Als ich am nächsten Tag, nach einer zugegebenermaßen ziemlich kurzen Nacht, aufwachte und mein Handy nahm, um es auf neue Nachrichten zu überprüfen, sah ich, dass ich ziemlich viele verpasste Anrufe von Ruby hatte. Eigentlich wollte ich sie ignorieren, konnte es aber doch nicht und stand deshalb seufzend auf und ging zum Fenster, um nach draußen zu sehen, während ich darauf wartete, dass sie abhob. "Hey Serena, wie geht's dir?", fragte sie und ich konnte hören, dass sie vermutlich gerade lächelte. "Ganz gut. Wie geht's Finn? Ist er gerade bei dir?", erwiderte ich und versuchte meine Stimme kalt und emotionslos klingen zu lassen. "Finn? Wieso sollte er bei mir sein?" "Weil du ihn ja im Gegensatz zu mir bestimmt schon deinen Eltern vorgestellt hast und es deshalb kein Problem wäre, wenn er bei dir übernachtet." "Ich habe dich meinen Eltern vorgestellt." "Ja, als deine beste Freundin! Verdammt Ruby, kannst du nicht endlich akzeptieren, dass du lesbisch bist? Weißt du wie sehr es mich verletzt, wenn ich dir jeden verfluchten Tag dabei zusehen muss, wie du irgendwelchen dahergelaufenen Typen die Zunge in den Hals steckst?" "Ich habe schon vor Jahren akzeptiert, dass ich niemals etwas für einen Jungen empfinden werde, aber ich weiß ganz genau, dass meine Eltern damit nicht klarkommen würden. Und Finn benutze ich doch nur als Alibi." "Alibi hin oder her, ich möchte diejenige sein, mit der du in der Schule Händchen hältst, diejenige, der du unter der Stunde Zettelchen zuwirfst und mit der du dir in der Pause auf dem Schulhof deinen Muffin teilst. Ich will endlich offiziell deine Freundin sein!" "Serena, es tut mir leid, aber du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht geht." "Und wieso nicht? Weil du zu verklemmt bist! Ich habe mich schon vor Jahren geoutet und bis auf ein paar Ausnahmen hat es jeder akzeptiert. Du kannst das auch!" "Nein Serena, kann ich nicht. Meine Eltern würden mich hassen." "Weißt du was, ruf mich wieder an, wenn du dir im Klaren darüber bist, wie wichtig dir unsere Beziehung wirklich ist. Entweder du gibst endlich offen vor allen zu, dass wir zusammen sind, oder ich beende das, was zwischen uns ist." "Serena..." Ich ließ Ruby gar nicht mehr aussprechen, sondern legte einfach auf und ließ mich weinend auf mein Bett fallen. Für alle war es immer so einfach, nur für mich nicht. Das war nicht fair.
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Secret Love
ContoSonne und Mond, Tag und Nacht, schwarz und weiß, Serena und Ruby. Das komplette Gegenteil von einander und trotzdem gehören sie irgendwie zusammen. (August 2019) (Titelbild von mattxiv auf Instagram)