Kapitel 9: Verabredungen

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„Verdammt nochmal... wo ist er?", sie strich sich fahrig durch das Gesicht.
„Genau hinter Ihnen", brummte er dunkel von der Tür, Hermine sprang zur Seite, stolperte und verknackste sich den Knöchel, bewahrte sich selbst aber davor zu Boden zu gehen.
„Erst übergeben Sie sich, wenn Sie mich sehen und jetzt brechen Sie sich halb den Fuß. Vielleicht sollten wir uns doch nicht mehr treffen.", scherzte er dunkel, hielt ihr eine Hand hin, um ihr beim Laufen zu helfen.
Hermine griff mit zitternden Fingern nach seiner Hand und drückte, „Sie sind echt.... Ich hab mir das nicht eingebildet.", stotterte sie, hüpfte leicht zu ihm und schlang blitzschnell ihre Arme um seinen Körper, drückte sich an ihn.
„Haben Sie getrunken?", fragte er und suchte ihren Blick.
„Ein Glas Wein...", sie schüttelte beschwichtigend den Kopf, keuchte leicht auf, als sie sich auf ihren Fuß stellte.
„Kommen Sie rein... ich sollte mir den Fuß angucken.", er legte einen Arm um ihre Taille und trug sie halb ins Haus.

Hermines Gedanken rasten, der Schmerz strahlte weiter aus ihrem Fuß in den Körper, die Freude ihn gefunden zu haben, die Wahrhaftigkeit seiner Existenz machten sie wieder vollkommen Emotional und durcheinander.
Er setzte sie auf einen Sessel, erhellte das Wohnzimmer ein wenig mehr, schob ihr Hosenbein ein Stück nach oben, zog ihr vorsichtig den Schuh und die Socke aus.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass er ein recht enganliegendes weißes T-Shirt und eine schwarze Pyjamahose trug, sie schluckte, wandte den Blick von seinem Körper ab und sah wehleidig auf ihren Fuß. Er tastete vorsichtig mit warmen Fingern den Knöchel ab.
„Halb so schlimm... er ist nicht gebrochen... nicht einmal verstaucht. Sie sollten besser auf sich aufpassen.", er strich ein letztes Mal über ihr Bein, sah nach oben und musterte ihr Gesicht.
Ihre Wangen waren gerötet, ebenso wie ihre Augen, ihre Hände zitterten noch leicht.
„Haben Sie Schmerzen?", fragte er leise, legte seine Finger um ihre Hände und drückte sie.
„Nein", hauchte sie, schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Einige Sekunden später spürte sie einen Stoff an ihren Fingern und öffnete die Augen.

„Sie haben das Taschentuch verloren, als Sie so plötzlich verschwunden sind...", er beantwortete ihre Frage, bevor sie sie überhaupt stellen konnte. Sie atmete tief ein und aus, legte das Taschentuch an ihre Nase und nahm den Kräuterduft auf und lächelte leicht.
„Warum sind Sie so nett zu mir?", fragte sie unschlüssig.
„Ich glaube ich habe einige Jahre wieder gut zu machen.", er musterte sie eindringlich, Hermine griff nach seiner Hand, strich mit dem Daumen über seine warme Haut.
Sie robbte sich an die Kante des Sessels und legte ihre Arme um seinen Hals, lehnte ihren Kopf an seinen und schloss die Augen. Er saß einfach nur da und hielt still, genoss die Herzlichkeit, die sie ausstrahlte.
Als sie sich von ihm löste war ihr Gesicht nah an seinem, eine Hand ruhte an seinem Nacken, die andere strich sanft mit den Fingerspitzen über seine Wange.
„So weich wie der Marmor?", fragte er leise und sanft.
„...besser...", ein kleines Lächeln formte sich auf ihren Lippen, das Knacken der Holzscheitel im Kamin riss sie aus ihrer Trance, sie räusperte sich, löste ihre Hand von ihm und stand auf.

„Wo wollen Sie nun schon wieder hin?"
„Nachhause...", stotterte Hermine konfus.
Sie drehte sich noch zu ihm um, er saß immer noch vor dem Sessel, sah ihr hinterher.
Sie ging einen Schritt zurück, stoppte, drehte sich wieder um, ging wieder zurück, drehte sich wieder um und stand direkt vor ihm. Er war aufgestanden und mit wenigen langen Schritten bei ihr gewesen.
„Was ist los?", er legte den Kopf schief, er hatte sie noch nie so verwirrt gesehen. Hermine stoppte, sah ihn mit großen Augen an.
Das vor ihr war nicht Severus Snape, nicht ihr Professor, er war so nett und besorgt, konnte sie immer noch lesen mit diesen schwarzen durchdringenden Augen, die sie in einen Bann zogen und sie lähmten.
„Ich bin mit Ron zusammen", platzte es aus ihr heraus, sie wusste selbst nicht warum sie es so aus dem Nichts erzählte.
„Es gibt schlimmere Schicksale", sagte er leise, musste dann aber lachen.

Hermine sah ihn perplex an, sie hatte ihn das erste Mal in ihrem Leben wirklich lachen gehört, ihre Angst war völlig unbegründet, die aufgeheizte Stimmung war nichts weiter als Einbildung.
Du bildest dir in letzter Zeit viel ein, mahnte ihre innere Stimme.
„Darf ich Sie nachhause bringen?", fragte er freundlich.
„Ich bin... umgezogen... und Sie haben nur einen Pyjama an.", sie musterte ihn und stellte fest, dass er in der wenigen Kleidung, die er trug, wirklich gut aussah, so ganz anders als früher. Sie glaubte sogar Ansätze der Bauchmuskeln erkennen zu können, weitere Einblicke wurden allerdings verhüllt, da er sich seine Robe wieder angezaubert hatte.
„Ich bin umgezogen, genau wie Sie.", er grinste sie an und zog eine Augenbraue nach oben.
„Akzeptieren Sie ein ‚nein'?", fragte sie hoffnungslos und seufzte.
„Haben Sie jemals ein ‚nein' akzeptiert?", spielte er den Ball zurück.
„Na schön... Sie dürfen mich nachhause bringen.", sie zog die Jacke wieder mehr um sich, verließ mit ihm im Schlepptau sein Haus.
„Und wo wohnen Sie?", fragte er als er die Tür geschlossen hatte.
„Überraschung", sie nahm seine Hand und disapparierte mit ihm, kam mit ihm zusammen vor ihrem Elternhaus an.

Er sah sich um und schmunzelte leicht, genau so hatte er sich die häusliche Umgebung von Hermine Granger vorgestellt.
Ein nobler, wohl behüteter ordentlicher Vorort von London.
„Wie ich es erwartet habe...", er brachte sie zur Tür des Hauses.
„Sir, Mr Weasley hat vorhin gesagt, dass die Häuser in Spinner's End morgen abgerissen werden würden?", fragte sie besorgt und musterte ihn.
„Ich hoffe für alle Verantwortlichen, dass das nicht passiert.", er schürzte die Lippen und zog beide Augenbrauen nach oben, „Ich kann immer noch böse werden...", er ging einen Schritt auf sie zu, setzte seine kalte Maske wieder auf und musterte sie.
Sofort fühlte sich Hermine unwohl, genau das war der Snape aus der Schule, dessen Blick sie in die Knie zwang.
„Gute Nacht", flüsterte sie, wollte sich damit aus der Situation wenden.
„Haben Sie morgen etwas vor?", fragte er dunkel, hatte die Maske immer noch nicht abgelegt.
Hermine schluckte, „ich denke nicht..."
„Dann hole ich Sie ab.", er bestimmte es einfach so, als hätte sie überhaupt nichts zu sagen, Hermine hatte ehrlich gesagt nichts dagegen. Sie nickte und wandte sich dann zur Tür.
„Gute Nacht", sagte er sehr viel sanfter und als Hermine sich ein letztes Mal umdrehte sah sie ein weiches Lächeln auf seinem Gesicht.
Dann löste er sich in schwarzen Rauch auf und war verschwunden.

Nachdenklich ging sie ins Haus, verschloss die Tür, ging nach oben ins Badezimmer. Sie zog sich aus, stellte sich unter die Dusche, wusch sich, trocknete sich als sie fertig war wieder ab und zog sich ihren Pyjama an.
Es war immer noch so ruhig im Haus, als würde die Erde stillstehen.
Snape lebte, es ging ihm gut, er war merkwürdiger Weise sehr freundlich zu ihr, wollte sie sogar abholen, ganz gentlemanlike. Wo würden sie hingehen?
Warum wollte er Zeit mit ihr verbringen?
Und warum war sie so nervös in seiner Nähe?
Ja sie hatte ihn vermisst, er hatte ihr gefehlt, ja er war unheimlich charismatisch und sah erstaunlich gut aus in seinem Pyjama.
Er war sehr viel fürsorglicher und freundlicher, was ihr ebenfalls gefiel. Aber sie war immer noch mit Ron zusammen, Enttäuschung mischte sich unter die Aufregung auf den morgigen Tag.
Wenn sie morgen wieder da wäre, müsste sie eindeutig mit Ron reden. Sie wollte diese Streitigkeit aus dem Weg räumen.
Sie schloss mit rauchendem Kopf die Augen, heute war eindeutig zu viel passiert, aber sie freute sich sehr auf den morgigen Tag, zumindest auf den ersten Teil.

Viel zu schnell wurde sie am nächsten Morgen von lautem Vogelgezwitscher geweckt, sie hatte in der Nacht vergessen die Vorhänge zu zuziehen und kniff die Augen schnell wieder zusammen, als sie sah, dass die Sonne des Wintermorgens ihre Strahlen weit in das Zimmer warf.
Sie gähnte, legte ihren Arm über ihre Augen und versuchte noch ein wenig zu dösen. Dieser Tag würde vermutlich genauso anstrengend werden, wie der vergangene.
Nach einer weiteren Zeit wuchs die Nervosität in ihr und sie konnte einfach nicht mehr ruhig im Bett liegen.
Sie setzte sich auf, sprang aus dem Bett, zog ihre puscheligen Hausschuhe an und lief nach unten in die Küche, um sich Kaffee zu kochen und ein Brot zu schmieren.
Eine Ausgabe des Tagespropheten flatterte durch den Kamin in ihr Wohnzimmer, sie schüttelte den Kopf, offenbar wussten die Eulen immer genau, wo sie war.
Sie blätterte ein wenig durch die Seiten, es stand nicht viel Interessantes drin. Seit Rita Kimmkorn entlassen wurde zierten keine gefälschten und hochgebauschten Schlagzeilen mehr die Titelseite, was Hermine ganz recht war.

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