-~16~- Ich habe da einen neuen Fall

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Einige Wochen später besuchte John Sherlock in der 221B, um ihn endlich von den nächtlichen Ruhestörungen durch aggressives Geigespielen und das Schießen auf den Smiley an der Wand in der Wohnung abzuhalten.
Mrs. Hudson hatte John verzweifelt angerufen, da sie den Detektiv einfach nicht mehr aufhalten konnte und wollte.

,,Sie müssen damit aufhören", erklärte John seinem Freund, der ihm nicht wirklich Aufmerksamkeit schenkte. Der Detektiv saß in seinem Sessel, hielt in einer Hand seine Geige und in der anderen den Bogen. Er setzte einen Finger auf die E-Saite und spielte einen langen, ohrenbetäubend hohen Ton.
John verzog das Gesicht. ,,Nehmen Sie endlich einen neuen Fall an! Sie haben so viel Auswahl!", rief er über das Geräusch hinweg.
Nun hielt Sherlock mit dem Bogen inne. ,,Ich kann nicht. Die neuen Fälle sind langweilig und ich muss nachdenken", antwortete er.
,,Sie denken seit Wochen nach", erwiderte John und hob seine Hände genervt an. Er löste seinen Blick von dem Detektiv und sah zum stummgeschalteten Fernseher herüber.
,,Sherlock, sehen Sie mal." Er deutete auf den flimmernden Bildschirm. Er griff nach der Fernbedienung und stellte auf laut.
,,...war vor einigen Wochen in einem Fall freigesprochen worden. Er wurde verdächtigt die Ehefrau von ehemals Detective Inspector Miller getötet zu haben. Mr. Miller suchte Mr. Tadfield einige Wochen nach der Verhandlung auf, um ihn zu konfontieren. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung und zu einem Brand der Ferienwohnung Tadfields, worauf er von Mr. Miller aus den Flammen gerettet wurde. Er starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
Mr. Miller wurde vor wenigen Stunden dem Gericht vorgeführt. Momentan beraten die Geschworenen-" Sherlock griff nach der Fernbedienung in Johns Hand, schaltete den Fernseher aus und unterbrach damit die Berichterstattung. Er griff nach seinem Mantel und stürmte nach draußen. John folgte ihm, wohl wissend wo er hinwollte.

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Einige Stunden später standen die beiden vor der Haustür von Millers Haus. Es war bereits dunkel.
Als er öffnete und die beiden erblickte, nahm er seinen Mantel von der Garderobe und trat nach draußen. ,,Ich bin kurz weg, Jim", rief er noch, bevor er die Haustür hinter sich zuzog.
,,Ich nehme an, Sie brauchen jetzt viel Glück", sagte Sherlock, doch man konnte aus seiner Stimme einen wissenden Unterton heraushören.
,,Ja, da haben Sie recht. Sind Sie deshalb den ganzen Weg hergekommen? Um mir das zu sagen?" Er ging an den beiden vorbei und lief den Weg entlang, Sherlock und John kamen sofort nach.

,,Ehrlichgesagt, nein. Ich habe da einen neuen Fall...", erwiderte Sherlock.
,,Worum handelt es sich?", fragte Miller interessiert.
Der Detektiv gab ihm einen faszinierten, aber auch amüsierten Blick.
,,Nehmen wir mal an, dass ein Verdächtiger einen Mann aufsucht, mit dem Vorwand, mit ihm sprechen zu wollen, ihn aber in Wirklichkeit umbringen will, aus Rache", begann er.
,,Dann braucht er sicherlich einen außergewöhnlich brillanten Plan, um damit durchzukommen", warf Miller ein.
,,So ist es", erwiderte Sherlock. ,,Nehmen wir an, der Verdächtige weiß von einer seltenen Allergie des Mannes-"
,,Woher soll er diese Information haben?", fragte Miller.
,,Nun, die beiden kannten sich, flüchtig, aber so gut, dass der Mann dem anderen erzählt hatte, dass er eine solche Allergie hat", antwortete Sherlock, woraufhin Miller verstehen nickte.
,,Er hatte also ein Messer im Alltag mit dem Allergen in Berührung gebracht, zum Treffpunkt mitgenommen, und als der Mann ihn aus Wut angreift, verletzt der Verdächtige ihn damit aus Notwehr", erklärte Sherlock weiter.
,,Ich sehe die Brillianz noch nicht. Die Gerichtsmedizin könnte das Allergen nachweisen", sagte Miller.
,,Der Mann erleidet einen allergischen Schock", fuhr Sherlock fort.
,,Menschen mit einer so starken Allergie haben meistens immer ein Notfallset bei sich, zum Beispiel einen Epipen", erklärte John.
,,Der Verdächtige ruft den Notarzt an, um nachzufragen, wie er ihn benutzt", sagte Sherlock.
,,Es gibt also eine Aufnahme von dem Telefonat", erkannte Miller.
,,Richtig. Aber wie kann er sicher sein, dass der Mann, den er töten will, auch wirklich stirbt?"

Miller sah ihn gespannt an.

,,Er hatte einen anderen Epipen dabei. Einen, den er vorher entleert und mit dem Allergen gefüllt hat. Er ruft also den Notarzt und dieser leitet ihn praktisch durch das Verbrechen. Das ist fast Beihilfe zum Mord, oder?", antwortete der Detektiv auf seine eigene Frage.
,,Mmh... Aber im Haus gibt es so viele Beweise, die ihn verraten würden. Was macht er dagegen?", fragte Miller nachdenklich.
,,Mysteriöser Weise bricht ein Feuer in der Ferienwohnung aus und der Verdächtige rettet den Mann aus den Flammen. Als die Rettungskräfte eintreffen, befinden sich die beiden bereits draußen und in Sicherheit. Der bewusstlose Mann stirbt jedoch noch auf der Fahrt ins Krankenhaus", antwortete Sherlock.
,,Brilliant. Aber der Plan hat Schwachstellen", erwiderte der Braunhaarige. ,,Was ist mit dem zweiten Epipen? Er kann ihn nicht im Krankenhaus entsorgen und auch nicht den Flammen überlassen. Die Gefahr ist zu groß, dass er gefunden werden könnte. Wo hat er ihn überhaupt her? Man braucht dafür ein Rezept. Und was ist mit der Einstichstelle des Lebensretters? Sie muss durch das Allergen geschwollen sein."
,,Ganz einfach", begann Sherlock. ,,Den Epipen wirft er auf der Fahrt zum Krankenhaus einfach unauffällig aus dem Krankenwagenfenster. Er arbeitet viel mit Kriminellen zusammen, sicherlich kann ihm einer von ihnen ein solchen Pen verschaffen. Und die Einstichstelle? Natürlich gibt es tatsächlich in der Beurteilung des Gerichtsmediziners einen kleinen Vermerk zu Schwellungen, aber die Leiche wurde nie auf Epinephrin getestet und wie soll man das noch nachprüfen, wenn die Leiche bereits eingeäschert wurde? Man weiß also nicht, ob der Epipen jemals angewendet wurde."

Miller blieb stehen und die anderen taten es ihm gleich.
,,Ich würde diesen Verdächtigen gerne kennenlernen", erwiderte er. Sherlock sah ihn an. Er war hin und her gerissen zwischen einem Lächeln der Faszination und dem Gefühl der Abscheu, das er normalerweise gegenüber ihm empfinden müsste. Er wusste nicht, was er fühlte, nur, dass es tatsächlich so war.

,,Vielleicht wird es Ihnen vergönnt sein", erwiderte der Consulting Detective, nun doch mit einem Lächeln.
,,Und wobei brauchen Sie nun meine Hilfe?", fragte Miller gespannt.
,,Nichts zu dem Thema, aber ich würde gerne wissen, welcher Anwalt Sie verteidigen wollte."
,,Oh, Sie kennen sie", antwortete Miller lächelnd.
Sherlock nickte. ,,Ich werde mich in Ihre Angelegenheiten nicht einmischen. Ich bin mir sicher, Sie beide haben alles unter Kontrolle."

𝚂𝚃𝙰𝚈𝙸𝙽' 𝙰𝙻𝙸𝚅𝙴 | Sherlock-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt