Mit einem Fuß stehe ich im Meer. Die Frische tut gut und das Wasser umspielt sanft meine Knöchel, während ich den Sonnenuntergang betrachte. Er ist wunderschön. Die Sonne ist schon fast hinter dem Horizont verborgen, nur einzelne rote Strahlen finden den Weg auf das Wasser und in den Himmel. Sie leuchten miteinander um die Wette und kämpfen gegen die Dunkelheit an, die langsam, aber sicher die Kontrolle übernimmt und sie verdrängt. Der Mond ist schon sichtbar und die Sterne strahlen immer heller. Ich merke wie die Nacht hereinbricht und frage mich, wie lange ich wohl schon so hier stehe. Wie bin ich hierhergekommen? Warum bin ich hier? Und wo bin ich überhaupt? Aber sofort bremse ich die aufkeimenden Fragen. Das hier ist zu schön, um es zu hinterdenken. Ich genieße das letzte Licht des Tages und weiß mit einer plötzlichen Sicherheit: Ich werde für immer hier stehen bleiben. Diese Aussicht ist ein Traum und die Luft, noch von der Sonne erwärmt, kühlt sich langsam ab. Ich schließe die Augen. Ich will den Moment festhalten. Lauschend drehe ich den Kopf, versuche die Geräusche und die entspannte Atmosphäre ganz in mich aufzunehmen; schließlich öffne ich sie wieder. Grelle Sonnenstrahlen schießen auf mich herab und blenden meine Sicht. Ich kann, von der plötzlichen Helligkeit überrascht, nichts sehen. Ich blinzle noch einmal und versuche meine Augen an das Licht zu gewöhnen. Ich muss wohl eingeschlafen sein und dabei tief in das Land der Träume gerutscht. Endlich klärt sich mein Blick. Doch was ich sehe, ist nicht das Meer. Es ist die gewohnte Einöde meines Lebens. Mit einem Schlag sehe ich die harte Realität vor mir. Ich stehe nicht im Meer, das war nur ein Traum, ferngesteuert von meinen tiefsten Sehnsüchten. Verwirrt blicke ich umher. Warum fühlt sich mein Fuß dann noch immer nass und kühl an? Nein, kühl nicht mehr, jetzt eher warm. Ich blicke an mir hinunter und gebe einen empörten Schrei von mir. Einen Schrei, den wie immer niemand hört. Wie wagt es dieses Mistvieh sich an meinem Bein zu erleichtern. Ich versuche den Köter zu vertreiben, doch natürlich beachtet er mich überhaupt nicht und uriniert weiter auf meinen Fuß. Und das Herrchen steht daneben und lässt es zu. Was gibt es nur für Menschen auf der Welt? Ich will weglaufen, doch wie immer kann ich mich nicht bewegen. Nein, ich stehe nicht unter Schock, obwohl ich sagen muss, dass mich dieses erbärmliche Tier schon sehr erschreckt hat. Ich kann mich nur nicht bewegen, genauso wenig, wie ich sprechen kann, sodass andere mich hören. Vielleicht habe ich eben eine andere Frequenz, aber das ist mir auch egal. Egal ist mir jedoch nicht, dass ich ein jämmerliches Leben führe. Mit viel zu viel Zeit und absolut nichts zu tun. Ich bin kein normaler Mensch, ich bin auch kein abnormaler Mensch. Damit könnte ich ja noch leben. Nein, ich führe eine niederschmetternde Existenz als Parkbank.
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Die Erlebnisse einer Parkbank
Short StoryKleine Ausschnitte aus dem Leben und Alltag einer Parkbank.