieren? Was hatten die Steine bewirkt. Ich entdeckte Vision, der leblos und farblos auf dem Boden lag, seine Stirn verbeult und geborsten durch das herausreißen des Steins. Thanos hob langsam seine Hand, der blaue Stein, der Space-Stone, leuchtete auf und kreierte ein Portal hinter ihm in welches er sich fallen ließ. Thors Axt schlug auf dem Boden auf und der Titan war verschwunden.
"Wo ist er?!", rief Steve und blickte sich um, doch ich ahnte bereits, dass der Kampf vorbei war und gewonnen hatten wir sicher nicht.
"Steve?", mein Blick flog zu Barnes. Er betrachtete seine Hand, die in graue Partikel zerfiel, dann sein Arm, seine Beine, es breitete sich immer weiter aus
"Was...?", ich wurde von einem festen Griff aus meinem Starren gerissen. Mein Blick wanderte zu Sam, dann sank ich erschrocken auf die Knie. "Nein!" Ich umgriff sein Gesicht. "Nein! Sam, bitte..." Langsam, aber stetig löste sich sein Körper in graue Partikel auf.
"Ich liebe dich", flüsterte er, als sein Oberkörper gerade begann sich aufzulösen.
"Du kannst nicht gehen, bitte...", ich flehte ihn an, als hätte er eine Wahl, als könnte er etwas dagegen tun, aber ich wusste, dass er ebenso machtlos war wie ich. Tränen füllten meine Augen und ich versuchte sie hartnäckig weg zu blinzeln. Meine Finger strichen über seine Wangen, fühlten seine warme Haut, spürten, wie sie unter dem leichten Druck nachgaben. "Ich liebe dich." Der Zerfall erreichte seinen Hals, dann sein Kinn, seinen Kiefer, die Wangen, Nase, Schläfe, Stirn. Ich hatte das Gefühl er würde mir durch die Finger rinnen, wie Sand. Er zerrann einfach und ich konnte nichts dagegen tun, ich konnte ihn nicht festhalten. Die Wärme unter meinen Fingern schwand, ich spürte seine feste Haut nicht mehr, ich spürte überhaupt nichts mehr. Da war nur Luft. Vor mir lag ein Feld aus Staub. "Nein..." Ich stützte meine Hände auf die Knie und spürte, dass Tränen über meine Wange rannen.
"Sam?", hörte ich Rhody rufen. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen doch immer wieder kamen neue Tränen nach. "Sadie, oh Gott." Ich hörte, dass sich seine Rüstung öffnete, dann spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern. "Geht es dir gut?" Mir wurde alles zu viel. Die Schmerzen, die Erschöpfung, die Trauer. Ich begann zu weinen, zu zittern, meine Finger gruben sich in den Stoff meiner Hose. "Sadie, wie kann ich...?"
"Schon gut, Rhodey. Ich übernehme ab hier", hörte ich Natashas Stimme hinter uns, dann wurden die Hände auf meinen Schultern von einer filigraneren Hand abgelöst. Die Frau ging neben mir in die Hocke und zog mich in eine Umarmung. Ich schluchzte noch immer. "Hey, es wird alles wieder gut. Wir finden einen Weg das hier rückgängig zu machen, okay?" Sie versuchte ruhig zu wirken, doch ich spürte, dass auch Natasha zitterte. Ich wollte mit ihr Mitleid haben, aber ich war viel zu überfordert mit meinen Gefühlen, mir der Taubheit, die sich in meinem ganzen Körper ausbreite und mit der Verzweiflung.
"Wie soll das gehen? Sie sind weg", entgegnete ich mit einer kratzigen, gebrochenen Stimme. Gebrochen war ein gutes Stichwort, denn genau so fühlte ich mich. Meine Knochen, mein Herz, mein Wille, meine Kampfkraft.
"Ich finde einen Weg, hörst du, Sad? Ich höre nicht auf zu kämpfen, bis ich eine Lösung gefunden habe, versprochen", ich löste mich ein wenig von ihr und musterte sie. Sie war mindestens ebenso erschöpft, verwirrt und traurig wie ich.
"Ich habe im Moment einfach keine Kraft, um mir Hoffnung zu erlauben", flüsterte ich, erschreckend taub und emotionslos. Sie nickte verständnisvoll obwohl in ihren Augen kein Verständnis lag. Sie wollte weiterkämpfen. Sie wollte das Unveränderbare bekämpfen.
"Wir sollten zu den Anderen gehen", meinte sie dann leise und half mir auf die Beine. Sofort rächte sich mein Körper und ich hätte vor Schmerzen fast aufgeschrien. Ich konnte kaum stehen und Natasha mich kaum stützen, auch wenn sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
"Ich helfe euch", ich blickte auf und erkannte Okoye. Auch sie versuchte sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
"T'Challa?", fragte ich leise, doch sie schüttelte nur betrübt den Kopf. "Und Shuri?"
"Das wissen wir noch nicht, sie antwortet nicht. Ich habe ein paar meiner übrigen Kriegerinnen zu ihrem Labor geschickt", erklärte sie.
"Mein Beileid", entgegnete ich leise und sie nickte mir nur dankbar zu. In ihren Augen erkannte ich, neben Trauer auch Mitleid mit mir. Ich hoffte nur, dass es Shuri wenigstens gut ging, dass ich wenigstens eine Person nicht verloren hatte. Ein Jet holte die anderen und mich ab. Ich hätte den Weg zurück nach Wakanda auch nicht geschafft. Okoye wies eine Kriegerin an, mich auf die Krankenstadtion des Palastes zu bringen. Dort kümmerten sich die Schwestern um mich. Mir war es inzwischen ziemlich egal, was mit mir geschehen. Nach diesem Tag war ich schlichtweg erschöpft und taub. Mein Körper atmete spürbar auf, als die ersten Schmerzmittel und die Narkose durch meine Venen liefen. Ich hatte im Moment weder die Kraft noch den Willen mich gegen irgendetwas zu wehren, dass mit mir geschah und im Moment erschien es mir durchaus attraktiv in ein unendliches, schwarzes Nichts zu fallen.

Als ich wach wurde, lag ich in einem weiß gehaltenen Aufwachzimmer mit einem Panoramafenster, dass einen Blick auf Wakanda bot. Selbst durch die Stadt zogen sich noch immer Rauchwolken. Ächzend setzte ich mich auf und spürte dabei, dass ich noch an eine Infusion geschlossen war. Ich schwang die Beine ziemlich müßig aus dem Bett und zog mich an meinen Infusionshalter auf die Füße. Für einen Moment verschwamm mein Blickfeld und die Welt um mich herum begann sich zu drehen. Blinzelnd fixierte ich mich auf einen Punkt, bis mein Blick wieder klar war, dann verließ ich den Raum langsam.
"Miss!", auf dem Gang stürmte mir sofort eine Schwester entgegen. "Sie müssen sich ausruhen. Sie sind frisch operiert."
"Ich habe mich ausgeruht, vermutlich mehrere Stunden", entgegnete ich nüchtern und lief weiter. Die Schmerzmittel benebelten noch immer etwas meinen Kopf, aber das war gut, so konnte ich Gedanken von mir fernhalten, die ich im Moment nicht denken wollte.
"Aber das ist nicht...die Narkose...", ich ließ sie nicht ausreden und folgte stattdessen dem Gang, den ich mit der Kriegerin gekommen war. Ich lief, bis ich an eine Tür kam, die von zwei Dora bewacht wurde. Sie tauschten einen Blick aus, ließen mich aber doch ein.
" Sadie!", Natasha sprang auf, sobald ich den Raum betrat. "Oh Gott. Setz dich erst mal." Sie griff meinen Arm und brachte mich zu einem Stuhl, dabei schleifte ich den Infusionshalter mit mir. Ich atmete für einen Moment durch, dann blickte ich auf und suchte Okoyes Blick.
"Shuri?", fragte ich vorsichtig.
"Sie ist nicht unter uns, die Königin trauert sehr", ich fühlte mich mies, weil ich nicht so traurig war, wie sie es verdient hatte aber mein Gehirn war mit dieser Art von Nachricht im Moment völlig übersättigt.
"Wen haben wir noch verloren?", fragte ich dann.
"Eine weltweiten Analyse läuft noch", erhob nun Steve das Wort. "Was uns angeht wissen wir es mit Sicherheit im Moment von Wanda, Bucky, Groot..." Ich blickte ihn fragend an.
"Der Baum", warf Thor ein und ich nickte.
"...Sam...", Steve warf mir einen traurigen Blick zu. Für ihn war es ebenso hart, immerhin hatte er heute seine zwei besten Freunde verloren. "...und Vision. Vermisst werden im Moment Tony, Dr. Stephan Strange und ein paar seiner Freunde." Er deutete auf den Waschbären.
"Ich bin übrigens Rocket", stellte dieser sich vor.
"Sadie", antwortete ich knapp.
"Vergiss den Jungen nicht, wir müssen annehmen, dass er bei Tony war", wandte Bruce ein. "Dieser Spinnen-Typ."
"Peter Parker?", mein Kopf fuhr mit einem Ruck nach oben.
"Du kennst ihn?", fragte Steve.
"Ich habe ihn für Tony gefunden und beobachtet, das war eine ganze Weile vor Leipzig. Er hatte ihn auf YouTube gesehen und wollte, dass ich ihn im Auge behalte", erklärte ich. "Gott, er war noch auf der High-School." Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht sollte ich mich bei Happy melden, damit er bei Peters Tante nach dem Rechten sehen konnte. Soweit ich mich erinnerte, hatte sie ihren Mann verloren und stand jetzt, ohne Peter, ganz allein da. Falls Happy noch da war und überhaupt mit mir sprach. Ich sollte auch Pepper anrufen und mich nach ihr erkundigen. Wenn Tony wirklich verschwunden war, dann war auch sie ganz allein.
"Auf der Welt herrscht im Moment das Chaos", meinte Steve dann. "Wir fliegen morgen früh nach Amerika zurück, um zu helfen, wo wir können."
"Kommst du mit?", Natasha blickte mich fragend an. Ich schüttelte leicht im Kopf.
"Ich bleibe hier und helfe, so gut ich kann", mein Blick traf wieder Okoyes. Sie nickte uns lächelte für einen Moment.
"Okay, dann telefonieren wir bald", Natasha erhob sich und auch die anderen verließen den Raum, während ich mich wieder erhob. Steve blieb vor mir stehen, eh er mich für einen Moment in eine tröstende Umarmung zog.
"Es tut mir leid", hörte ich ihn leise sagen.
"Das muss es nicht", antwortete ich. "Mein Beileid." Er löste sich etwas.
"Vielleicht gibt es wirklich einen Weg, Sadie", er musterte mich.
"Vielleicht, wer weiß", ich zuckte schwach mit den Schultern. "Aber ich bin einfach kein Optimist."

Spy // "Avengers"-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt