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Ein Krokodilskopf? Ja, es war der Kopf eines großen, dunkelgrünen und wütend aussehenden Wirbeltieres, das ihn beim Betreten des Cafés anstarrte. 
Kleinstädte, dachte er sich. Kleinstädte würde er niemals verstehen.
Er bestellte bei der Bedienung, vermutlich waren sie gleich alt, einen Tee und setzte sich in die hinterste Ecke des Raumes ans Fenster. Die Sonnenstrahlen schienen auf den Tisch, als würden sie Tschüss sagen und den Sommer mit einem imposanten Abgang verabschieden wollen. Der junge Mann blinzelte ein paar Mal als er hinausschaute, dann nahm er seine Tasche und kramte ein kleines, schwarzes Notizbuch hervor, schlug es auf und starrte auf die leere Seite. Drei Monate hatte er Zeit, diese Seite und alle danach folgenden zu füllen. 

Theo war in seinem Jahrgang an der Trinity Universität einer der besten, wenn nicht sogar der beste Schriftsteller, auch wenn er sich dies aufgrund seiner Bescheidenheit nicht eingestehen mochte. Doch genau diese Bescheidenheit und auch seine Empathie und Aufmerksamkeit ermöglichten es ihm viele kleine Dinge unbeobachtet wahrzunehmen und in Worte zu verwandeln. Dennoch war er keine dieser Personen, die man einfach mit dem Wort nett beschrieben hätte. Dafür war sein Charakter nicht gradlinig genug.
Im Sommer letzten Jahres hatte er an dem jährlichen Kurzgeschichtenwettbewerb des Instituts für Belletristik teilgenommen und mit dem ersten Platz ein dreimonatiges Stipendium zum Schreiben einer Geschichte in Dalkey gewonnen. Dalkey war eine Kleinstadt im Osten Irlands, direkt an der Küste. Er war noch nie zuvor dort gewesen, aber erwartete auch nicht sonderlich viel von einer Stadt mit einer Bevölkerung von knapp 8 500 Menschen.

Bei seiner Ankunft konnte er vom Bahnhof aus samt seines Rollkoffers und einer Reisetasche zu Fuß zu seiner Unterkunft gehen. Zehn Minuten stapfte er die Hauptstraße entlang, bog in kleinere und noch kleinere Straßen ein bis sein Handy ihn darauf hinwies, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er stand vor einer kleinen Villa, die dem üblichen britisch-viktorianischen Kitsch-Klassiker entsprach. Im Hintergrund konnte er das Meer rauschen hören. Ein Haus am Meer, stellte er fest. Er wusste nicht, ob er die Tatsache beeindruckend oder absolut klischeehaft finden sollte. Dennoch musste er zugeben, dass das Haus beeindruckend aussah. Nichts im Vergleich zu seinem 14 Quadratmeter Zimmer in seiner WG in Dublin. Das Haus vor ihm sah nicht so aus, als sollte dort ein 23 jähriger Student einziehen so wie es alle seine Vorgänger und Vorgängerinnen, die den Wettbewerb die Jahre zuvor gewonnen hatten, getan hatten. Es machte viel mehr den Anschein, als wohnte dort eine gelangweilte aber doch glückliche, gutbürgerliche Kleinfamilie.
Drei Stufen führten zu einer hölzernen Veranda auf der eine Bank, eine typische Pflanze, die man auf jeder Veranda finden konnte, aber deren Namen niemand kannte, und eine Fußmatte lag. Welcome, stand in verschnörkelten Buchstaben auf der Kokosmatte. 
Wie konnten die Leute vor mir hier nicht an Langeweile sterben?, fragte er sich als er den ersten Schritt in das Gebäude setzte.

Die Bedienung stellte seinen Tee vor ihm auf den runden Tisch ab.
"Danke", er wendete kurz den Blick von seinem Notizbuch zu dem Mädchen, das ihn jetzt nett anlächelte. Mit einem freundlichen Nicken verschwand sie.

Je länger er das Papier anstarrte desto weniger wusste er, was er eigentlich wollte. Sein Professor hatte ihm vor seiner Abreise gesagt, er solle einen Schritt weiter gehen und sich endlich trauen einen Roman zu schreiben. Er wusste, dass Theo in der Lage war, Romane zu schreiben. Doch auch so sehr Theo es versuchte. Kurzgeschichten vielen ihm leichter. Sein Ziel für den Aufenthalt war es jedoch, eine erste Version eines Romans fertigzustellen. 250 Seiten. Der Professor hatte ihm zugesichert, er würde ein Manuskript einer befreundeten Lektorin zukommen lassen, die dafür sorgen würde, dass es, solange es gut sei und daran glaubte der Professor fest, veröffentlicht werden würde. Es wäre nicht Theos erste Veröffentlichung. Ab und an waren seine Kurzgeschichten in Zeitungen zu lesen und erst letztens wurde eine Geschichte sogar in eine Sammlung von studentischen Kurzgeschichten aufgenommen, die in verschiedensten Läden Dublins zu kaufen war. Theo machte sich nicht viel daraus. Natürlich freute er sich sehr und war auch stolz auf sich, dennoch war es keine Sache, mit der er prahlen würde, denn er prahlte nicht.
Als er nach zwanzig Minuten zwar seinen Tee ausgetrunken, aber immer noch kein Wort auf Papier gebracht hatte, beschloss er zu zahlen und sich die Stadt genauer anzugucken. Bereits am Tag zuvor war er durch die Stadt gelaufen und hatte sich alle möglichen Sehenswürdigkeiten angesehen, doch an diesem Tag wollte er einfach etwas schlendern. So lief er die Promenade auf und ab, beobachtete Möwen, die um Essensreste aus den Mülleimern konkurrierten und sah den  Arbeitenden bei be- und entladen der Schiffe im Hafen zu.  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 25, 2019 ⏰

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