Kapitel 16 - Amora

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Vor einigen 100 Jahren...

»Jetzt komm schon! Mutter hat gesagt, wir sollen den Stoff sogleich zu ihr bringen.«

Lorelei blieb stehen und wartete auf ihre Schwester. Doch diese ging unbeirrt den kleinen Pfad weiter, statt mit ihr den Weg nach Hause zu nehmen.

»Amora!« Seufzend klemmte sie sich den Stoffballen fester unter den Arm und folgte der Älteren, eilte sich und holte sie ein. »Wo gehst du hin?«

»Gelsa hat mir verraten, dass man dort einen Blick in den Garten der Königin werfen kann.«

Loreleis Blick folgte dem Fingerzeig zögerlich. »Aber Mutter hat gesagt...«

»Mutter hat gesagt... Mutter hat gesagt... ich kann es nicht mehr hören. Geh doch nach Hause.«

Lorelei trat von einem Fuß auf den anderen. Sie war die Jüngere und hatte dementsprechend der Älteren zu gehorchen. »Mutter wird fragen, warum ich nicht bei dir geblieben bin.«

»Dann bleib eben bei mir und komm. Dort! Siehst du? Zwischen den beiden Bäumen der Spalt in der Mauer?« Achtlos legte Amora ihren grünen Stoffballen ins Moos und drückte das Gesicht gegen den Spalt.

Lorelei kniff die Lippen zusammen. Die neuen, sauberen Stoffballen einfach auf den Waldboden zu legen? Wieder blickte sie zu ihrer älteren Schwester. »Was siehst du?«

»Ein paar Kinder die mit Holzstöcken spielen.«

»Mit Holzstöcken?« Lorelei zögerte noch immer.

»Sie nutzen die Stöcke wie Schwerter. Haha – das ist lustig. Der fette Sack ist ganz schön gewandt für seinen Körperumfang.«

Wenn sie schon Ärger zu Hause bekam, dann sollte der sich wenigstens lohnen. Vorsichtig legte Lorelei ihren Ballen genau auf den von Amora. So blieb der ihre wenigstens sauber. »Lass mich auch schauen«, verlangte Lorelei und drängte sich neben ihre Schwester.

»Du wolltest ja nicht mal mit. Jetzt wartest du.«

»Nein!« Die beiden Mädchen begannen sich gegenseitig wegzudrängen, was niemanden von beiden so recht gelingen wollte. Schließlich quetschte sich Lorelei unterhalb ihrer Schwester und konnte nun ebenfalls einen schmalen Streifen erhaschen. »Schau mal die da. Ihr Kleid ist schön.«

»Das ist eine Lady – mit der kannst du dich nicht messen.«

»Ich will auch so ein Kleid haben.«

»So etwas wirst du niemals tragen, als Tochter eines Kunstschmiedes uns einer Schneiderin.«

»Ich will aber!«

Amora seufzte tief. «Siehst du den blonden Jungen da?«

»Ein Raufbold! Er hat dem Kleinen mit dem Stock auf den Arm geschlagen.«

»Das ist Thor. Ich werde eines Tages eine Verbindung mit ihm eingehen.«

»Ich finde den dunkelhaarigen viel süßer.«

»Das ist Loki. Den kannst du haben. Thor wird sicher König und ich dann seine Königin. Wenn du mit Loki zusammen bist, kannst du vielleicht zu unserer Vereinigung so ein Kleid tragen.«

»Königinnen tragen immer schöne Kleider«, sagte Lorelei nachdenklich. »Dann werde ich mich mit Thor vereinigen.«

»Das wirst du nicht, denn ich haben ihn mir ausgesucht.«

»Pah! Werde ich wohl!« Lorelei gab ihrer Schwester einen Stoß.

»Du Biest!« Amora taumelte kurz, fing sich und erwiderte den Stoß.

Prinzenrolle 3 (Thorki)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt