Milano Miracle - Kapitel 2: Geplatzter Traum

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Als wir durch das Stadtzentrum von Mailand fuhren, hatte ich die Möglichkeit, einen ersten kleinen Blick auf einige der Sehenswürdigkeiten zu werfen, die diese wunderbare Stadt zu bieten hat. Wir fuhren am beeindruckenden Mailänder Dom vorbei, einem wahren Wahrzeichen der Hauptstadt der Lombardei. Ich konnte es kaum erwarten, eine kleine Tour durch Italiens zweitgrößte Metropole zu machen, um ihre Schönheit in jedem Winkel und jeder Gasse zu entdecken. Castello Sforzesco, Pinacoteca di Brera, Poldi-Pezzoli Museum und Civica Galleria d'Arte Moderna waren nur einige meiner ersten Anlaufstellen. Aber eins nach dem anderen. Zuerst einmal war es meine Aufgabe, die Verantwortlichen der Modeagentur zu treffen und sie von meinen Entwürfen zu überzeugen. Danach blieb genügend Zeit, um Mailand und seine Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Nach etwa 30 Minuten Fahrt kamen wir schließlich an der Adresse meiner Unterkunft an. Sie lag an einem großen und belebten Boulevard und sah von außen sehr einladend aus. Ich bezahlte meinen exzellenten Chauffeur mit einem großzügigen Trinkgeld für seinen hervorragenden Service, das er wirklich dankbar und glücklich entgegennahm. "Gibt es auch die Möglichkeit, einen ganz bestimmten Fahrer in Ihrem Taxiunternehmen anzufragen?" fragte ich ihn hoffnungsvoll. "Frag nach Vincenzo." Er klang sehr erfreut, als er das sagte. "Bis gleich, Vincenzo!" "Enzo für dich, mein junger Weltenbummler!" flüsterte er, während er zwinkerte und wegfuhr. Ich muss zugeben, dass ich mir keinen besseren ersten Eindruck von der mailändischen Gastfreundschaft hätte vorstellen können, als diesen wunderbaren Taxifahrer zu treffen. Aber jetzt war es erstmal Zeit für den Check-in.

Ich betrat die Lobby und war nach ein paar wenigen Sekunden sofort begeistert. Das Gebäude war von außen nicht sonderlich auffällig, aber es stellte sich im Nachhinein als große Überraschung heraus. Es war eine behagliche Mischung aus Puppenhaus und Kunstgalerie. Bunte Gemälde schmückten die floralen Wände, während prächtige Blumen in noch prächtigeren Vasen die verschiedenen Möbelstücke zierten, die aussahen, als wären sie direkt aus der Barbie-Spielzeug-Villa meiner kleinen Cousine gestohlen worden. Die Rezeption war leer, also drückte ich die muschelschalenförmige Klingel. Einen Moment später kam eine Empfangsdame. Um ehrlich zu sein, bildete ihr Auftreten einen extremen Kontrast zur kitschigen und ausladenden Einrichtung. Sie stand hinter der Theke mit einem weißen Hemd, einer dunklen Jacke und einer schwarzen Fliege. Dennoch war ihre Erscheinung mit leicht gebräunter Haut, den langen braunen Haaren und ihrem weißen Lächeln in Kombination mit den tiefblauen Augen sehr schön. Sie war also nicht die optische Märchenprinzessin mit Rüschen, Diadem und Zauberstab, vor der ich Angst hatte, ihr hier zu begegnen, aber dieser Stilbruch war mir doch tausendmal lieber als ein Alptraum in Ballkleid. Ich meine, ich bin ein großer Fan von Außergewöhnlichkeit und Extravaganz, aber auch ich habe da meine Grenzen. Nach dem Einchecken kam ich in meinem Zimmer im ersten Stock an. Nummer 12. Das war schon mal ein gutes Zeichen, denn 12 ist für gewöhnlich meine Glückszahl. Die Schlüsselkarte öffnete das Schloss direkt nach dem ersten Versuch. Äußerst begrüßenswert wie ich finde, denn normalerweise stehe ich jedes Mal am Rande eines Nervenzusammenbruchs, wenn die Tür nach dem 362. Versuch immernoch nicht aufgeht. Alle Anzeichen deuteten auf einen erfolgreichen Tag hin, sodass die kooperative Schlüsselkarte mir noch mehr Selbstvertrauen gab. Hoffentlich würde ich in ein paar Sekunden nicht feststellen müssen, dass sich mein Zimmer als flauschig-bauschige Einhornplüsch-Hölle entpuppen sollte.

Doch ich stellte schnell fest, dass meine Sorgen unbegründet waren. Gott sei es gedankt, getrommelt und gepfiffen. Der Raum war zwar im gleichen floralen Renaissancemotto wie die Lobby eingerichtet, aber der Umfang war angemessen und noch immer stilvoll. Blumen auf dem Nachttisch, kleine Skulpturen im ganzen Raum und winzige Seifenmuscheln im Bad. Es war zudem geräumig, voll ausgestattet und sauber. Aber ich hatte nicht mehr viel Zeit, um Weichheit der Matratze, Verfügbarkeit aller wichtigen TV-Kanäle, das Angebot der Minibar und die 1000 verschiedenen Duschfunktionen die ich in Hotels so sehr liebe, zu testen. Aber ich beschloss, mich nach meiner Leistung definitiv mit einer langen und heißen Regenschauerdusche zu belohnen. Vorerst war es an der Zeit zu meinem Treffen mit den Leitern der Modedesignagentur aufzubrechen. Ich rief das Taxiunternehmen an und bestellte Enzo zu meiner Adresse. Ich fischte die Skizzen aus meinem Koffer, steckte sie in meine Umhängetasche und ging. Enzo fuhr in dem Augenblick vor, als ich durch die Drehtür nach außen trat.

Milano Miracle (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt