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Mit einem Stirnrunzeln starrte ich auf die Bücherliste vor mir auf dem Tisch, welche anscheinend nicht mehr enden wollte. Heute hatte ich den ersten Tag an meinem neuen College, doch neu war mir dort nichts. Meine Mutter war ab und zu eine Dozentin dort gewesen und hatte mich als kleines Kind dorthin mitgenommen, wenn sie keinen Babysitter für mich fand oder der Kindergarten geschlossen war. Doch das war einmal, denn vor genau zwei Monaten, bekam meine Mutter ein top Angebot als Chefärztin der Chirurgie, in einem der renommiertesten Krankenhäuser in Washington. Nach einer langen Diskussion und kleinen Streitereien, erlaubte sie es mir, alleine hier in Südkorea zu bleiben, unter der Voraussetzung, dass ich mich für ein Medizinstudium an ihrer alten Universität einschrieb. Natürlich sträubte ich mich etwas dagegen, denn nur weil meine Mutter eine anerkannte Chirurgin war und schon etliche Preise und Urkunden besaß, hieß das nicht, dass ich auch so werden wollte wie sie. Aber ich wusste, dass sie mich in Amerika ebenfalls dazu gezwungen hätte. Deswegen willigte ich letztendlich ein, denn ein College in meiner Heimat, war mir immer noch lieber, als in einem fremden Land, wo ich mich nicht wirklich mit der Kultur auskannte und auch nicht wusste, wie die Einheimischen dort tickten.
Das Gute an der ganzen Sache war, dass ich die vielen Bücher auf der Liste schon fast alle beisammen hatte, da meine Mutter wahrscheinlich mehr als die Hälfte aller Medizinliteraten auf dieser Welt besaß.
»Hey, Hyerin.« Ich hörte wie der Stuhl vor mir zurückgezogen wurde und eine kleine, zierliche Person vor mir Platz nahm. Schnell faltete ich die Liste zusammen und steckte sie zurück in meine Umhängetasche, welche meine Mum mir mal als Souvenir aus Japan mitgebracht hatte. Ja, sie war schon immer viel herumgereist, wegen ihres Jobs.
Mit einem Lächeln faltete ich die Hände unter meinem Kinn und platzierte meinen Kopf auf ihnen. »Eonni, hast du etwa schon Pause?«, fragte ich Younjin, welche in der Oberschule eine Stufe über mir gewesen war und nun schon seit gut einem Jahr in meinem Stammcafé arbeitete. Wir hatten früher nicht wirklich viel miteinander zu tun gehabt. Ab und zu hatte man sich vielleicht mal auf einem Geburtstag gesehen, aber mehr nicht.
Doch dies änderte sich, als sie hier anfing und ich war schon etwas verwundert gewesen, als ich die zierliche Schönheit hier das erste Mal gesehen hatte. Eigentlich gingen die meisten meiner alten Schulkameraden auf ein College im Ausland oder in einer Großstadt wie Seoul zum Beispiel. Die Wenigsten blieben so wie wir, in unserem kleinen Dorf zurück, wo jeder jeden kannte.
»Pause? Wir haben gerade mal elf Uhr. Schau dich doch mal um, du bist eine der Wenigen, die gerade hier ist. Meistens kommen die Leute ab zwölf. Also solange keiner bezahlen möchte und es keine Tische zum abputzen gibt, kann ich mich ruhig für ein paar Minuten hinsetzen.« Younjin strich sich eine Strähne ihrer blond gefärbten Haare hinters Ohr und blickte dann für einen kurzen Moment gedankenverloren aus dem Fenster. Selbst ihr Profil war so vollkommen schön, dass es mich schon fast wieder aufregte. Sie war eine von der Sorte Mädchen, mit der man einfach befreundet sein wollte. Ihre aufgeschlossene und fröhliche Art konnte einen selbst an den schlechtesten Tagen wieder aufmuntern und eingebildet war sie kein bisschen. »Ist es nicht einsam, so ganz alleine in einem großen Haus im Wald? Ich meine so ganz ohne deine Mutter«, fragte mich Younjin plötzlich mit einem besorgtem Unterton in ihrer Stimme. War ich einsam? Ja, manchmal. Doch ich gewöhnte mich allmählich daran. »Naja, eigentlich war meine Mum nie wirklich Zuhause. Meistens lungerte sie irgendwo im Krankenhaus herum oder im Ausland.
Also das Gleiche, was sie jetzt auch tut, nur in einem anderen Land und für eine längere Zeitspanne.« Ich trank einen Schluck Kakao, aus der grünen Tasse, welche das Logo des kleinen Cafés aufgedruckt hatte. Dabei ignorierte ich den misstrauischen und zugleich besorgten Blick von Younjin und setzte sofort wieder mein strahlendstes Lächeln auf. »Mach dir keine Gedanken um mich, immerhin bin ich die Tochter meiner Mutter. Eine Einzelkämpferin durch und durch.«
Seufzend schüttelte sie den Kopf über meine alberne Bemerkung, doch trotzdem musste sie sich ein Grinsen unterdrücken.
»Na gut, Eonni. Leider muss ich dich jetzt wieder zum Arbeiten bewegen, denn ich wollte jetzt meinen Vater besuchen.« Zur Untermauerung meiner Aussage, trank ich den letzten Schluck aus und zog mein schwarzes Portemonnaie aus der Tasche, aus dem ich die genaue Summe an Geld und etwas Trinkgeld heraus kramte und sie vor Younjin auf den Tisch legte.
»Dankeschön und richte deinem Vater liebe Grüße aus«, rief sie mir noch hinterher, während sie das Geld in die Kasse stopfte.
Zur Bestätigung hob ich nur meine Hand und verließ das Café dann durch die Glastüre.

•Blood | Ateez Fanfiction•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt