Väterliche Sorgen

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Selena saß gemeinsam mit Angela in der kleinen Wohnstube der Kräuterfrau und hatte gerade ihren Bericht beendet. Da sie immer noch bei ihrem Onkel in seinem Haus lebte hatte Angela ihre Schülerin gebeten ein wenig die Ohren offen zuhalten was so in Alagaesia vor sich ging. Selena war nicht unbedingt begeistert von dieser Aufgabe gewesen. Immerhin hatte ihr Oheim sie bei sich aufgenommen und sie war nicht unbedingt erbaut davon ihn quasi aus zu spionieren. Angela hatte sie aber schließlich überzeugt. Sie hatte ihre Schülerin zu verstehen gegeben, dass aufmerksames beobachten und zuhören fest zu den Aufgaben gehörte, die das Schicksal ihnen nun einmal auferlegt hatte.
"Die Dinge geraten also in Bewegung." murmelte Angela als Selena vom bevorstehenden Besuch auf Vroengard sprach. Gedankenverloren kraulte die Kräuterfrau den Werkater Solenbum der sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte.
"Glaubst du dass es einen Zusammenhang gibt mit dem was die Knochen über Vroengard zu berichten wussten?"
"Da bin ich mir sogar ziemlich sicher."
"Sollten wir da nicht mit meinem Onkel darüber reden."
"Ich denke schon aber ich glaube nicht, dass wir ihm noch viel sagen müssen."
Ein merkwürdiger Tonfall hatte sich in Angelas Stimme geschlichen während sie nach wie vor Solenbum zwischen den Ohren kraulte. Der Werkater bekundete durch ein kräftiges Schnurren, dass ihm das offensichtlich gefiel.
"Warum?" Selena begriff nicht.
"Weil dein Onkel hervorragende Ohren hat und von dem lauschigen Plätzchen dass er sich hinter der Tür dort gesucht hat sicherlich alles mitbekommen hat."
Selena wirbelte herum und bekam gerade noch mit wie angelehnte Tür, die in das Zimmer führte, geöffnet wurde und ihr Onkel mit einem schiefen Grinsen auf dem Gesicht eintrat. Die junge Frau öffnete gerade den Mund um sich zu entschuldigen als Eragon ihr bereits zuvor kam.
"Selena, du und deine Lehrerin wir haben etwas gemeinsam. In unserem Behausungen geschieht nicht viel was uns entgeht."
Selena schloss ihren Mund einfach wieder und war erleichtert, dass ihr Onkel ihr offensichtlich nicht böse war. Angela indes warf dem Drachenreiter einen schelmischen Blick zu.
"Du wirst immer besser Junge. Ich muss langsam regelrecht kreativ werden um dich im Auge zu behalten."
Lächeln setzte sich Eragon zu den beiden Frauen einen kleinen Tisch.
"Das fasse ich einfach mal als Kompliment auf. Die gegenwärtigen Ereignisse haben also auch deine Aufmerksamkeit erregt."
Angela nickte stumm.
"Droht meiner Tochter in besonderem Maß Gefahr wenn sie sich nach Vroengard begibt?
"Das kommt darauf an wie du Gefahr aus legst Schattentöter. In Gefahr ist man überall. Lediglich das Maß an Gefahr variiert und wie sich eine Situation entwickelt hängt davon ab, wie gut derjenigen, der sich in der Situation befindet mit selbiger umgehen kann. Ihr habt eurem kleinen Mädchen doch wohl beigebracht auf sich aufzupassen oder?"
Nun war es Eragon der Sturm nickte die Kräuterhexe jedoch mit einem Blick bedachte, der deutlich signalisierte dass er mit dieser Antwort nicht zufrieden war.
Angela entging dieser Umstand nicht und daher fuhr sie fort:
"Der Tod hat vor kurzem einen Tribut auf Vroengard gefordert. Zweifellos ist dieser Ort wichtig für die Ereignisse die gegenwärtig ihren Lauf nehmen. Deine Tochter ist nicht in übermäßig großer Gefahr, aber Vroengard ist bei weitem nicht der sicherste Ort. Diese Insel ist ein dunkler Ort geworden und jeder der sich dorthinbegibt sollte vorsichtig sein. Allerdings ist er auch nicht das Zentrum der sich anbahnenden Krise und der Höhepunkt dieser Krise ist auch noch nicht erreicht."
"Ich nehme an, es ist nicht möglich die Krise abzuwenden oder?" erkundigte sich Selenas Onkel und die junge Frau bemerkte durchaus, eine gewisse Resignation in der Stimme ihres Oheims.
"Ach Junge. Im Grunde ist es nicht möglich irgend eine Krise abzuwenden." seufzte Angela. "Alles was passieren kann wird eines Tages passieren wenn bestimmte Faktoren zusammentreffen. Sicherlich kann man augenblicklich den Ausbruch einer Krise verhindern in dem man die Faktoren beeinflusst. Im Grunde schiebt man das Unvermeidliche damit aber nur auf. Ob dies in diesem Fall noch möglich ist hängt von dem ab was sich in den nächsten Tagen auf Vroengard zu tragen wird. In jedem Fall musst du deiner Tochter aber gestatten eine Rolle in den Ereignuissen die nun ihren Lauf nehmen zu spielen. Nach allem was ich weiß ist sie eure größte Hoffnung diese Sache auf eine möglichst positive Art und Weise zu beenden."
"Wieso?"
Eragons Stimme klang Selena überraschend emotionslos. Dieser neutrale Tonfall zeichnete eher die Elfe Arya aus als Selenas Onkel. Der junge Frau konnte nur vermuten dass er sich, wie jeder Vater, Sorgen um sein Kind machte.
Angela und der Drachenreiter blickten sich nun direkt in die Augen und ihre Körpersprache machte es mehr als deutlich, dass der anfängliche verspielte Charakter gänzlich aus der Unterhaltung gewichen war.
"Weil sie gut zuhören kann." antwortete Angela. Als Eragon daraufhin eisern schwieg fuhr Kräuterfrau fort: "Weist du warum ich Zaubertränke und Kräutern nutze um Magie anzuwenden? Würde es dich verwundern, wenn ich dir sage dass ich durchaus auch deine Art und Weise sie zu nutzen beherrsche?"
Eragon hob lediglich eine Augenbraue und ließ sein Gegenüber weitersprechen.
"Die Antwort ist im Grunde was mich betrifft ganz einfach. Die Anwendung von Kräutern und Tränken wird von den meisten Magiebegabten völlig unterschätzt. So mancher arrogante Magier glaubt sogar, dass es sich hierbei überhaupt nicht um eine Anwendung von Magie handelt. Sie denken dass wir einfach nur die natürlichen Kräfte dies in manchen Pflanzen gibt nutzen. Sicher ist das bekannt, dass bei einer Erkältung Kamillentee hilft aber mit Magie hat das recht wenig zu tun. Die Fähigkeit Zaubertränke herzustellen setzt sich zusammen aus einer Nutzung der natürlichen Eigenschaften einer Pflanze die man mit Magie verstärkt. Dadurch müssen wir, die wir diese Art von Zauberei praktizieren, oft weit weniger Kraft aufwenden um etwas zu vollbringen als ihr, die ihr Magie direkt einsetzt. Erinnerst du dich noch an einige Schlachten während des Krieges gegen Galbatorix? Ich habe da einige seiner Soldaten mit Tränken bombardiert und ihnen sind daraufhin überall Pilze gesprossen. Hast Du mich vielleicht zu den Pflanzen singen gehört?"
"Ehrlich gesagt nicht." räumte Eragon ein. "Ich habe das damals einfach akzeptiert. Wenn ich heute jedoch auf das zurückblicke was du vollbracht das muss ich sagen, dass es mehr als außergewöhnlich war. Ein so extremes Pflanzenwachstum auszulösen kostet sehr viel Kraft."
"Eben!" feixte Angela. "Was ihr da mit der Magie angestellt ist im Grunde gegen die Natur. Wir, die wir Kräutern nutzen arbeiten Hand in Hand mit der Natur. Aber ich nehme an das sich Moment mehr interessiert was das mit deinem Töchterchen zutun hat, nicht wahr?"
"Im Grunde habe ich schon eine gewisse Vorstellung."
"Ach wirklich Junge? Dann erleuchtete doch bitte deine alte Freundin."
Eragon lächelte müde und begann seine Einschätzung zu offenbaren.
"Wir wissen noch nicht viel über das was die Zwerge Marantera nennen und was sie daran fürchten aber eine Formulierung taucht immer wieder auf: Leben wie es nicht sein darf. Meiner Meinung nach gibt es solches Leben nicht. Es gibt nur lebender sich an einem Platz aufhält wo es nichts zu suchen hat weil es die natürliche Ordnung stört. Die Fähigkeiten meiner Tochter zu hören und zu verstehen die über das normale Maß hinaus. Ihre Fähigkeit könnte dazu führen dass wir eine Lösung für das Problem finden, die kein anderer finden würde weil er nicht im Stande wäre zu begreifen."
"Jungchen!" Angela lächelte höchst erfreut. "Du wirst wirklich langsam gut!"
Noch einmal lachte Eragon leiser und freudlos.
"In der Nachricht, die mein Vater Brom Saphira mitgegeben hat sagte er, dass er sich wie gewünscht hat, dass ich zum Drachenreiter berufen werde. Nun bin ich selbst Vater und meine Tochter ist eine Reiterin. Ich beginne langsam zu verstehen was er gemeint hat."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt