5 | An offer I could definitely refuse.

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Wie war das Bonfire gestern? Hattet ihr Spaß? Ich habe gar nicht mitbekommen, wann ihr nach Hause gekommen seid." Mein Vater führte die Tasse an seine Lippen und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, dessen Dampf dafür sorgte, dass die Gläser seiner Lesebrille leicht beschlugen.

Ich hatte beim Aufstehen dafür gebetet, dass er nicht nachfragen würde. Hatte gehofft, dass seine Gedanken um die Aufgaben auf seiner Arbeit kreisten, anstatt um meine Freizeitaktivitäten.

Nachdenklich richtete ich den Blick auf meine Schüssel voller Joghurt und Früchten, die er mir liebevoll gemacht und welche ich noch nicht angerührt hatte.

Kopfschmerzen ließen immer öfter kleine Falten in meiner Stirn entstehen, die meinen Hunger zusätzlich dämpften.

Deren Ursprung konnte ich auf jene Sekunde zurückführen, in der mein Kopf sich auf die Kissen in meinem Bett gesenkt hatte. Wie kleine Wasserfälle waren die Tränen über meine Wangen gelaufen, unaufhaltsam und ohne Rücksicht darauf, was sie alles mit sich ziehen würden.

Die gestrige Situation war nicht annähernd so schlimm gewesen, wie der Verlust eines Familienmitglieds, und trotzdem hatte er mich unglaublich mitgenommen.

Eigentlich wäre ich aufgrund der Tatsache, dass mein Kopf schmerzte und meine Augen enorm brannten, auch in meinem Bett liegen geblieben. So lange, bis es Montag war und ich mich in die Schule quälen musste. Aber ich befürchtete, dass mein Vater dann Fragen gestellt hätte. Fragen, die dringlicher gewesen wären als jene, auf die er immer noch eine Antwort verlangte.

Ich war kein Langschläfer, mir reichten wenige Stunden aus, um am nächsten Morgen fit zu sein. Mein Vater hätte es hinterfragt, wenn ich nicht beim gemeinsamen Frühstück erschienen wäre und außerdem hätte ich dieses Fehlen nicht übers Herz gebracht. Schließlich waren diese wenigen Minuten, in denen wir gemeinsam an dem großen Marmortisch im Esszimmer saßen, meist die einzigen am Tag, die wir für uns hatten.

„Es war wirklich schön. Alaia und die anderen haben sich unglaubliche Mühe gemacht um diesen Abend besonders werden zu lassen", antwortete ich, ohne das Gefühl der Röte auf meinen Wangen zu verspüren, die sich dort bei Lügen meist breit machte.

Mein Vater war, bis auf eine Ausnahme, die einzige Person in meiner Familie, die mir noch geblieben war. Die mir etwas bedeutete und auf die ich nicht verzichten wollte. Und trotzdem konnte ich mich ihm nicht anvertrauen.

Ich konnte ihm nicht sagen, dass Keane und ich am gestrigen Abend zum ersten Mal seit langem wieder miteinander gesprochen, diese Unterhaltung aber in einem Desaster geendet hatte.

Der Schmerz in seinen Augen war jeden Tag lesbar. In jeder Minute konnte ich erkennen, dass er in der Verarbeitung noch keinen Schritt weitergekommen war und dass die Gedanken über den Tod seiner Ehefrau ihn nicht loslassen wollten.

Es schränkte ihn in seinen Verhaltensweisen ein, in seinem Leben und seinen Möglichkeiten, glücklich zu sein. Ich würde verdammt sein, wenn ich riskierte, ihn noch weiter ins Dunkle zu treiben, anstatt ihn endlich ins Licht zu führen.

„Es freut mich, dass du Spaß hattest", meinte er und der Anflug eines Lächelns legte sich auf seine Lippen, bevor er die Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Tisch lag, zusammenfaltete.

„Ich glaube nicht, dass es heute spät wird. Vielleicht kann ich uns dann etwas zu Essen mitbringen, und wir machen uns einen schönen Abend?"

Mit einem bittenden Funkeln in den Augen sah er mich an. Die Liste in meinem Kopf mit den Möglichkeiten, wie ich den Abend möglichst schmerzfrei verbringen konnte, verschwand hinter den Plänen, die mein Vater gemacht hatte.

Dieser klemmte sich in jener Sekunde die Zeitung unter den Arm und erhob sich vom Frühstückstisch.

Im Gegensatz zu mir hatte er schon gefrühstückt. Zwei Brötchen, zwei Hälften mit Marmelade und zwei mit etwas Herzhaftem. Die herzhaften Hälften hatte er natürlich zuerst gegessen.

„Macht es dir etwas aus, den Tisch ab- und die Spülmaschine einzuräumen? Ich muss leider langsam los", meinte er unter einem gehetzten Blick auf seine Armbanduhr. „Natürlich nicht", erwiderte ich schnell. Hoffnung und das Wissen, dass ich gleich alleine sein würde und meine Ruhe genießen konnte, machten sich in mir breit.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt