Wiedergeburt

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Es war wie der Schmerz, der all dem ein Ende setzte und doch war es nicht das Ende. Zumindest nicht endültig. Es war der Beginn. Der Beginn etwas ganz Großen. Der Anfang vom Ende.

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Und so drehte sich Elena mühselig auf den Rücken und wagte den Versuch endlich nach Luft zu schnappen. Fast schon panisch, als wäre es die letzte Möglichkeit gewesen - die letzte Chance, die man ihr gab. Der Matsch in dem sie lag, schien ihr Körper nun wie eine zweite Haut einzuhüllen. Ihr Blick noch immer verschlossen vor der Welt, die sie erwartete. Fast genauso hilflos wie ein kleines Kind, dass die ersten Schritte wagte. Jedes Mal scheiterte der Versuch, wenn Elena endlich glaubte, sie könnte in die Hocke. Ausgerechnet dann kam das kalte Wasser und überrannte sie von hinten, spülte etwas den lästigen Schlamm von ihr ehe es sich wieder zurück zog und doch lag sie erneut am Boden. Hustend und röchelnd.
Als wäre das nicht genug war da dieses Zittern, das ihren Körper einnahm. Dass ihr signalisierte, dass sie eigentlich längst keine Kraft mehr hatte und als der Gedanke endlich durch die dicke Schicht Watte in ihren Kopf drang, dass aufgeben durchaus eine Option war, hörte sie nicht nur das Rauschen der Wellen, dass sie immer wieder am eigenen Leib zu spüren bekam, sondern auch ein Knirschen. Schwere Schritte im Sand, die näher kamen.

Vollkommen erschöpft begann Elena nun zu blinzeln, doch sie sah nichts, als die blendende Sonne. Alles war hell und strahlend, sodass sie direkt wieder die Augen schloss. Die leichte Wärme, die sich auf ihrer Haut bemerkbar machte, war wohl das Einzig angenehme daran. Jedoch nur so lange bis ein dunkler Schatten sich vor ihr aufbaute. Erneut blinzelte die junge Frau, sah jedoch nichts als schwarze Stiefel. Zittrig strich sie sich den Schlamm aus den Augen und hob den Kopf.

Es war ein Mann. Er konnte höchstens so groß sein wie sie selbst und doch wirkte er aus dieser Perspektive riesig. Als wäre sie ein kleiner mickriger Wurm, der um sein Leben strampelte. Als er dann in die Hocke ging, stemmte sich Elena auf ihren Unterarm. Mit viel Mühe und Kraft raffte sie ihren zitternden Leib auf und konnte dem Mann nun richtig ins Gesicht blicken.
Er trug einen Zylinder, wie die meisten Anderen auch. Ein schwerer dunkler Mantel, der seine Schultern schmückte ehe ihr Blick den Verlauf seines Bartes folgte. Vom Kinn über den Kiefer entlang hoch bis zu den Wangenknochen, die ganz dezent zu sehen waren. Erst da sah sie die Narbe direkt am Auge und musste schlucken ehe sie das Gefühl hatte in die Augen des Bösens zu blicken. Selbst der Matsch konnte nicht verhindern, dass sich ihre Nackenhaare fast schon vor Angst stellten. Ausgerechnet von allen Menschen auf dieser Insel musste ausgerechnet er sie empfangen?

Noch wog Elena ab, ob es nicht gesünder war, sich wieder im Schlamm zu verkriechen. Doch dieser Mann schien andere Pläne zu haben, denn er streckte bereits eine Hand nach ihr aus. Erst hob er nur ihr Kinn, doch als die junge Frau fast schon selbstbewusst den Kopf wegdrehte und ihm jeglichen Blick in ihre walnussbraune Augen verwehrte, hörte sie ihn schnauben. Deutlich forscher umfasste er nun ihr Kinn, drehte ihr Gesicht gegen ihren Willen in seine Richtung und Elena blickte ihn eher drohend an, als würde sie ihn gleich beißen.
Sie konnte sein Gesichtsausdruck kaum deuten. Es wirkte... wie ein leeres Blatt Papier. Wie eine Fassade hinter die sie nicht blicken konnte und doch war sein Blick so durchdringend wie ein Dolch, der sich in ihren Brustkorb bohrte. Unbehagen war wohl das treffenden Wort dafür, was die dunklen Augen des Mannes in ihr auslösten.

"Dein Name.", brummte die Stimme in einem tiefen Bariton deren Schwingungen schon fast greifbar in der Luft lagen. Sie schluckte. Wahrscheinlich war es aus bloßer Angst oder purem Überlebensinstinkt, als sich Elena instinktiv wünschte, dass sie weit weg war von... wo auch immer sie gerade war. Dass sie spürte wie ihr Körper sich förmlich auflud, als würde sie die letzte Kraft nutzen nur um diesen Wunsch sich selbst zu erfüllen. Die Spannung lag förmlich in der Luft um sie herum, so deutlich, dass auch der Mann ihr gegenüber sich anspannte. Als jegliches Licht um sie herum brach und Elena schon fast vergaß, dass der Herr noch immer seine Finger an ihr hatte.
Normalerweise wäre sie nun weit weg, würde irgendwo am Boden liegen und nach Luft ringen, so wie sie es zuvor getan hatte. Hoffentlich an einem weit angenehmeren Ort als diesen. Doch Elena selbst schien ziemlich früh zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.

TabooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt