Kapitel 4: Ein Ebenbild aus Marmor

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Alles war wie immer, eine chaotische Ordnung herrschte in dem großen Büro mit allerlei Geräten, Gegenständen, Büchern und Papieren.
Die Gemälde der Schulleiter, die an den Wänden hingen, beäugten neugierig die Gäste.
Professor Dumbledore klatschte freudig in die Hände, „Hermine Granger! George Weasley! Habe ich nicht gesagt sie kommen bald, Minerva?", er linste über seine Brille und grinste verschmitzt.
„Professor Dumbledore", George und Hermine begrüßten den verstorbenen Schulleiter aus einem Mund, Dumbledore war das Herz von Hogwarts, ein mächtiger und weiser Zauberer.
„Ihr solltet mehr schlafen...", sein Blick glitt über seine Schützlinge.
„Das kann man leicht sagen... so als Gemälde", gab George zurück, für einen kurzen Moment war es still im Büro, dann lachte Dumbledore herzlich, McGonagall schüttelte den Kopf, zauberte sich ein Tee-Service und goss drei Tassen ein, bot den beiden einen Sitzplatz am Kamin an.
Hermine setzte sich auf den bequemen Ledersessel und nahm die Tasse Tee, das hatte sie jetzt gebraucht.
Sie hatte heute Morgen weder gefrühstückt noch etwas Heißes zu sich genommen, die warme Kräuterteemischung machte sich in ihrem Magen breit und wärmte ihren Körper.
„Der Tee ist hervorragend...", sagte sie und nahm einen weiteren Schluck.
„Das ist eine Mischung von Professor Snape", McGonagall stimmte zu, „die Hauselfen haben die Lebensmittel aus seinen Räumen geholt nachdem...", sie brach ab und trank einen Schluck.
„Sie haben seine Räume ausgeräumt?", fragte Hermine, natürlich war es irgendwann nötig, dass die Räume frei gemacht würden, aber es fühlte sich komisch an einen anderen Professor in diesen Räumen zu wissen.
„Nein... nur die Lebensmittel. Alles andere ist weiterhin an Ort und Stelle. Der Raum ist versiegelt... und er wird auch nicht geöffnet.", ein gütiges Lächeln schlich sich auf ihre Züge.
„Ihr solltet nachher mal in die Kerker gehen...", mischte sich das Gemälde von Dumbledore wieder ein, ein aufgeregtes Lächeln lag auf seinem Gesicht.
„Das war immer schon mein Lieblingsplatz hier im Schloss...", erwiderte George lachend.

Nach einer kurzen Stille stellte McGonagall die Fragen, die Hermine hoffte, sie würden nicht gestellt werden: Arbeit, Zukunft, persönliches Befinden und Pläne.
Weder George noch Hermine konnten ihr viel sagen, sie sprachen von Ron und Harry und ihrer Aurorenausbildung, von Ginny, die ihr Jahr wiederholen würde in Hogwarts, von Arthur und Molly.
„Was ist eigentlich mit Teddy?", fragte George und lenkte damit von ihren Leben ab.
„Er ist zurzeit bei Tonks Eltern... sie kümmern sich ganz fantastisch und liebevoll um ihn... er hat Tonks Talent der Aussehensveränderung geerbt.", sagte sie stolz.
„Remus Angst war also völlig umsonst...", sagte Hermine mit einem traurigen Lächeln, sie erinnerte sich an das Streitgespräch zwischen Remus und Harry im Grimmauld Place und an seine Angst, dass das Kind, welches Tonks erwartete, eventuell sein grausames Schicksal teilen würde.
„Wir alle wünschten die beiden könnten ihr Kind aufwachsen sehen.", McGonagalls Blick nahm wehmütige Züge an, „Ich möchte euch etwas zeigen."
Sie tranken ihre Tasse leer, verließen das Büro, McGonagall führte die beiden zu einer besonderen Stelle im Schloss, sie steuerte den Flur im siebten Stock an, die freie Fläche vor dem Raum der Wünsche.
Hermine verlangsamte ihre Schritte als sie sah, was dort auf sie wartete.

Eine Vielzahl von Büsten verschiedener Personen, eingeschlossen Ron, Harry und ihr. Die drei Skulpturen ihrer Gesichter und Oberkörper standen in der Mitte der Wand, unter ihnen ein Schild mit der Aufschrift ‚Das Goldene Trio', rechts und links daneben verstorbene Freunde und Verbündete.
Hermines Büste stand in der Mitte, rechts von ihr Harry, links von ihr Ron.
Neben Harry waren Remus und Tonks, neben Ron war eine Statue von Fred.
George näherte sich dem präzisen gearbeiteten Marmor und konnte sich eine kleine Träne nicht verkneifen, die über seine Wange rollte.
Hermine betrachtete derweil die andere Seite weiter, ihre Aufmerksamkeit wurde von einer anderen Büste auf sich gezogen.
Neben Tonks stand ebenfalls das Ebenbild von Professor Snape, die Skulptur war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, der strenge Blick, die Nase, der Mund, die Haare.
Es war alles so realistisch.
Hermine hob vorsichtig die Hand und strich über die makellose Oberfläche des sanften Marmors seines Gesichts. Es war kalt und weich, unnachahmbar gearbeitet. Ihre Finger strichen weiter über die Wange der Statue, die Lippen, hoch zu der Falte zwischen seinen Augenbrauen und über die kalten Steinhaare.
„Wer hat sie gemacht?", fragte Hermine leise, als McGonagall sich mit einem musternden Blick ihrer ehemaligen Schülerin näherte, sie war erstaunt und fasziniert davon, wie sanft Hermine über den Stein strich, welche Wehmut sich in ihren Blick gelegt hatte.
„Ich weiß es nicht... es war eine Spende von einem anonymen Zauberer. Es lag nur eine Karte dabei.", sagte sie gedankenversunken.
„Was für eine Karte?", Hermine drehte sich um, sah in McGonagalls Gesicht.
„Ihr Opfer wird nicht umsonst sein."
„Was soll das heißen?", fragte George nun.
„Vermutlich ist es einfach nur eine Danksagung für die Vernichtung Voldemorts...", McGonagall schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, Hermine und George sahen sich an.
„Professor! Kommen Sie schnell, Sean hat schon wieder Professor Flitwick angezündet", rief ein Schüler aufgeregt und beendete damit die Gedanken der Anwesenden, die Schulleiterin seufzte, entschuldigte sich und lief mit dem Schüler zum Unfallort.

„Gehen wir nach unten", meinte George, wandte sich zu einem Gang, den Hermine noch nie bemerkt hatte. Sie sah ein letztes Mal auf die Büste des verstorbenen Professors und drehte sich dann wieder dem Gang zu, „Geheimgang?"
George nickte und ging weiter, nach einem mittellangen Marsch in beinahe absoluter Dunkelheit wurde Hermine durch eine Fackel an einer Wand geblendet.
„Wo sind wir?", fragte sie, als sie sich an die wiedergekehrte Helligkeit gewöhnt hatte.
„Kerker... Dumbledore sagte doch, wir sollen uns die Kerker ansehen...", George zuckte mit den Schultern.
Hermine besah sich die den dunklen Korridor, immer noch fühlte sich hier alles kalt an, als wären sie in einem feindlichen Lebensraum. Sie liefen weiter, kamen an die Zaubertränke-Räume, die nun durch Slughorn ausgefüllt wurden, sein Unterricht war sehr viel fröhlicher und nachdem der Krieg vorbei war, war seine Laune noch besser.
Sie hörten Schüler lachen, Slughorn wie er sich vergnügt verschiedene Tränke besah und das ein oder andere Mal eingreifen musste. Sie gingen weiter, kamen an die Privaträume von Professor Snape und wurden ein weiteres Mal überrascht.
Der ganze Eingang war von weißen Lilien gesäumt, ein Zeichen der Anerkennung seines Opfers, der Trauer seines Ablebens und der nie vergessenen Liebe zu Lily Potter. Hermine musste schwer schlucken, damit hatte sie nicht gerechnet.
„Ob ihn das gefreut hätte? Ich weiß ja nicht", scherzte George, drückte Hermine an ihrer Schulter zu sich und tröstete sie.
„Hat ihn überhaupt etwas gefreut?", fragte Hermine leicht schnaubend.
Ihr fiel etwas auf, unter den Blumen glitzerte etwas, sie besah sich das Objekt genauer, kniete sich auf die Erde und zog behutsam einen Zeitumkehrer unter den Blumen hervor.
„Das... ist mein Zeitumkehrer... ich hab ihn verloren bevor wir die Schule verlassen haben...", sie hielt das filigrane Stück vorsichtig in den Händen, es war alles intakt.
„Woher weißt du, dass es deiner ist?", fragte George.
„Es gibt nicht viele... ich glaube dieser hier ist der einzige, der noch funktioniert. Das Ministerium hat damals alle zerstört, bis auf wenige... meiner hatte drei kleine Striche am äußersten Ring", sie hielt George den Zeitumkehrer entgegen und tatsächlich waren drei kleine eingeritzte Striche zu sehen.
„Dann kannst du ihn wohl behalten", George zuckte mit den Schultern.
„Was macht er vor Snapes Tür?", sie verstand nicht, wie er dorthin kam.
„Ist doch egal, Hauptsache du hast ihn zurück...", er wandte sich zur Treppe nach oben, Hermine folgte mit einigem Abstand, legte die Kette um ihren Hals.

Die beiden liefen ohne weitere Ereignisse durch das Schloss, traten auf die Ländereien und gingen zur Appariergrenze zurück.
George hielt ihr wieder seine Hand hin, Hermine fasste innerhalb von Sekunden einen Entschluss, „ich muss eben was nachgucken", sagte sie zu George, holte den Zeitumkehrer unter ihrer Jacke hervor, drehte drei Umdrehungen auf die Uhr und verschwand vor Georges Augen.

Sie wurde zum Tagesanfang zurückversetzt, die Ländereien waren still, noch war die Sonne nicht aufgegangen.
Sie verstaute den Zeitumkehrer, apparierte in den Park und stellte sich hinter einen Baum in der Nähe der Bank, auf dem sie heute Morgen vermeintlich den verstorbenen Professor gesehen hatte. Sie wollte wissen, wer dort saß, wenn dort jemand saß oder ob sie Hirngespinste hatte.
George und sie kamen in dem Park an, sie konnte von der Stelle hinter der großen Trauerweide am See gut die Situation beobachten, sie hatte sich bereits an ihren Baum gesetzt, George kam ebenfalls dazu.
Hermine hielt sich bedeckt, achtete auf die Bank am See, ein Mann ging geradewegs zu der Bank, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

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