Kapitel 2

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Der Regen trommelte leicht gegen das Fenster der geschlossenen Autotür, nachdem er ins Auto eingestiegen war. Der Frühling kam offenbar doch schneller als gedacht. Er blickte auf, als sein Vater einstieg und sich durch die feuchten Haare strich. „Kein tolles Wetter zur Begrüßung, oder?", fragte Draco und sein Vater seufzte. „Ich denke, dem Wetter ist es recht egal, wo wir gerade ankommen. Deine Mutter hat uns vor dem Abflug schon darauf aufmerksam gemacht, dass es regnet." Dracos Mutter, die schon vor drei Tagen hier angekommen war. Dracos Mutter, deren Verhältnis zu ihm sehr stark abgekühlt war, nach der Sache mit Astoria und das, obwohl der ganze Mist fast schon drei Jahre her war. Drei lange und nicht ganz einfache Jahre. Aber das würde Draco nicht zugeben. Niemals. Es hatte lange genug gedauert, bis er einigermaßen über den Schmerz hinweg war und er würde nicht klein beigeben und zugeben, dass die ganze Sache immer noch an ihm nagte.

Wochenlang waren die Zeitungen voll mit Berichten darüber gewesen. Berichten über die Trennung. Berichten über eine kaputte Astoria. Berichte über ihn, den Frauenheld, der keine Reue verspürte. Seine Mutter hatte fast zwei Monate kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Blaise Reaktion war nicht besser gewesen. Er hatte nur Mitleid für Draco übrig gehabt. Es war nicht so, als hätte Draco es einfach hingenommen. Er war persönlich bei Daphne aufgelaufen, um mit Astoria zu reden, weil er stark angenommen hatte, dass sie bei ihrer Schwester sei. Den Ort, den er am meisten meiden würde. War sie aber nicht. Daphne hatte ihn so ausgiebig und laut beschimpft, dass er sich nicht einmal erklären konnte. Das Missverständnis nicht aus dem Weg räumen konnte. Von ihr hatte er auch erfahren, dass Astoria nicht mehr in England war. Wo sie genau war, wusste er immer noch nicht. Er hatte sich auch nicht mehr viel Mühe gemacht sie zu suchen, nachdem er zu ihrer Arbeitsstelle gegangen war und dort von seinem Freund, der ihm noch einen Gefallen schuldete, erfahren hatte, dass es James Townsend gewesen war, der den Vertrag für sie gelöst hatte und zwar fristlos. Bei dem Gedanken kam ihm immer noch die Galle hoch. Sie hatte ihren Ex-Freund um Hilfe gebeten. Ausgerechnet diesen Kinderschänder. Vermutlich war sie bei ihm in New York.



Draco sah nach draußen auf die verwaschene Gegend, als der Wagen losfuhr „Ich verstehe immer noch nicht, warum wir hier eine Wohnung brauchen. Hätte es ein Hotel nicht auch getan?" Lucius schnaubte: „Wir erweitern hier unser Unternehmen um einen Zweig. Das bedeutet viel Arbeit. Wir müssen Mitarbeiter einarbeiten und für unser Unternehmen werben. Unseren Kundenstammbaum erweitern. Glaub mir, das ist viel Arbeit und kostet Zeit. Du wirst froh sein, wenn wir hier eine Wohnung haben und du nicht ständig hin und her jetten musst, zwischen Frankreich und England. Mal abgesehen von dem ganzen Stress, der durch das ständige Umziehen von einem Hotelzimmer ins Nächste verursacht werden würde. Ich weiß, wovon ich spreche." Draco rollte stumm mit den Augen. Natürlich wusste er das. Sein Vater hatte die Firma von Dracos Großvater damals erst richtig groß gemacht. Er kannte diese Geschichte zur Genüge. „Wenn Frankreich nicht so verbissen wäre, könnten wir einen Kamin anlegen lassen", murmelte Draco und sein Vater atmete schwer aus. „Es hilft nichts, darüber zu schimpfen. Frankreich wird nie ein gemeinsames Flohnetzwerk mit England haben. Das haben sie damals, zu Zeiten der Koboldaufstände, abgeschafft. Du kannst nicht etwas ändern, was schon seit Jahrhunderten so ist. Die Franzosen sind in der Hinsicht sehr... nun nennen wir es doch nachtragend."


Draco schwieg und sein Vater meinte gelassen: „Außerdem wird dir der Abstand zu England gut tun. Du kommst endlich etwas raus aus deinem Trott." Draco zog seine Brauen nach oben. „Wieso? Wird die Arbeit hier weniger werden als in England?" Sein Vater bedachte ihn mit diesem mitleidigen Blick, den Draco nicht leiden konnte. „Du weißt was ich meine." Sicher. Das Draco wieder mehr ausgehen sollte. Sich mit Leuten treffen sollte. Am besten mit einer Frau. „Ich hab keine Ahnung von was du sprichst", log Draco und wandte sich von seinem Vater ab, während dieser seufzte. Draco wusste genau woher der Wind wehte. Sein Vater machte sich Sorgen, dass die Familie ausstarb. Immerhin würde Draco dieses Jahr achtundzwanzig Jahre alt werden. Verflucht, er wurde langsam alt. Aber es war ihm egal.

Er wollte die Augen schließen und setzte sich ruckartig auf, als auf der zweispurigen Straße ein Wagen neben ihnen stehen blieb und er einen Blick ins Wageninnere erhaschte. Er erhob sich fast vom Sitz, als der Wagen weiterfuhr und sein Vater fragte neugierig: „Was ist los?" „Ich....", fing Draco an und brach dann doch ab.

Er ließ sich auf den Sitz zurückfallen und schüttelte kaum sichtbar den Kopf. „Nichts. Ich hab mich geirrt." Er dachte für einen Moment, es wäre Astoria gewesen, die auf der Rückbank des anderen Autos sitzen würde. Er schloss die Augen und fuhr sich an die Stirn. Er würde nicht wieder anfangen, in jeder brünetten Frau Astoria zu sehen, so wie er es in den ersten Monaten nach der Trennung getan hatte. Er hat gedacht, dass er diese Phase hinter sich gebracht hat. Und auch, wenn es Astoria gewesen wäre, was würde das ändern? Nichts. Rein gar nichts, nach dieser langen Zeit. Sie brauchten fast eine Stunde bis ein moderner Wohnungskomplex aus viel Glas in Sicht kam und das Auto in die Tiefgarage des Gebäudes fuhr. Er stieg aus und streckte sich leicht. Er würde jetzt eine Runde schlafen und dabei jeden Gedanken an seine Ex-Freundin verwerfen. Er würde sich morgen voller Elan in die Arbeit stürzen und dabei helfen, den Standort der Firma hier in Marseille aufzubauen. Das war genug Ablenkung für die nächsten Wochen oder Monate. Zumindest war das Dracos Hoffnung, als er in den Aufzug einstieg und nach oben fuhr.

Sie will nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt