Häkeldeckchen

24 2 1
                                    


  „Erna fehlt noch!" - „Dann geh doch nochmal klingeln, Liz", Karla saß wartend auf ihrem Rollatorsitz. Ilse neben ihr auf einem Stuhl betrachtete ihre Fingernägel. Dann legte sie ein Tuch um die Schultern, achtete aber darauf, dass die großen Ketten oberhalb blieben.

„Kannst du nicht ohne die Klunker gehen?", fragte Karla beiläufig.

„Du gehst doch auch nicht nackt", entgegnete Ilse entrüstet. „Sie ist nicht da. Ich hab ihr einen Zettel an die Tür." Liz war wieder zurück und sie machten sich langsam auf den Weg mit Rollator, Gehstock und Elektrorollstuhl. Einzig Ulla brauchte keine Gehhilfe. Bruder Martins Ankündigung einer Handarbeitsgruppe hatte Begeisterung unter den befreundeten Nachbarinnen ausgelöst und so waren sie nun auf dem Weg in den großen Speisesaal des nahegelegenen Altenheimes. Außer Erna, die wieder in der Weltgeschichte unterwegs war. Immer am wuseln. Im Speisesaal herrschte bereits geschäftiges treiben. Bruder Martin stellte Geschirr und Teller mit Keksen auf die Tische, legte auf jeden Platz ein kleines Etui. Nadira, eine Novizin der nahen Abtei, stellte Körbchen mit Wolle hin.Ein leichter Geruch von Ammoniak lag in der Luft. Zu ihm gesellte sich ein Hauch von Mottenkugel und 4711. „Könnten wir vielleicht zwei Tische zusammenziehen?", meldete sich Hanna aus ihrem Rollstuhl.

„Aber das soll doch kein Kaffeeklatsch werden!", entgegnete Nadira entrüstet. „Außerdem wird gleich Frau Heller, die Sponsorin, eintreffen. Für heute bleiben die Tische so!" Maulig setzten sich die Damen an mehrere Tische, so dass niemand mit den Rücken zu den anderen saß, was wegen der Rollatoren und der beiden Rollstühle schon ein wenig schwierig war. „Na hoffentlich kann ich das noch, ich hatte seit zwanzig Jahren keine Nadeln mehr in der Hand" „Karla, das verlernt man nicht. Ich hab mich so auf meinen Enkel gefreut, dass er jetzt Mützchen in allen Größen hat und viele Söckchen." „Ja ein Urenkelchen hätte ich auch gerne.Ich freu' mich immer, wenn deine da sind."

„Liebe Anwesenden, wir begrüßen Sie herzlich zu unserer Handarbeitsrunde mit Kaffee und Gebäck. Ich gebe nun das Wort an unsere Sponsorin Frau Heller" - „Danke Bruder Martin. Auch ich begrüße Sie herzlichst und hoffe, dass unser Projekt ein Erfolg wird." Einige Blitze zuckten doch den Raum. „Auf den Tischen finden Sie Wolle und im Etui einige Nadeln, die ergonomisch geformt sind. Nadeln und Wolle verbleiben hier, so können sie nicht verlegt werden. Zuerst bitte ich Sie um einige Deckchen, denn auf dem Weihnachtsbasar der Kirche gab es letztes Jahr nach einer Spende reißenden Absatz und bescherten der Obdachlosenhilfe eine mehrstellige Summe." Sie unterbrach, gab einem Mann mit Kamera, der anschließend den Raum verließ, die Hand. Ein Murmeln und Tuscheln entstand, einige regten sich über die Vorgabe auf, andere sagten nichts. Frau Heller versuchte zu beruhigen: „Meine Damen, nachdem ich dieses Projekt finanziere, hat es auch nach meinen Vorgaben zu laufen. Wem das nicht gefällt, der kann ja gehen." Liz schickte sich an, aufzustehen, doch Karla hielt sie an der Hand: „Warte. Gehen können wir später auch noch." Liz blieb sitzen.

„So und damit wünsche ich ihnen allen viel Vergnügen." Sie drehte sich zu Bruder Martin um: „Und dass Sie mir immer wieder Zwischenbericht geben. Das Projekt ist Ergebnis gebunden. Sonst ziehe ich meine Gelde zurück." Hastig warf sie ihren Mantel über die Schultern und lief mit klackenden Absätzen hinaus.

Ulla griff nach der Wolle, während Nadira und Bruder Martin begannen die Tassen zu füllen. Vorsichtig wickelte sie etwas Faden ab. „Das wird ja ewig dauern bei dem dünnen Zeug", erklärte sie wenig erfreut. Dann öffnete sie das Etui. Darin befanden sich mehrere Nadeln mit winzigen Haken und dicken geschwungenen Griffen. Ergonomisch geformt. Ulla kam es eher vor, als habe man eine Metallnadel in den Griff einer Handzahnbürste gerammt. Eine Nadel mit Stärke zwei Komma null erwies sich als die größte. Ulla seufzte. Auch wenn sie immer mal Filethäkelei betrieb, war es nicht ihre Lieblingsdisziplin. Es war recht langwierig und erforderte viel Konzentration. Viel lieber waren ihr da flauschige Schals und Mützen, doch dem Häkeldrang konnte sie dennoch nicht widerstehen und schlug mehrere Luftmaschen an, die sie sogleich zu einem Kreis verband. Die anderen schauten entgeistert.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 09, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

WollsuchtisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt